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Von Texas nach Berlin: Lotic, 29.

© Matt Lambert/Promo

Debütalbum von Lotic: Betören und verstören

Lotics Elektro-Avantgarde-Album "Power" bringt die Angreifbarkeit schwarzer, queerer Menschen zum Ausdruck und ist zugleich ein kraftvolles Empowerment-Statement.

Wieder und wieder flüstert die Stimme dieselben Sätze. Es klingt bedrohlich, auch wenn man zunächst nur Fetzen versteht. „Brown skin, masculine frame, head’s a target / Acting real feminine, make ’em vomit / This nigga can’t take it“ – so lautet der gesamte Songtext von „Hunted“. Ein dunkelhäutiger, männlicher Körper wird wegen seiner femininen Art zum Ziel von Gewalt.

Man kann davon ausgehen, dass sich Lotics eigene Erfahrung in diesem Song spiegeln, dessen schnell pulsender Vierviertel-Beat, immer wieder unterbrochen oder von schneidenden, polternden Geräuschen überlagert wird. Ein Gefühl des Bedrohtseins kommt dadurch sehr unmittelbar zum Ausdruck. Es ist ein queeres und ein afro-amerikanisches Gefühl, denn Lotic ist schwarz, bezeichnet sich als nicht-binär und benutzt das Pronomen „they“, im Deutschen „sie“ im Plural.

Björk ist Fan von Lotic

Geboren 1988 als J’Kerian Morgan in Houston studieren Lotic in Austin elektronische Musik und gehen nach dem Abschluss 2012 zusammen mit ihrem damaligen Freund nach Berlin. Es ist die Zeit in der Trayvon Martin erschossen wird, junge Schwarze fürchten um ihr Leben. Lotic wollen einfach nur weg aus den USA und machen sich in Berlin als Produzent, Labelbetreiber und DJ einen Namen. Ihre Sets sind eine unberechenbare, faszinierende Mischung aus Techno, Hip-Hop, R’n’B und Pophits. Auch Mixtapes und Minialben wie „Heterocetera“ und „Agitations“ erscheinen.

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Björk wird Fan und bittet um Remixe für zwei Stücke ihres „Vulnicura“-Albums. Nun folgt mit „Power“ das erste Album – ein beeindruckender Wurf, der Lotics bisherige Arbeit auf verdichtete Weise fortsetzt und sie zugleich auf ein neues Niveau hebt. Auffälligste Neuerung: Es gibt jetzt Vocals, Lotic haben ihre Stimme gefunden. Manchmal sind es auch Samples oder ein Gast wie Moro, der gefühlvoll über die nervös zuckenden Beatschichten von „Heart“ singt.

Die verstörenden Sounds, das Gestolpere und Geheule der elf neuen Tracks erinnert an Lotics Frühwerk, aber auch an queere Kolleginnen wie Arca und Sophie. Wobei Lotic das Kunststück gelingt, nicht nur ihre Verletzlichkeit zum Ausdruck zu bringen, sondern gleichzeitig die Überwindung der Hilflosigkeit. „Power“ ist ein Empowerment-Album, was etwa der instrumentale Titeltrack verdeutlich, wenn über verträumte Synthesizertupfereien plötzlich ein irres Schlagzeuggeballere hereinbricht. Ebenso programmatisch ist das Ende der Platte, die laut Lotic von Ta-Nehisi Coates’ Essay „Zwischen der Welt und mir“ inspiriert ist: „Solace“, also Trost, besingen sie hier. „It’s gon’ be okay“ lauten die letzten Worte.

„Power“ ist bei Tri Angle erschienen.

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