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Lesbische Mütter wurden in der Bundesrepublik lange diskriminiert.

© picture alliance / Carmen Jasper

Diskriminierung bis in die 90er Jahre: Wegen Lesbischsein das Sorgerecht entzogen

Lange war es Rechtspraxis in der Bundesrepublik, dass lesbische Mütter das Sorgerecht für ihre Kinder verloren. Das Unrecht soll jetzt aufgearbeitet werden.

„Die Meinung, dass ein Kind zur Mutter gehöre, ist fest in unserer Gesellschaft verankert – es sei denn, sie ist lesbisch”, schrieb die Sozialwissenschaftlerin Angelika Thiel 1996.

Damit skizzierte sie, so die Historikerin Kirsten Plötz, eine gängige Rechtspraxis: Dass lesbische Müttern ihr Sorgerecht verloren, war zwar nicht gesetzlich festgeschrieben, aber bis in die 90er Jahre hinein Usus.

Von einem konkreten Fall berichtete Plötz im Rahmen der 7. bundesweiten Fachtagung Lesben und Alter. Demnach kam noch 1994 eine Richterin zu dem Schluss: “Es widerspricht dem Wohl des Kindes eklatant, wenn deren Betreuung durch die ‚Lebensgefährtin‘ der Mutter erfolgen soll.”

Wegen Lesbischsein konnte die Scheidung verweigert werden

Der Mutter wurde das Sorgerecht entzogen.

[Der Text ist eine Leseprobe aus dem monatlichen Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.]

Das Beispiel belegt, wie Lesben in der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit diskriminiert wurden. Zwar waren sie, anders als schwule Männer, keiner strafrechtlichen Verfolgung durch den Paragraphen 175 ausgesetzt.

Doch konnte ihnen wegen ihres Lesbischseins die Scheidung verweigert oder als “schuldig Geschiedene” der Unterhalt vorenthalten werden. In anderen Fällen diente ein lesbischer Lebensentwurf dazu, Gewalt seitens des Ehemanns oder Partners vor Gericht zu entschuldigen.

Auch heute sind lesbische Mütter mit Problemen konfrontiert. Lesen Sie dazu folgenden Text:

Plötz forscht seit 2017 im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz und in Kooperation mit der Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld zur Diskriminierung lesbischer Mütter im jungen Bundesland. Damit steht sie ziemlich allein da: Eine bundesweite oder regionale Forschung zu dem Thema gibt es nicht.

Eine bundesweite Forschung zur Diskriminierung lesbischer Mütter gibt es nicht

Auch in Berlin nicht, obschon das Programm zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt (IGSV) als ein Ziel die Maßnahme “Lesbische Sichtbarkeit erhöhen” auslobte.

Eine Übersicht über den dürftigen Forschungsstand zur Geschichte von Lesben in West-Berlin bis 1969 bietet diese Expertise der Historikerin Christiane Leidinger. Einen Einblick in ihre Forschung gibt Plötz am Freitag, dem 17. Januar, auf Einladung der Grünen Bundestagsfraktion im Fachgespräch: “Wenn die Mutter lesbisch lebt(e) - Fälle von Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten”.

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