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Dokumentarfilm „Genderation“: Eine Reise zu den kalifornischen trans Pionier*innen

Monika Treut hat 20 Jahre nach ihrer prägenden Dokumentation „Gendernauts“ für den Film „Genderation“ noch einmal ihre trans Protagonist*innen von damals besucht.

„Join us. Join the party. Join the identity party. Join the excitement, the challenge and the stark terrifying fear of playing in the boudaries between identities!“

Mit diesem emphatischen Aufruf verabschiedete sich Sandy Stone, die „Göttin des Cyberscape“ am Ende von "Gendernauts“ (1999) mit Blick in die Kamera.

Verdrängt aus dem Herzen von San Francisco

Als die Filmemacherin Monika Treut erstmals die Transgender-Szene in San Francisco dokumentierte und damit ein prägendes Porträt schuf, waren trans und nicht-binäre Identitäten in der breiteren Öffentlichkeit kaum sichtbar, das Fernsehen kannte keine trans Serienheld*innen und das Geburtenregister keinen Geschlechtseintrag wie „divers“. Auch wenn viele Ansprüche und Rechte erst noch errungen werden mussten, lag Aufbruchstimmung in der Luft.

Gender-Bender und sexuelle Cyborgs wie Sandy Stone, Stafford, Susan Stryker, Tornado, Texas Tomboy und andere präsentierten sich in „Gendernauts“ als lebendige Community, solidarisch verbunden und voller Experimentierfreude, was ihre Körper und Identitäten betraf. „Alles ändert sich wie Ebbe und Flut“, so die Performancekünstlerin, Pornodarstellerin und Sexarbeiterin Annie Sprinkle.

20 Jahre später sucht Treut die Pionier*innen für „Genderation“ erneut auf. Sie muss dafür einige Reisen machen, denn viele von ihnen hat es aus dem Herzen San Fransiscos in die verschiedensten Richtungen verschlagen. Die Gründe dafür lassen sich mehr oder weniger direkt auf den Technologie-Boom und die Übernahme der Stadt durch die Silicon Valley-Konzerne zurückführen.

Das große Geld hat die Kunstszene und die genderqueere Community verdrängt, Wohnen kann sich hier eigentlich niemand mehr leisten, außer man hat das Glück, eine Frau mit Eigenheim als Partnerin zu haben. So wie Susan Stryker, Autorin des wegweisenden Essays „The Empire Strikes Back: A Posttranssexual Manifesto“ (1987). Trotz einer Professur für Gender Studies an einer renommierten Uni könnte sie sich in der ehemaligen Arbeitergegend niemals ein Haus kaufen. Wenn sie sich an die frühen 90er erinnert wird sie fast ein wenig nostalgisch.

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Max Wolf Valerio, der in „Gendernauts“ noch etwas aufgeregt aus seinem gerade erschienenen Buch „The Testosteron Files“ vorlas, lebt inzwischen in der Gegend von Denver bei seinen Eltern. Seine Distanz zur Trans-Community lässt sich zwar heraushören, dass er seit 2010 Mitglied der Republikanischen Partei ist, erwähnt der Film hingegen nicht.

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Das ehemals androgyne Model Stafford, in „Gendernauts“ noch als Fotograf, Webdesigner und Mitorganisators eines queeren Clubs aktiv, vollzog seine Transition nach dem Film. Inzwischen ist er der Betreiber eines Umzugsunternehmens in Oakland und pflegt soziale Kontakte hauptsächlich über Facebook. Transphobie im Alltag begegnet der selbsternannte „ambassador of trans“ mit Guerillatechniken.

Auch der politische Backlash unter Trump und die Klimakrise sind beherrschende Themen. Letzteres hat Einfluss auf die künstlerische Arbeit von Annie Sprinkle und ihrer Ehefrau und Kreativpartnerin Beth Stephens.

Das Paar hat bei seinen ökosexuellen Performances schon das Meer in Venedig und den Kallavesi-See in Finnland geheiratet, im Earth Lab an der Universität von Santa Cruz arbeiten die beiden unter anderem an einem Begriff von Sexualität, der über die Körper und das Menschliche hinausgeht.

Wo der frühe Film als Gruppenporträt schillerte, hat sich in „Genderation“ der Fokus ein wenig vom kommunalen Leben auf die privaten Beziehungen verlagert, auch das Älterwerden spielt natürlich eine Rolle. Sandy Stone, eine wunderbare Geschichtenerzählerin, der man stundenlang zuhören könnte, ist heute 85. Sie besitzt ein Haus, ist aber immer noch als Gendernautin auf Reisen.

Esther Buss

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