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Die queere Community ist groß - und manchmal gibt es Streit.

© Gregor Fischer/dpa

Diskussion um das queere Kulturhaus: Von der Keule der Entwertung

Dem Queeren Kulturhaus in Berlin wurde Transfeindlichkeit vorgeworfen. Dagegen wehrt sich der Vorstand. Hier eine Erwiderung.

Die Ankündigung einer Queer Lecture aus radikalfeministischer Perspektive sorgte aufgrund der Wortwahl für großen Unmut in der queerfeministischen Szene. 

Wir bedauern das ausdrücklich und bitten um Verzeihung – aber: Wird es denn nicht endlich Zeit, miteinander in Disput zu geraten? Und eben diesen Streit auch auszuhalten, ohne ihn direktorinnenhaft zu entscheiden?

 Direktorinnenhafter Ton

Der Ausblick auf die Lecture der Berliner Juristin Gunda Schumann – die sie inzwischen selbst abgesagt hat – hat in der queerfeministischen Szene (nicht allein) Berlins für mächtig Ärger gesagt. In einem als „Appell“ deklarierten Artikel im „Tagesspiegel“ ist uns als Träger:innen und Vorstand des Queeren Kulturhauses in Berlin attestiert worden, Wesentliches aus dem modernen sexualpolitischen Diskurs ignoriert zu haben.

Unter der Überschrift „Eine queere Institution, die Transfeindlichkeit unterstützt, ist nichts wert“, wird über unserer Arbeit für ein Queeres Kulturhaus der Stab gebrochen:  In direktorinnenhaften Ton wird sinngemäß ein „Taugt nichts und ist nicht wert“ zugerufen, auf dass wir uns, so muss vermutet werden, schämen.

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Was indes ist genau vorgefallen? Im Herbst wurde an die Initiative Queer Nations e.V. die Idee herangetragen, eine Queer Lecture – eben durch die Berliner Juristin Gunda Schumann – auszurichten, in der diese Kritik an einer, wie sie es nennt, „Transideologie“, üben werde.

Das Projekt musste unbedingt ernst genommen werden, weil es aus radikalfeministischer Perspektive eine Kritik an den herrschenden Denkfiguren innerhalb der queerfeministischen Diskurse üben würde – dass nämlich, so die Absicht, das Binär-Geschlechtliche keineswegs so disponibel, ja, flüssig-änderbar ist, wie es wesentliche Teile der queerfeministischen Zirkel nahegelegt sehen wollen.

Das Unbehagen zu tabuisieren, finden wir falsch

Die Entscheidung, diese Queer Lecture in die öffentliche Arena zu bringen, war auf schlichte Art einfach: Was in radikalfeministischer Tradition gerade unter vielen lesbischen Frauen (aber nicht nur bei diesen) starkes Unbehagen auslöst, eben jenes geisteswissenschaftliche Phänomen, das sich selbst als queerfeministisch bezeichnet, wollten wir zur Erörterung bringen. Das Unbehagen zu tabuisieren, finden wir falsch.

Die IQN (Initiative Queer Nations e.V.), hat es sich gerade zur (inzwischen erfolgreichen) Aufgabe gemacht, Streit in den queeren Communities zu ermöglichen, auf dass die Diskurse miteinander ins Gespräch kommen – nicht übereinander, sondern miteinander, möglicherweise jedoch auch, ohne am Ende Einigung erzielt zu haben.

Jan Feddersen ist taz-Redakteur und im Vorstand des Vereins der Freund*innen des E2H 
Jan Feddersen ist taz-Redakteur und im Vorstand des Vereins der Freund*innen des E2H 

© Thilo Rückeis

IQN, 2005 gegründet, um jenseits ideologischer Barrieren die später so genannte Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zu begründen - auch ins Leben gerufen, um von Berlin ausgehend ein Queeres Kulturhaus zu etablieren, verkündet keine wissenschaftlichen „Wahrheiten“, markiert – abgesehen von der für Demokrat:innen selbstverständlichen Abgrenzung zu nazistischen oder völkischen Ideengebäuden – keine Grenzen des Denk- und Sagbaren, schon gar nicht solche, die von oben herab bestimmen sollen, was geht und was nicht.

 Trans-Personen waren im Kulturhaus mit Veranstaltungen zu Gast

So oder so: Keineswegs ginge es in irgendeiner Hinsicht darum, Trans-Personen individuell zu diskreditieren. Im Gegenteil haben sowohl IQN als auch das Queere Kulturhaus in den vergangenen Jahren eine Fülle von Trans-Personen zu Vorträgen und Performances eingeladen – und werden es auch weiter tun: Die Unterstellung in dem „Appell“ genannten Text, IQN oder das Queere Kulturhaus kultivierten Transfeindlichkeit, kommt einer Diffamierung gleich, die den wesentlichen Kern der Arbeit etwa vom Queeren Kulturhaus zu erkennen verfehlt: Dass es nicht darauf ankommt, mit dem Queeren Kulturhaus ein weiteres akademisches Institut zu schaffen, sondern ein Haus, in dem die Archäologie queeren Wissens – Archive etwa – bewahrt wird, in dem zugleich öffentlich und populär orientiert as organisiert und gezeigt wird, was man queere Kultur nennen kann: Das „Andere“ jenseits der heterosexuell orientierten Üblichkeiten souverän performen zu lassen. Und zwar ohne ideologisch engste Rahmen.

