zum Hauptinhalt
Die Doku "Ab heute" klärt über das sogenannte "Transsexuellengesetz" auf.

© Getty Images/iStockphoto

Der lange Weg zum eigenen Namen: Die Doku "Ab heute" klärt auf und macht Mut

Im Dokumentarfilm "Ab heute" sprechen 20 Personen über die Auswirkungen des "Transsexuellengesetzes". Sie schildern persönliche Erlebnissen aus den vergangenen Jahren.

„Wut“, „Verletzung“, „Trauer“ und „Entmündigung“ – das sind nur einige der Begriffe, die trans Personen mit dem sogenannten „Transsexuellengesetz“ in Verbindung bringen. Gen bezeichnet das Gesetz als „eine sehr explizite Manifestierung der Diskriminierung“ anhand derer man sehen könne, was im Umgang mit trans Personen in Deutschland alles schief laufe.

Gen gehört zu den 20 Interviewpartner*innen, die in dem Dokumentationsfilm „Ab heute - Der lange Weg zum eigenen Namen“ über Entwicklungen und Auswirkungen des sogenannten „Transsexuellengesetz“ sprechen, das vor nunmehr 40 Jahren in Deutschland verabschiedet wurde. Sie geben Einblick in das rechtliche Verfahren, das trans Personen durchlaufen müssen, um ihren Namen offiziell anerkennen zu lassen und schildern persönliche Erlebnisse.

Die Youtuberin Jasmina erinnert sich für den Film von Sophia Emmerich und Sam Arndt daran, wie ein Jahr nachdem sie ihren Namen ändern ließ, ein Brief von der Bundeswehr eintraf. „Darin stand ‚Herr Jasmina Lietz, bitte kommen Sie da und da zu der Musterung‘“, erzählt sie, „ich war natürlich total in Panik, denn ich sah schon weiblich aus und hatte auch schon die Brust-OP gehabt.“

Sie habe daraufhin bei der Bundeswehr angerufen, aber lediglich vorgeworfen bekommen, dass sie ja auch „so tun könne“ als ob sie trans sei, um sich vor der Musterung zu drücken. „Das war total peinlich.“

Die Unterlagen füllte Jasmina nicht aus, sondern legte lediglich ein Foto von sich bei und schrieb dazu: „Sieht so ein Mann aus?“ Zwei Tage kam bereits die Antwort der Bundeswehr: „Sie sind ausgemustert“. „Aber das Foto haben sie behalten. Das hängt wahrscheinlich heute noch im Sprint“, sagt Jasmina und lacht.

[Wer mehr über queere Themen erfahren will: Der Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel erscheint monatlich, immer am dritten Donnerstag. Hier kostenlos anmelden]

Ähnliche Diskriminierungserfahrungen schildern auch die anderen Interviewpartner*innen: Einige werden beim Einkaufen kriminalisiert, ihnen wird vorgeworfen, die EC-Karte gestohlen zu haben, weil darauf der falsche Name steht. Andere müssen sich an der Supermarktkasse übergriffigen Fragen stellen. „Sobald ich meinen Personalausweis zeigen muss, oute ich mich als trans“, sagt Influencerin Phenix Kühnert, „und das ist nicht schön. Es ist anstrengend. Man weiß nie, wie die Person reagiert.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Eine besondere Stärke der Dokumentation liegt darin, dass ganz unterschiedliche Generationen zu Wort kommen und aus ihrer Sicht erzählen, wie sich die gesellschaftliche Situation in den vergangenen 40 Jahren verändert hat. Nora Eckert von TransInterQueer etwa blickt zurück auf die 1970er Jahre in West-Berlin. „Wir waren rechtlos, aber wir lebten bereits völlig unbehelligt als trans Menschen“, erzählt die 67-Jährige. „Wir konnten so leben wie wir wollten, aber hatten eben keine Möglichkeiten rechtlicher Art.“ Namens- und Personenstandsänderungen vor Gericht seien deshalb meist ins Leere gelaufen. Janka Kluge wiederum erinnert sich an Diskussionen zum pathologisierenden Begriff „transsexuell“ vor vielen Jahren.

