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Die Anpassung des Geschlechtseintrags bleibt mit Hürden verbunden.

© Getty Images/iStockphoto

Geschlechtseintrag: Gesetz für Transsexuelle soll reformiert werden

Die Große Koalition will das Transsexuellengesetz reformieren. Doch der Vorschlag stößt auf Kritik: Die neuen Regeln würden Betroffene weiter fremdbestimmen.

Das Transsexuellengesetz soll in der bisherigen Fassung aufgehoben und durch neue Regeln zur Anpassung des Geschlechtseintrags ersetzt werden. Dadurch soll es für trans Menschen einfacher werden, ihren Geschlechtseintrag anzugleichen.

Einen entsprechenden Gesetzesentwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, haben jetzt das Justizministerium und das Innenministerium vorgelegt (hier kann man den Entwurf einsehen). Zuerst hatte Buzzfeed News Deutschland darüber berichtet.

Das Transsexuellengesetz steht seit langem in der Kritik

Das seit 1981 gültige Transsexuellengesetz regelt, wie trans Menschen ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag anpassen können. Es steht seit langem in der Kritik, das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mehrfach Passagen für verfassungswidrig erklärt. Vor allem die Langwierigkeit und die Kosten des Verfahrens werden immer wieder kritisiert.

Bisher müssen trans Personen für die Anpassung zwei psychologische Gutachten vorlegen und ein oft mehrere Monate oder sogar Jahre dauerndes Verfahren vor dem Amtsgericht durchlaufen. Das Verfahren kann mehrere tausend Euro kosten, von Betroffenen wird es oft als entwürdigend empfunden.

Neu ist eine zwingende "qualifizierte Beratung"

Laut des Entwurfs sollen die zwei Gutachten künftig durch eine "qualifizierte Beratung" ersetzt werden, über die Beratung muss eine "begründete Bescheinigung" vorgelegt werden. Das wäre in der Tat eine Vereinfachung. Allerdings ist die Bescheinigung offenbar keineswegs als Formalie gedacht. Vielmehr müssen Ärzte beziehungsweise Therapeuten darin begründen, warum sich die betreffende Person "ernsthaft und dauerhaft einem anderen oder keinem Geschlecht als zugehörig empfindet und mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zu dem anderen oder keinen Geschlecht nicht mehr ändern wird". So steht es im Gesetzentwurf.

Danach bleibt es bei dem gerichtlichen Verfahren: Es müssen also Richter darüber urteilen, ob die vorgelegte begründete Bescheinigung stimmig ist.

Die Neuregelung soll schnell durchgezogen werden

Die Neuregelung kommt überraschend - und soll offenbar schnell durchgezogen werden. Verbände haben nur zwei Tage und zwar bis zum morgigen Freitag Zeit für eine Stellungnahme, wie Buzzfeed berichtet. Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität nannte die Neuregelung dort eine "Augenwischerei": „Mit Selbstbestimmung hat dieses Gesetz gar nichts zu tun. Die psychologische Begutachtung wird nun Beratung genannt. Doch laut Gesetzesbegründung bleiben die Berater*innen die gleichen wie zuvor – inhaltlich ändert sich kaum etwas.“ Die Bundesvereinigung Trans* erklärte auf Anfrage, 48 Stunden Frist für eine Stellungnahme seine "eine Unverschämtheit". Der Entwurf sehe keinen selbstbestimmten Geschlechtseintrag für trans* und inter* Menschen vor - und unterscheide sich damit in fast allen Belangen vom Vorschlag einer Interministeriellen Arbeitsgruppe von 2017.

Auch von der Opposition kommt Kritik. Sven Lehmann, Sprecher für Sozial- und Queerpolitik der Grünen im Bundestag, kritisierte den Entwurf auf Twitter als "Bevormundung" der Betroffenen. Jens Brandenburg, der bildungs- und queerpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sprach von einer "Gängelung". "Umfangreiche Screenings und belastenden Gerichtsverfahren" lehne die FDP ab. Über die geschlechtliche Identität eines Menschen könne niemand besser urteilen als dieser Mensch selbst. Brandenburg kritisiert auch, dass "zusätzliche Hürden" aufgebaut werden: wie etwa eine verpflichtende Ehegattenbefragung vor Gericht, was eine zusätzliche "Schikane" darstelle.

Für Doris Achelwilm, Sprecherin für Gleichstellungs- und Queerpolitik der Linken im Bundestag, ist der Entwurf eine "Schmalspurlösung". Er werde "dem Ziel geschlechtlicher Selbstbestimmung nicht gerecht und setzt den staatlichen Anspruch gegenüber trans*-Menschen, sich prüfen und pathologisieren zu lassen, fort", erklärte Achelwilm.

Die dritte Geschlechtsoption wird eingeschränkt

Anzunehmen ist, dass die schnelle Neuregelung auch eine Reaktion auf die neue dritte Geschlechtsoption "divers" ist, die seit Beginn des Jahres gültig ist. Das Verfahren für den Eintrag "divers" ist deutlich unaufwändiger: Es reicht eine unbegründete Bescheinigung von Arzt und ein Antrag beim Standesamt. Das Bundesinnenministerium legte Wert darauf, dass diese Option nur intergeschlechtlichen Menschen zugänglich ist, trans Menschen dagegen ausgeschlossen bleiben. Doch in den vergangenen Monaten hatte sich gezeigt, dass offenbar auch trans Menschen das Verfahren für die dritte Option nutzen, um ihren Eintrag von männlich zu weiblich und umgekehrt anzupassen.

Tatsächlich regelt der Gesetzentwurf jetzt viel eindeutiger als bisher die unterschiedlichen Vorgehensweisen für intergeschlechtliche und trans Menschen. So wird in dem Entwurf der Kreis derjenigen, die den Geschlechtseintrag unaufwändig auf dem Standesamt anpassen dürfen, auf Menschen "mit einer angeborenen Variation der körperlichen Geschlechtsmerkmale" eingegrenzt - also intergeschlechtliche Menschen, bei denen die Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig den herrschenden Normen von "männlich" oder "weiblich" zugeordnet werden können. Bisher war diese Formulierung offener gehalten.

Für trans Menschen soll ausschließlich das immer noch deutlich kompliziertere Verfahren vor Gericht gelten. Jens Brandenburg fordert nun das Innenministerium auf, sich in der Frage "zu entspannen". Er erwarte, dass insbesondere die Regeln für trans Menschen weiter vereinfacht werden. Ziel müsse es sein, völlig auf eine ärztliche Bescheinigung zu verzichten.

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