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Viele queere Menschen fühlen sich hier sicherer – im Schwuz in Neukölln.

© G. Woller/promo

Berliner Clubs: Wie wichtig sind queere Clubs in Zeiten von Dating-Apps?

Queere Clubs bedeuten für viele Sicherheit. Doch sind sie in Zeiten mit Grindr, Tinder und Co., wenn sich gerade das Dating im Digitalen abspielt, noch relevant?

Die Augen sind zusammengekniffen, das Licht des Handydisplays blendet. Um ihn herum tanzen die Leute, weichen aus, blicken ihn kurz an. Doch das merkt er gar nicht mehr. Eine Szene, die sich in queeren Clubs immer wieder abspielt. Es sind eigentlich Orte des Austausches, der Sichtbarkeit für queere Menschen. Aber auch der Sicherheit. Doch sind sie in Zeiten von Dating-Apps, in Zeiten eines Lebens, das sich oft im Digitalen abspielt, eigentlich noch relevant?

Für Ayham schon. Der 22-Jährige kam vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland. Fast jedes Wochenende geht er in queeren Clubs tanzen. „Manchmal möchte ich auch in andere Clubs gehen. Aber da werde ich oft nicht reingelassen. Vielleicht haben sie Angst, dass ich Frauen belästige“, erzählt er. In einem Club wie dem Schwuz in Neukölln hat er jedoch nicht das Gefühl, anders behandelt zu werden. Vielmehr habe er hier sogar schon ganz unterschiedliche Menschen kennengelernt.

Anders als in Dating-Apps gibt es hier keine Filter

Queere Clubs funktionieren als Orte des Austausches. Anders als in Dating-Apps gibt es hier keine Filter. Man trifft auf Menschen unterschiedlicher Herkunft, Körperform, Einstellungen. Und auch unterschiedlichen Alters. Gemein haben sie nur, dass sie queer sind – oder mit queeren Menschen feiern wollen. Wie etwa im Monster Ronson’s an der Warschauer Straße, eine Karaoke-Bar. „Viele Leute wollen hier singen und nicht an einem queeren Ort sein, das kann schockierend für sie sein“, weiß der 32-jährige Colin Comfort.

Er moderiert viermal im Monat auf der großen Karaoke-Bühne im Monster Ronson’s – als die 48-jährige Gieza Poke. „Vor allem für Touristen ist es oft der erste Kontakt zu Drag Queens.“ Oft sei der Austausch positiv, die Leute erst etwas verschüchtert, aber dann doch interessiert. Nur selten käme es zu Reibereien. Wie dieses eine Mal, als der Andrang an der Karaoke-Bühne sehr groß war. Ein Gast war genervt, dass sein Lied immer noch nicht gespielt wurde. „Da nannte er mich eine Schwuchtel“, erzählt sie. Das habe sie ohne Umschweife per Mikrofon weitergegeben, so dass der ganze Club es hören konnte. Unter großem Jubel wurde der Mann vor die Tür gesetzt.

Für queere Menschen bedeuten die Clubs Sicherheit

Denn queere Clubs sollen Orte der Sicherheit für queere Menschen sein. Sich einmal nicht verstellen. Einmal nicht darauf achten, wie ein Kuss von der Umgebung aufgenommen wird. Ob es gefährlich sein könnte, Zuneigung zu zeigen. „Für die Communities ist es wichtig, positive Vorbilder zu haben und sich gespiegelt zu sehen“, sagt LCavaliero Mann. Der 38-jährige ist Künstlerischer Leiter des Schwuz.

„Im Schwuz kann nicht nur eine lesbische DJ oder ein Künstler, der trans* ist, arbeiten, auch müssen sie hier keine Angst haben, etwa von einem Techniker blöd angemacht zu werden“, sagt er. Das Schwuz, wie auch andere queere Clubs, ist nicht nur ein Ort, an dem gefeiert wird, sondern auch gearbeitet. Eine ziemliche banale Tatsache. Doch sie bedeutet, dass hier Menschen Arbeit finden, die sonst vielleicht Probleme damit haben. Weil sie als Menschen nicht anerkannt werden, Angst davor haben müssen, diskriminiert zu werden.