Rechtliche Hürden sind ein zentrales Thema des Films, die vor allem Hagen Löwenberg, Facharzt für Psychosomatische Medizin, beleuchtet. Auch das politische Versagen wird in der Dokumentation treffend deutlich. Politiker*innen wie die gerade erstmals in den Bundestag gewählte trans Frau Tessa Ganserer (Grüne), Jens Brandenburg (FDP) oder Sven Lehmann (Grüne) legen dar, wie die Große Koalition in den vergangenen Jahren sämtliche Reformversuche beharrlich verhindert hat.

Influencerin Phenix Kühnert macht den politischen Handlungsbedarf deutlich: „Die Zahlen, was die Suizidrate von trans Menschen angeht, sind wahnsinnig hoch. Das liegt an ganz vielen verschiedenen Bausteinen und einer davon ist sicherlich das TSG.“

Bedeutung des Filmtitels

Seit Samstag kann man den Film kostenlos im Internet streamen. Der Titel „Ab heute“ hat für das Filmteam eine besondere Bedeutung. Sophia Emmerich sieht darin eine Zäsur, denn „ab heute“ müsse sich etwas ändern. So könne es in Zukunft in Bezug auf die Rechte von trans Personen in Deutschland „einfach nicht weitergehen“. Für Arndt beinhaltet der Titel eine persönliche Komponente, da er den Moment im Leben einer trans Person symbolisiere, in dem sie sich hinstelle und sage: „Ab heute nennt mich bitte…“.

[Hier geht's zum Stream von "Ab heute"]

Die Idee für den Film kam nach der gescheiterten Abstimmung zum Selbstbestimmungsrecht im Mai. Emmerich, die Jura studiert hat, begann daraufhin, sich mit der juristischen Entwicklung auseinanderzusetzen. Arndt hat den Prozess der Namens- und Personenstandsänderung selbst vor zehn Jahren durchlaufen.

In der Dokumentation "Ab heute - Der lange Weg zum eigenen Namen" kommen 25 Personen zu Wort, die über das sogenannte "Transsexuellengesetz" sprechen.
In der Dokumentation "Ab heute - Der lange Weg zum eigenen Namen" kommen 25 Personen zu Wort, die über das sogenannte "Transsexuellengesetz" sprechen.

© Ab Heute

Beiden wurde schnell klar, dass über das „Transsexuellengesetz“ viele Missverständnisse und Unwissen herrscht. Beim Dreh waren ihnen von Anfang an zwei Dinge besonders wichtig: Zum einen wollten sie Menschen aufklären, vor allem jene, die von dem Thema noch nie etwas gehört haben. Zum anderen wollen sie trans Personen Mut machen und ihnen zeigen, dass sie ihnen nicht alleine sind. Beim Dreh hätten sie besonders darauf geachtet, dass sich alle Personen wohl fühlten und ihnen mit ihren Geschichten vertrauten, erzählen sie. Deshalb sprachen sie mit allen Interviewpartner*innen vorab und bereiteten individuelle Fragen vor.

Die behutsame Herangehensweise ist auch im Film spürbar: Die Interviewten wirken vor der Kamera gelöst, sie lachen ausgelassen und verdrücken auch mal eine Träne. Der Film blickt aber nicht nur zurück, sondern auch nach vorne. Die Interviewten erzählen, was sie sich von der Zukunft erhoffen, welche Bedeutung ein Selbstbestimmungsgesetz hätte und warum cis Verbündete wichtig sind. Die Doku empowert und sie zelebriert Vielfalt. Oder wie trans Aktivist Paul es formuliert: „Es ist richtig riot, happy und queer zu sein.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false