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CampDad (2. von rechts) im Dragkingkollektiv Venus Boys.

© Oliver Baldwin

Dragking gegen Dragqueen: "RuPaul's Drag Race ist sexistisch"

Performer*in CampDad kritisiert die Drag-Legende RuPaul - und erklärt, was Dragkinging konventionellen Formaten voraus hat.

CampDad ist eine genderqueere Performer*in und Gründer*in des Dragking-Kollektivs Venus Boys. Die Kings treten an jedem ersten Montag im Monat im Silver Future in Neukölln auf.

Wie sind die Venus Boys entstanden?
Ich war bei "Dragaholic" in Berlin, der Dragshow von Judy LaDivina, wo ich einen Dragking performen sah, der inzwischen ein sehr guter Freund von mir ist. Und dort dachte ich mir: „Wow, das ist großartiges, brillantes Drag!” Danach habe ich mit unterschiedlichen Dragkings gesprochen und die Idee einer monatlichen Show entwickelt. Unser Name ist übrigens abgeleitet von der Dokumentation "Venus Boyz"...

…Gabriel Bauers Dokumentarfilmklassiker von 2002, der sich der Dragkingszene in New York und London widmet.
Und der in Berlin! "Venus Boyz" hat einen riesigen Eindruck auf mich gemacht. Als ich die Doku das erste Mal sah, hab ich zum realisiert, dass ich auch ein Dragking bin. Ich habe mich zu Hause gefühlt.

In Berlin gibt es seit Jahren kein regelmäßiges Dragking-Format mehr. Wie erklären Sie sich das?
Es gab immer viel Dragkinging in Berlin. Bridge Markland z.B., eine der Protagonistinnen in "Venus Boyz", ist schon seit vielen Jahren aktiv. Außerdem gibt es das Dragking-Kollektiv "The Dragstreet Boys" – eines ihrer Mitglieder ist nun auch bei Venus Boys dabei. Das heißt: Auch wenn es kein reguläres, gesondertes Dragkingformat in Berlin gab, würde ich dem nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Drag-Shows im Allgemeinen sind in den letzten zehn Jahren immer beliebter geworden. Die Entstehung der Venus Boys ist auch eine Folge dieser wachsenden Popularität.

Woran liegt diese wachsende Popularität?
Das hat vermutlich auch mit dieser reizenden, kleinen US-Show "RuPaul’s Drag Race" zu tun (lacht).

[Dieser Text ist eine Leseprobe aus dem monatlichen Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.]

"RuPaul’s" und daran angelehnte Dragqueen-Formate kommen beim schwulen und beim Heteropublikum sehr gut an, Dragkings sind dagegen nicht gerade ein Teil der Populärkultur.

Fragwürdiges Bild von Weiblichkeit: Drag-Legende RuPaul inmitten von Drag-Contest-Teilnehmerinnen in London.
Fragwürdiges Bild von Weiblichkeit: Drag-Legende RuPaul inmitten von Drag-Contest-Teilnehmerinnen in London.

© REUTERS/Simon Dawson

Der Grund dafür ist Sexismus: eklatante und unverblümte Frauenfeindlichkeit! Das „Ru Paul“-Format selbst ist sexistisch: Es gab noch keine Cis-Frauen in der Show, keine Lesben, keine trans Männer. Und die trans Frauen müssen sich verstecken. Die einzige, die offen damit umging, war Gia Gunn und für sie war es schrecklich. Schau dir an, welche Form von Weiblichkeit die Dragqueens dort vermitteln: Sie werden kritisiert, wenn sie keine High Heels tragen. Diesen Sexismus ignorieren viele Zuschauer*innen, weil "Ru Paul’s" sie an queere und schwule Kultur erinnert. Aber das ist keine gute Repräsentation queerer Kultur.

Wie definieren die Venus Boys Männlichkeit?
Dragkinging stellt unsere Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Frage, genauso wie andere Dimensionen von queerer Identität und queerem Sein. Ein "Faggot" [ursprünglich eine herabwürdigende Bezeichnung für schwule Männer, inzwischen aber auch eine positive Selbstbezeichnung, Anm. d. Red.]  spielt mit Maskulinität und Femininität, eine Butch genauso.

Die Venus Boys zeigen, dass alle Maskulinität performen können. Das bedeutet natürlich unterschiedliche Dinge für unterschiedliche Leute. Ich als Transfemme habe mich zum Beispiel in meinem Alltag lange von Maskulinität distanziert. Durch Dragkinging konnte ich sie mir wieder aneignen. Trans Männer hingegen erleben eine Euphorie, wenn sie auf einer Bühne stehen und vor großem Publikum Maskulinität performen. Wir zeigen, dass Maskulinität nicht essentiell, sondern komplex und für jede*n zugänglich ist.

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