Im Schwuz, so LCavaliero Mann, würden sie alle geschätzt. Und zusammen eine Bühne schaffen für Künstler*innen, die ebenso oft an der Tür anderer Clubs scheitern. „Die heteronormative Restrealität kann schon ziemlich ignorant sein“, betont er. Besonders gegenüber queerer Kunst. „Wir geben queeren Künstler*innen selbstverständlich eine Bühne, die sonst nicht so einfach eine finden.“

In Berlin sind queere Clubs längst eine Institution

Neben der Möglichkeit des Austausches und dem sicheren Ausleben der eigenen, queeren Persönlichkeit sind diese Clubs Orte der Sichtbarkeit. Sie stehen für eine Geschichte der Unterdrückung und Ausgrenzung, die diese Orte erst hervorgebracht haben. Heute nun sind sie nicht mehr wegzudenken aus dem Berliner Stadtbild. Das Berghain, international bekannt – ein queerer Club. Die Busche unter der U-Bahn-Station Warschauer Straße. Eine Institution des queeren Nachtlebens. Das Schwuz, der größte Club Neuköllns, in einem Bezirk, der sonst nicht für seine LGBTIQ-Freundlichkeit bekannt ist. Oder der Connection Club im Nollendorf-Kiez. Sie alle sind mehr als nur Gebäude, sie sind Symbole. Doch verlieren sie ihre Bedeutung, wenn immer mehr Menschen auf das Internet zum Kennenlernen zurückgreifen?

„Wir versuchen alles, um am Markt bestehen zu bleiben“

„Online-Plattformen sind ein Problem“, weiß Bork Melms aus eigener Erfahrung. Der 40-Jährige ist Manager des Connection Clubs. Besonders Partys, die aufs Kennenlernen ausgelegt seien, würden heute kaum noch besucht. „Wir versuchen alles, um am Markt bestehen zu bleiben“, betont er. Denn natürlich sei auch das eine ständige Überlegung: Wie kann man aus dem großen Angebot an queeren Clubs herausstechen?

„Kurz nach der Wende gab es kaum Alternativen zum Connection Club – das hat sich geändert.“ Doch lebe der Club, gerade im Nollendorf-Kiez, auch von Nicht-Berlinern. Bestimmt 40 Prozent des Publikums seien Touristen, viele davon jung. „Ich habe das Gefühl, dass die jüngeren Leute langsam wieder schätzen, Menschen persönlich zu treffen, ohne Filter. Das finden die sehr faszinierend, bekomme ich immer wieder mit.“

Aber dann gibt es auch Frederike, 32, die meint, dass queere Clubs zu oft schwule Clubs seien und für Lesben sehr viel weniger geboten werde. Oder Oliver, 26, der meint, dass auf Plakaten oder durch Mottos wie Unterhosen-Partys vor allem gutaussehende, durchtrainierte Männer angesprochen würden. Er fühle sich als nicht-schlanker Mann oft ausgegrenzt.

Auch in Clubs starren viele auf den Handy-Bildschirm

Olivia, 31, ist selbst nicht queer – sie steht auf Männer. Trotzdem geht sie viel lieber in queere Clubs. Weil es da ausgelassener, freundlicher zugehe. Und sie als Frau weniger Angst haben müsse, blöd angemacht zu werden. Doch ihr sei etwas aufgefallen: Immer mehr Leute würden in diesen Clubs auf ihre Handys starren. Obwohl um sie herum doch so viele Menschen seien. „Einmal bin ich zu einem hingegangen. Der war auf Grindr unterwegs. Ich habe ihm gesagt, dass mein Freund ihn süß findet. Da war das Handy schnell wieder in der Tasche.“

Auch das können diese Clubs sein: eine Erinnerung, den Blick mal wieder vom Display zu lösen und die Menschen zu sehen.

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