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Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

© Reuters/Michele Tantussi

Update

Entwurf des Gesundheitsministers: Jens Spahn legt Gesetz für Verbot von „Homo-Heilungen“ vor

Der Bundesgesundheitsminister will Konversionstherapien für Homosexuelle untersagen. Sie machten krank und nicht gesund, sagt Jens Spahn.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seinen Vorstoß konkretisiert, sogenannte Konversionstherapien zur „Umpolung“ von Homosexuellen zu verbieten. Diese sollen bei unter 18-Jährigen generell untersagt werden, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf den ihm vorliegenden Gesetzentwurf berichtet, der zwischen den Ministerien abgestimmt sei.

Bei einwilligungsfähigen Volljährigen wären diese Behandlungen demnach jedoch grundsätzlich zulässig. Dies gelte aber nicht, wenn Personen, die bei ihrer Entscheidung, sich behandeln zu lassen, einem „Willensmangel“ unterliegen - bedingt etwa durch Täuschung, Irrtum, Zwang oder Drohung.

Bei 16- bis 18-Jährigen soll das Verbot nicht greifen, wenn folgende Bedingung erfüllt ist: Der Behandler muss den Nachweis erbringen, dass die behandelte Person die notwendige Einsichtsfähigkeit über Tragweite und Risiken der Behandlung verfügt. Auch das öffentliche Werben, öffentliche Anbieten und Vermitteln der Behandlungen soll generell verboten werden.

Verstöße gegen das neue Gesetz sollen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder hohen Bußgeldern bis zu 30.000 Euro bestraft werden.

Das Gesetz gilt bei Unterdrückung von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität

Das Verbot gilt nicht nur, wenn Lesben und Schwule „geheilt“ werden sollen – sondern auch, wenn Behandlungen das Ziel haben, die geschlechtliche Identität zu unterdrücken. Damit sind Konversionstherapien von trans und inter Menschen gemeint.

Spahn sagte dem RND, so genannte Konversionstherapien sollten soweit wie möglich verboten werden. „Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid“, sagte er. „Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund.“ Homosexualität sei keine Krankheit.

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Eigentlich hatte Spahn zu Beginn des Jahres angekündigt, schon bis zum Sommer einen Gesetzentwurf vorzulegen - was sich aber verzögerte.

Es wird von 1000 Fällen jährlich in Deutschland ausgegangen

Experten gehen davon aus, dass es in Deutschland pro Jahr 1000 Fälle solcher "Therapie"-Versuche gibt. Die Methoden dieser fragwürden Interventionen sind dabei vielfältig: von indoktrinierenden Gesprächen über Elektroschocks bis hin zum Exorzismus. Eine von Spahn eingesetzte Fachkommission unter Federführung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hatte im Sommer festgestellt, dass ein Verbot wissenschaftlich angezeigt und verfassungsrechtlich möglich sei.

Ein wissenschaftlicher Nachweis für die behauptete Wirkung oder einen „therapeutischen“ Nutzen existiere nicht, betonte die Kommission. Nachgewiesen sei ganz im Gegenteil, dass diese Behandlungen schädliche Folgen haben: wie Depressivität, Angst, erhöhtes Suizidrisiko und gesellschaftliche Stigmatisierung.

Wann sich Behandler strafbar machen

Warum versucht Spahn nicht, die Behandlungen generell für alle Altersstufen zu verbieten? Das dürfte damit zusammenhängen, dass das gegen das Selbstbestimmungsrecht verstößt und verfassungsrechtlich kaum durchzusetzen wäre.

Ein Knackpunkt in der Formulierung des Gesetzes dürfte daher die Auslegung des Begriffs „Willensmangel“ sein, der Behandlungen auch bei Volljährigen untersagt. Dieser liegt schon bei Irrtum und Täuschung vor. Theoretisch müssten Behandler ihre Klienten also auch umfassend über die schädlichen Folgen und den nicht nachgewiesenen Nutzen informieren, wollen sie sich nicht strafbar machen. Das könnte in der Praxis doch eine weitreichende Wirkung haben, weil Behandler im nachhinein verklagt werden könnten, wenn sie diese Informationen vorenthalten haben.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws, Sprecherin für Queerpolitik ihrer Fraktion, erklärte, das Verbot sei "überfällig". Die Grünen würden hoffen, dass er möglichst schnell im Bundestag beschlossen werde.

Die Grünen sehen "Makel" im Gesetzentwurf

Der Gesetzentwurf müsse aber "umfassend" greifen. Er habe "einen wichtigen Makel", wenn das Verbot bei 16- bis 18-Jährigen nicht gelte, sobald die behandelte Person über die Tragweite und Risiken der Behandlung verfüge. "Da in der Praxis Jugendliche unter anderem von ihren Eltern unter enormen Druck gesetzt werden, würde eine solche Regelung an der Realität vorbei gehen", kritisierte Schauws. Zudem brauche es eine Kampagne zur Aufklärung.

Jens Brandenburg, der LGBTI-Sprecher für die FDP-Bundestagsfraktion, forderte ebenfalls eine möglichst schnelle Umsetzung des Verbots: "Der versprochene Zeitplan lässt sich jetzt schon nicht mehr halten. Die menschenverachtenden Konversionstherapien müssen noch Anfang 2020 verboten werden." (mit dpa, AFP)

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