zum Hauptinhalt
In Malta stehen "Konversionstherapien" von Homosexuellen bereits unter Strafe.

© imago/Westend61

Geplantes Verbot von "Homo-Heilungen": Schwul und in "Therapie" gezwungen

Gesundheitsminister Jens Spahn möchte endlich "Homo-Heilungen" verbieten. Eine Berliner Diskussion zeigt, warum das überfällig ist - und wo Hürden sind.

„Jesus mein Vater, ich will dich lieben“, schrieb Bastian Melcher in sein Tagebuch. „Ich hasse die Sünde und alles, was mich von dir trennt. Ich hasse homosexuelle Gedanken und Taten. Ich will frei sein“. Fast zehn Jahre ist es her, dass Bastian Melcher dieses Gelöbnis ablegte, er war damals noch ein Teenager. Ermutigt wurde er von einem Pastor seiner Freikirche. Der empfahl auch eine sogenannte Konversionstherapie, die Melcher durchlief. Einzel- und Gruppen-„Therapien“, Beten, Dämonenaustreibungen und Ölsalbungen – alles, um nicht mehr schwul zu sein.

Von seinen Erfahrungen berichtet der heute offen schwul lebende Bastian Melcher bei einer Diskussionsveranstaltung am Montagabend anlässlich eines Screenings des „Konversionstherapie“-Spielfilms „Der verlorene Sohn“, der am Donnerstag startet. Dass er schwul ist, merkte Melcher mit 14. Für ihn bedeutete das damals, sein ganzes Leben zu verlieren, das sich um die Kirche drehte.

„Entweder die Qualen hätten mich zerstört, oder ich mich selbst“

So entschied er selbst, das Konversionsverfahren zu durchlaufen, unterstützt von seinen Eltern. „Ich wollte es selber, weil ich keine andere Wahl hatte“, sagt Melcher heute. Seine Tagebucheinträge zeigen, wie zerrissen er sich damals fühlte. „Entweder die Qualen hätten mich zerstört, oder ich mich selbst“, schreibt er einmal.

Zu Beginn der Berliner Diskussion spricht Albert Friggieri, der Botschafter von Malta, das 2016 als erstes europäisches Land die „Konversionstherapie“ verboten hat. Dort stehen nun Strafen von bis zu 5000 Euro oder fünf Monaten Haft für den Versuch, eine sexuelle Orientierung zu ändern, doppelt so viel für Maßnahmen an Minderjährigen. Das Gesetz könne auch ein Modell für den deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn sein, sagt Friggieri.

Spahn will "Konversionstherapien" verbieten

Spahn (CDU) hatte am vergangenen Freitag angekündigt, „Konversionstherapien“ offiziell verbieten zu wollen. „Homosexualität ist keine Krankheit und deswegen ist sie auch nicht therapiebedürftig“, sagte Spahn der „taz“. Gemeinsam mit der Justizministerin Katarina Barley (SPD) wolle er bis zum Sommer eine Regelung erarbeiten. Die Konversionsverfahren könnten rechtlich als eine Form von Körperverletzung gelten, sagte Spahn. Schon wegen seiner eigenen Homosexualität sei er immer gegen solche Maßnahmen gewesen.

Noch im Juli hatte sein Ministerium erklärt, dass es kein Verbot anstrebe. Der plötzliche Meinungswandel ist wohl vor allem auf den Druck von Aktivisten wie Lucas Hawrylak zurückzuführen, der bei der Diskussionsrunde dabei ist. Er hat die Petition #HomobrauchtkeineHeilung gestartet, die sich an den Gesundheitsminister richtet und fordert, endlich ein Verbot der „Homo-Heilung“ in Deutschland durchzusetzen. Fast 80.000 Menschen haben bereits unterschrieben. Dass Spahn nun einlenkte, sei ein wichtiger Zwischenerfolg, sagt Hawrylak. Trotzdem müsse man weiter seine Stimme erheben, auch um Politikerinnen wie die notorisch LGBTQI-feindliche CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer zu überzeugen.

Enormer Druck bei betroffenen Homosexuellen

Auch Terry Reintke von den Grünen, die im Europa-Parlament Vorsitzende der LGBTI-Intergroup ist, betont, dass es nicht nur bei Ankündigungen bleiben dürfe. Durch den Aufstieg der Rechten in Europa würde die Re-Pathologisierung von Homosexualität langsam wieder Mainstream. „Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass diese Debatte nicht so einfach wird, wie wir uns das vielleicht vorstellen“, sagt Reintke. Liselotte Mahler, Oberärztin für Psychiatrie an der Charité, sieht einen möglichen Hebel in den Krankenkassen, die teilweise noch immer Konversionsangebote fördern würden. Auch deswegen sei ein Verbot wichtig.

Wenn durch Therapie etwas verändert werden soll, das nicht verändert werden kann, führe das zu enormen Druck und tiefer Verzweiflung bei den Betroffenen, sagt Mahler. Ein durchaus reales Symptom sei dagegen der „Minderheitenstress“. Angehörige von Minderheiten wie der LGBTIQ-Community leiden etwa häufiger an Depressionen, weil sie ständiger Diskriminierung ausgesetzt sind. Diese Symptome gälte es zu behandeln, anstatt die sexuelle Orientierung in Frage zu stellen.

„Ichdystone Sexualorientierung“ wird erst 2022 gestrichen

Noch immer wird die „ichdystone Sexualorientierung“ in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) aufgeführt, so Mahler. Sie beschreibt das Gefühl, die eigenen sexuelle Orientierung nicht zu akzeptieren und verändern zu wollen. Eine solche Diagnose öffne die Tür für das legale Angebot von Konversionsverfahren. In dem neuen ICD-Katalog, der ab 2022 gültig ist, wurde die Diagnose auf Druck von Aktivisten und Ärztinnen wie Mahler gestrichen. Doch Mahler warnt: „Wir sind noch nicht weit davon weg, dass Homosexualität pathologisiert wird“.

Die Diagnose „Homosexualität“ selbst ist übrigens erst seit 1992 nicht mehr im ICD-Katalog aufgeführt.

+ + + Der Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.+ + +

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false