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Zi Faámelu ist eine ukrainische Sängerin, die sich vor einigen Jahren als trans geoutet hat.

© Zi Faámelou

Flucht vor dem Krieg: Zi Faámelu ist trans und darf die Ukraine nicht verlassen

Männer über 18 Jahren dürfen die Ukraine nicht verlassen. Auch die trans Frau Zi Faámelu soll eingezogen werden. Eine Bayerin versucht ihr jetzt zu helfen.

Zi Faámelu hält sich die Hand vor den Mund und schluchzt. Sie sitzt im Auto; ihre Haare, die sonst leicht toupiert sind, hängen in losen Strähnen herunter. „Kann irgendeiner mir helfen? Irgendeine Menschenrechtsorganisation?“ Flehend guckt sie in die Kamera.

Faámelu ist eine ukrainische Sängerin, das Video hat sie über ihren Instagram-Account geteilt. In ihrem Heimatland ist Faámelu keine Unbekanntheit, erst vor wenigen Jahren stand sie im Finale des Gesangswettbewerbs Star Factory. Sie war sogar schon auf Tour in China. Seit der russischen Invasion in der Ukraine ist die Berühmtheit ihr allerdings zum Verhängnis geworden, denn vor einigen Jahren hat Faámelu sich als trans Frau geoutet.

Nun, da Russland einen Krieg begonnen hat, dürfen Männer über 18 Jahren das Land nicht mehr verlassen. Damit ist auch Faámelu gezwungen, in der Ukraine zu bleiben, denn in ihrem Pass ist noch das männliche Geschlecht eingetragen. Eine Transition ist in der Ukraine mit großen Hürden verbunden, Faámelu selbst musste für eine geschlechtsangleichende Operation extra nach Los Angeles reisen und konnte bisher keine Personenstandsänderung vornehmen lassen.

Lage verschlimmert sich massiv

Trans Frauen wie Faámelu sind in der aktuellen Situation besonders gefährdet. „Sie können nicht in sichere Landesteile gelangen oder das Land verlassen, da sie keine internen Check-Points passieren können“, erklärt Richard Köhler von Transgender Europe. Man befürchte das Schlimmste für sie, sowie für trans, schwule und bisexuelle Männer, die aufgrund der Generalmobilmachung ebenfalls nicht das Land verlassen dürfen.

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„Trans Frauen in der Ukraine erfahren ohnehin schon viel Diskriminierung, aber die Lage hat sich nun massiv verschlimmert. Sie müssen ständig mit Übergriffen rechnen“, sagt auch Lisette Rosenkranz, die ehrenamtlich bei der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) arbeitet. Sie wurde in der vergangenen Woche auf Faámelu aufmerksam, als sie im Internet ein Video von ihr entdeckte. „Das hat mich die ganze Nacht beschäftigt“, erzählt Rosenkranz, „wenn in Deutschland Krieg wäre, hätte mir das genauso passieren können. Schließlich habe ich auch noch keine Personenstandsänderung.“

Also kontaktierte Rosenkranz die Sängerin und steht seit Mittwoch in engem Kontakt mit ihr. Faámelu sei ganz allein in Kiew zurückgeblieben und habe kaum noch Lebensmittel, erzählt Rosenkranz. „Sogar die Nachbarn haben sie verlassen.“ Eigentlich wollte Rosenkranz, die selbst in Augsburg wohnt, mit dem Auto an die Grenze fahren und Faámelu dort abholen, aber der Sängerin wird seit mehreren Tagen die Ausreise verweigert.

Am Checkpoint abgewiesen

Bereits am Donnerstag versuchte Faámelu aus Kiew zu flüchten. Erst einmal wollte sie in Rumänien bei Freund*innen unterkommen und danach weiterreisen, vielleicht nach Deutschland oder Kanada. Schließlich hat sie bereits in den USA gelebt. „Ich habe ihr auch angeboten, dass sie bei mir im Gästezimmer wohnen kann“, sagt Rosenkranz, „aber wichtig ist erstmal, aus der Ukraine rauszukommen.“

Auf dem Weg zur Grenze, am ersten Checkpoint, sei Faámelu allerdings transfeindlich beleidigt worden, erzählt Rosenkranz. Der Soldat, der sie kontrollierte, habe sie sofort erkannt und gesagt: „Wir hassen solche Menschen, wie dich“. An der Grenze zu Rumänien wurde Faámelu dann erneut erkannt und durfte nicht ausreisen. „Sie war total fertig, dass das nicht geklappt hat und hatte große Panik“, sagt Rosenkranz.

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Nachdem ihr die Ausreise verweigert wurde, postete Faámelu das Video, auf dem sie um Hilfe bittet. Mittlerweile wurde es in den sozialen Medien hundertfach geteilt und kommentiert. In den Kommentaren findet sich viel Zuspruch, allerdings auch einige transfeindliche Äußerungen, in denen Faámelu beschimpft wird. Rosenkranz versucht ihr Trost zu spenden, sie mit ihren Nachrichten zu unterstützen. Einmal schickte sie Faámelu ihr Lieblingsgedicht von Hermann Hesse, schrieb mit ihr bis tief in die Nacht Nachrichten hin und her. „Ich habe erst einmal versucht Vertrauen aufzubauen. Schließlich hätte ich ja auch ein Fake Profil sein können.“

Lisette Rosenkranz engagiert sich ehrenamtlich bei der dgti.
Lisette Rosenkranz engagiert sich ehrenamtlich bei der dgti.

© privat

Am Samstag schien es dann zu klappen: Der Grenzbeamte winkte Faámelu mit den Worten „Frauen dürfen das Land verlassen“ durch und warf keinen Blick in ihren Pass. Doch am zweiten Checkpoint wurde Faámelu dann erneut erkannt und abgewiesen. „Für trans Frauen ist es ohnehin schwer auszureisen, aber Zi ist zusätzlich sehr bekannt. Das macht es noch schwerer“, sagt Rosenkranz. Die vergangene Nacht verbrachte Faámelu in ihrem Auto an einer Tankstelle, geschlafen hat sie in dieser Woche kaum.

Bundesregierung soll helfen

Das Bündnis „Queere Nothilfe Ukraine“, zu dem unter anderem das Aktionsbündnis gegen Homophobie, Queer Amnesty, Quarteera und die Schwulenberatung Berlin gehören, haben mittlerweile eine Petition gestartet. Darin fordern sie die Bundesregierung dazu auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um besonders queeren Menschen, die in die EU beziehungsweise nach Deutschland flüchten wollen, Schutz zu gewähren.

Rosenkranz hofft, dass die Ausreise in den kommenden Tagen gelingt. Mit der dgti hat sie eine Facebook-Gruppe ins Leben gerufen, die trans Personen bei der Flucht unterstützt. Gemeinsam organisieren sie den Transport und die Vermittlung der Unterkünfte. Sie wollen sichergehen, dass trans Frauen nach der Ausreise nicht in Sammelunterkünften untergebracht werden, wo sie möglicherweise weiteren Übergriffen ausgesetzt sind. Damit wolle sie ihre „Schwestern“ unterstützen, sagt Rosenkranz – jetzt, aber auch nach dem Krieg.

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