Manche Lesben können sich nicht mit der Geschlechterfluidität anfreunden 

Kurzum: Es muss möglich sein, auch jenen eine Stimme zu geben, die sich als lesbische Frauen keineswegs mit der Fluidität der Geschlechter anfreunden möchten – weil sie sich als lesbische Frauen bedroht fühlen. (Ob sie es sind, ist es andere Frage: Aber die Gefühle, die in radikallesbischen Szenen geäußert werden, sind stark vorhanden und darum für uns hinreichend Grund, sie zur Geltung lassen zu kommen.)

Anspruch auf Popularität und Pluralität

Dass das Queere Kulturhaus gerade kein akademisches Institut werden wird, dass es sich auch an LGBTI*-Menschen wendet, die jenseits der aktivistischen Szenen leben, dass das Queere Kulturhaus auf Popularität zu setzen hat, allein schon aus Gründen seiner Wirtschaftlichkeit, aber auch, weil es hinreichend queere Projekte gibt, die kaum über ihre Nischen Geltung zu erlangen wissen, wissen einige der den „Appell“ unterzeichnenden Personen auch: Sabine Hark, Professorin an der TU Berlin, hat diesem Anspruch auf Popularität und Pluralität durch das Queere Kulturhaus ausdrücklich zugestimmt, als sie mir persönlich vor drei Jahren ihre Patinnenschaft für das Projekt zusagte.

 Wer etwas ändern will, ist eingeladen mitzumachen

Sie weiß auch mindestens seit damals, dass das ehrenamtliche Engagement für unser Projekt wesentlich durch sehr wenige Personen getragen wird – und dass jede Person für unsere Arbeit gebraucht wird. Ihr Hinweis nun in ihrem Text, jetzt müssten die Verhältnisse geändert und etwa der Vorstand am besten ausgetauscht werden, kann von unserer Seite nur so beantwortet werden: Dann möge sie doch mitmachen, dann möge sie Verantwortung für die ehrenamtliche Arbeit übernehmen, und zwar praktisch, nicht nur vom Hochsitz akademischer Weisheit aus.

Streit miteinander, nicht übereinander

Das Queere Kulturhaus, so unsere Agenda, so auch das Verständnis des Senats von Berlin, wird keine Institution, die eine weitere Subventionsnische verkörpert – sondern ein souveränes, queeres Haus, in dem sowohl Judith Butler (die für eine Queer Lecture von IQN e.V. sich vor wenigen Jahren gern einladen ließ) als auch andere, nichtqueerfeministische Stimmen willkommen sind, etwa solche, die sich aktuell um das Spektrum der „Beißreflexe“ herum gruppieren: Streit miteinander, nicht übereinander – ein Sprechen in Möglichkeiten, nicht in Ausschlüssen.

Schließlich, um dies deutlich zu sagen: Den Hinweis auf Meinungsfreiheit, so die Autorinnen des „Appells“, als Meinungskeule zu verstehen, heißt, das Grundgesetz missverstanden zu haben: Die Verfassung der Bundesrepublik bewährt sich in ihrer ideologiefreien Anwendung, nicht in akademisch gesinnter Ausschlussfähigkeit.

 Gegen das Beschweigen von Konfliken in der Community

Last but not least: Im “Appell” fehlt keineswegs der Hinweis, dass jede Kritik, die Queerfeministischem gelten könnte, dem politisch Rechten, oder dem Rechtspopulistischem dienen könnten. Wir anerkennen dies als Phraseologie, als Banalität – der Hinweis, dieses oder jenes dürfe nicht geäußert werden, weil es dem politischen Gegner diene, war schon vor Begründung des Feminismus ein gängiger.

Damals hieß es: Die Verhältnisse in der Sowjetunion dürfen nicht kritisiert werden, das diene sonst dem faschistischen Feind. Wie wir inzwischen wissen, dient nichts so sehr dem Anti-Queeren, nützt den Feinden einer sexualdemokratischen Politik als das Beschweigen der Konflikte in den queeren Szenen selbst.

Der Verweis auf Rechtspopulismus entspringt einem autoritären Gestus

Der pädagogisierende Tipp, es mit der kritischen Erörterung queerfeministischer Befunde zu unterlassen, weil dies dem Rechtspopulistischen entgegenkäme, ist ohne empirischen Belang; zweitens aber ist er entmündigend.

Anders gesagt: Der Verweis auf das Rechtspopulistische entspringt einem autoritären Gestus, der Gefolgschaft einfordert: Das können wir als Queeres Kulturhaus nicht mittragen – das entspricht nicht unserem Verständnis von Rede- und Meinungsfreiheit.

Unsere Arbeit geht weiter, das Aufbauwerk des Queeren Kulturhauses selbst. Wer mitmachen will, sei herzlich willkommen, zumal in ehrenamtlicher Vorstandstätigkeit.

Jan Feddersen

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