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Die ADS fordert eine Schlichtungsstelle für Diskriminierungsfälle im Gesundheitswesen.

© Michael Reichel/dpa

Update

Diskriminiert im Gesundheitswesen: Vom Arzt nicht behandelt, weil die Mütter lesbisch sind

Die Antidiskriminierungsstelle macht auf zahlreiche Fälle aufmerksam, wo Menschen wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität diskriminiert werden - auch im Gesundheitswesen. 

148 Beschwerden und Anfragen zu Diskriminierung wegen sexueller Identität hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) im vergangenen Jahr erhalten – das waren vier Prozent aller eingehenden Fälle. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht der kleinen Behörde hervor.

Damit steht diese Form herabsetzender Behandlung wie schon in den vergangenen fünf Jahren auf Platz sechs von sieben Merkmalen, gegen die das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt.

Die meisten Anfragen betreffen traditionell ethnische Herkunft oder Geschlecht und Behinderung, es folgen 2019 mit Abstand Altersdiskriminierung und die wegen Religion (Platz 5), eben sexueller Identität und Weltanschauung (7).

Diskriminierung wegen einer HIV-Infektion

Ein eigenes Kapitel widmet der Bericht der Diskriminierung in Arztpraxen oder Krankenhäusern. Er nennt 53 Fälle aus dem vergangenen Jahr, in denen Menschen die Behandlung verweigert wurde. Der ADS gaben sie an, dass dafür ihre mangelnden deutschen Sprachkenntnisse oder ihre Religion waren, aber auch eine Ansteckung mit dem HI-Virus oder ihre sexuelle Identität.

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In einem Fall verweigerte ein Kinderarzt dem Sohn eines Mütterpaars die Behandlung. Statt sich mit dem Husten des Jungen zu beschäftigen, habe der Arzt immer wieder Fragen nach der Familiensituation gestellt und  ihn am Ende nicht behandeln wollen. Die Frauen beschwerten sich bei der Landesärztekammer, die aber keinen Verstoß des Arztes gegen seine Pflichten erkennen konnte.

Gefordert werden Schlichtungsstellen von den Ärztekammern

Die Antidiskriminierungsstelle beklagt, dass es zum Thema Ungleichbehandlung im Gesundheitswesen „noch keine umfassende Rechtsprechung“ gebe und auch die Landesärztekammern das Problem unterschiedlich sähen. Solange das nicht per Gesetz klargestellt sei, sollten die Kammern Schlichtungsstellen einrichten, um Konfliktfälle einzeln zu klären.

Eine Präzisierung wünscht sich die ADS auch generell beim Kriterium „sexuelle Identität". Es sollte im Gesetz stehen, dass es Teil der Diskriminierung wegen des Geschlechts ist; dies könnte, so der Bericht, „ein klareres Signal gegen die Diskriminierung von trans* und intergeschlechtlichen Menschen setzen“. Die ADS verweist auf Belgien, wo Ungleichbehandlung wegen einer Geschlechtsangleichung, der Geschlechtsidentität oder des geschlechtlichen Ausdrucks heute schon unter „Diskriminierungen wegen des Geschlechts“ fallen. Im deutschen Gesetz meint "Geschlecht" das bei der Geburt behördlich festgestellte oder das durch eine Geschlechtsangleichung korrigierte, "sexuelle Identität" dagegen lesbische, Homo-, Bi- oder Heterosexualität.

Die Fallzahlen sind ein Schlaglicht auf die tatsächliche Diskriminierung

Die ADS weist in ihrem Bericht erneut und selbst darauf hin, dass ihre Fallzahlen lediglich ein Schlaglicht auf tatsächliche Diskriminierung in Deutschland werfen können. Einerseits ist alles staatliche Handeln  - also etwa Polizei und Behörden – im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgenommen.

Zudem melden sich Betroffene nicht nur bei der ADS, sondern auch bei kommunalen Stellen, zivilgesellschaftlichen Organisationen oder auch gar nicht,  weil sie keine Hoffnung haben, dass ihnen Beschwerden helfen könnten. Der kommissarische Leiter der ADS, Bernhard Franke, hatte während einer Veranstaltung zu 70 Jahren Grundgesetz im vergangenen Jahr gefordert, LGBTIQ-Rechte ausdrücklich in der deutschen Verfassung zu verankern.

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