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Der erste queer Umzug startet in der Tito-Straße.

© Nadine Lange

Erste Pride-Parade in Bosnien: Pfeifkonzert für gleiche Rechte

In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo hat zum ersten Mal eine Pride-Parade stattgefunden. Über 2000 Menschen demonstrierten für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans und intersexuellen Personen.

Sarajevo ist das Schlusslicht des Balkans: die letzte Hauptstadt, in der eine Pride-Parade für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans Personen und Intersexuellen stattfindet. Doch am Sonntag hat es die bosnische Hauptstadt geschafft, sich in diese Tradition der homo- und transsexuellen Emanzipationsgeschichte einzuschreiben - 50 Jahre nach den ersten queeren Aufständen in New York.

Mehr als 2000 Menschen waren bei dem etwa 1,5 Kilometer langen Zug durch das Zentrum der Stadt dabei. Darunter LGBTQI-Gruppen aus der Region, zahlreiche Unterstützer*innen aus der Stadt und auch einige ausländische Politiker*innen wie der schwule USA-Botschafter, der eine riesige Regenbogenflagge an seinem Botschaftsgebäude ausgerollt hatte.

Das Motto des Umzugs lautete „Ima Izać’“, was so viel bedeutet wie: Man kann rauskommen oder: Es gibt einen Weg nach draußen. Sich in Bosnien und Herzegowina, wo es keine Ehe für alle gibt, offen als queer oder trans zu zeigen, ist gefährlich. Sowohl am Arbeitsplatz als auch auf der Straße. So hatte es etwa auf zwei queere Festivals in den vergangenen Jahren gewaltsame Angriffe mit mehreren Verletzten gegeben.  

Die Sicherheitsmaßnahmen für die erste Pride-Demonstration waren entsprechend hoch. Rund 1000 Polizeikräfte waren im Einsatz, darunter auch eine Scharfschützen-Einheit. Alle Teilnehmer*innen wurden am einzigen Eingang zur Strecke kontrolliert. Gegenstände durfte nicht mitgebracht werden, nicht einmal Wasserflaschen. Plakate mussten vorab eingereicht werden und wurden auf diskriminierenden Inhalt geprüft. Regenbogenflaggen, Trillerpfeifen und Wasser stellten die Veranstalter*innen.

"Liebe ist für alle" findet diese Demonstrantin in Sarajevo.
"Liebe ist für alle" findet diese Demonstrantin in Sarajevo.

© Nadine Lange

Einen Tag vor dem queeren Umzug hatte auf derselben Strecke eine Gegendemonstration für die „traditionelle Familie“ stattgefunden. Mehrere hundert Menschen kamen. Am Morgen der Pride-Parade hatte eine religiöse Gruppe zu einer Anti-LGBT-Versammlung eingeladen. Der höchste Vertreter der islamischen Gemeinschaft hatte im Vorfeld zum wiederholten Male daraufhin gewiesen, dass Homosexualität eine Sünde sei und dass Gläubige sich davon distanzieren sollten. Allerdings sei Gewalt dafür kein Mittel.

Menschen winkten vom Balkon

Die Parade verlief ohne Störungen. Bei sonnigem Wetter und angenehmen Temperaturen spazierte die Menge angeführt von einer Trommelgruppe durch die Tito-Straße. Ganz ohne Lastwagen, Musikeinspielungen oder Lautsprecherdurchsagen war es ein freundliche, fast nachbarschaftliche Atmosphäre mit Sprechchören, ohrenbetäubenden Pfeifkonzerten und vielen bunten Plakaten. Schaulustige am Straßenrand ließen sich kaum blicken, dafür winkten einige Bürger*innen von ihren Fenstern oder warfen Kusshände vom Balkon.

Die Parade endete vor dem bosnischen Parlamentsgebäude.
Die Parade endete vor dem bosnischen Parlamentsgebäude.

© Armin Smailovic

Nach etwas mehr als einer Stunde erreichte die Parade das Parlament, wo eine kurze Abschlusskundgebung stattfand. Lejla Huremović aus dem Orga-Team begrüßte die Menge mit dem Ruf „Ponos, ponos, ponos!“ (Stolz). Dies sei der Tag an dem die Unsichtbarkeit der Lesben, Schwulen, queeren trans, bi- und intersexuellen Personen in Bosnien und Herzegowina zu Ende gehe. Ab jetzt werde mutig für ein Leben ohne Angst und Gewalt gekämpft. Lange genug hätten sich queere Menschen versteckt. "Wir sind so unsichtbar, dass uns sogar unsere Familien ignorieren", sagte sie. Weil es noch immer so viel Hass und Ignoranz in der Gesellschaft gebe, sei die Parade nötig.

Den Schlusspunkt setzte der bekannte bosnische Sänger Damir Imamović mit dem traditionellen Lied "Snijeg pade na behar na voće“, das die Zeile „Alle sollen küssen, wen sie wollen“ enthält. Es passte damit genauso perfekt zur Parade wie das anschließende Partisanen-Lied „Bella Ciao“, bei dem alle einstimmten - auch der italienische Botschafter. So ging die erste Pride-Parade Bosniens friedlich, fröhlich und antifaschistisch zu Ende. Es könnte der Anfang einer neuen Tradition gewesen sein.

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