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Bridget (Kelly O'Sullivan, links) mit Frances (Ramona Edith-Williams) im Eröffnungsfilm "Saint Frances".

© Visit Films

Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest: Butch trifft Babysitterin

Regenbogenfamilien, verliebte Schulmädchen, widerständige Lesben in der DDR: Das zweite Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest spannt weite Bögen. Ein Programm-Überblick.

Das lateinamerikanische Kino hat sich in den letzten Jahren verstärkt queeren Themen zugewandt - und das mit Erfolg. Davon zeugen etwa der Oscar für Sebastián Lelios "Eine fantastische Frau" (2018) und die beiden letzten Teddy Awards der Berlinale, die nach Argentinien beziehungsweise Brasilien gingen.

Standen bei den hierzulande zu sehenden Filmen meist Schwule oder trans Frauen im Mittelpunkt, hat das Berliner Publikum an diesem Wochenende beim Lesbian Non-Binary Filmfest die Chance, weitere regenbogenfarbene Perspektiven aus der Region kennenzulernen.

Neben dem kolumbianischen Beziehungsdrama "Eva and Candela" sowie dem in Puerto Rico angesiedelten Familiendrama "Extra Terrestres" ist mit "Being impossible" aus Venezuela ein besonderes bemerkenswerter Film im Programm. Er dreht sich um ein*en intersexuell*en Protagonist*in, wobei Ariel (Lucía Bedoya) selber nichts von ihrer Intersexualität weiß. Als Mädchen erzogen, bereitet ihr im Erwachsenenalter der erste Sex mit einem Mann unerträgliche Schmerzen. Eine Ärztin, die Ariel seit ihrer Geburt kennt, verordnet ihr zunächst eine selbstquälerische Therapie, statt sie aufzuklären.

Regisseurin Patricia Ortega inszeniert ihren Film in ruhigen, anmutigen Bildern, die in Braun-Grau-Grün-Tönen gehalten sind, wobei sie viel mit Spiegelungen arbeitet. Geschickt webt sie in die von Schmerz und Verzweiflung geprägte Geschichte einige Hoffnungsfäden ein. So lernt Ariel bei der Arbeit eine charismatische Frau kennen, mit der sie ein Verhältnis beginnt. Zudem deuten die immer wieder eingestreuten Aufnahmen aus einer Inter-Selbsthilfegruppe an, dass Ariel einen Weg zur Selbstbestimmung finden wird.

Lucía Bedoya spielt Ariel in "Being impossible".
Lucía Bedoya spielt Ariel in "Being impossible".

© Media LUNA

Eröffnet wird das wieder im Sputnik Kino am Südstern stattfindende Festival am Freitag um 19 Uhr mit "Saint Frances", dem Debütspielfilm des US-amerikanischen Regisseurs Alex Thompson. Zwar erzählt er seine zwischen Drama und Komödie angesiedelte Sommergeschichte aus der Perspektive einer heterosexuellen Frau - der 34-jährigen Babysitterin Bridget - sie passt aber dennoch gut hierher. Denn zum einen steht mit der sechsjährigen Frances das Kind eines Lesbenpaares im Zentrum, und zum anderen ist weibliche Solidarität ein Leitmotiv dieses berührenden Werkes.

Kicken in der Ukraine

Insgesamt laufen beim Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest 18 Langfilme sowie zwei Kurzfilmprogramme. Die Macher*innen schlagen dabei sowohl geografisch als auch thematisch weite Bögen. So startet der Samstag mit dem philippinischen Coming-of-Age-Film "Billie & Emma". Er handelt von der Teenie-Butch Billie, die Mitte der Neunziger in eine katholische Mädchenschule versetzt wird, wo sie sofort in der Außenseiterinnenrolle ist. Zum Glück hat sie ihre Gitarre und Rita Mae Browns Lesbenklassiker "Rubinroter Dschungel". Als sich Musterschülerin Emma in Billie verliebt, geraten die Dinge in Bewegung.

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Ebenfalls eine jugendliche Protagonistin nimmt Alisa Kovalenkos Dokumentation "Home Games" in den Blick, die den Alltag einer ukrainischen Fußballerin begleitet. Sie muss viel Verantwortung in ihrer Familie übernehmen und kann nicht so viel kicken wie sie möchte. Ihr Ziel bleibt trotzdem das Nationalteam.

Sabine und Elke erzählen in der Doku "Uferfrauen" von ihrem Leben in der DDR.
Sabine und Elke erzählen in der Doku "Uferfrauen" von ihrem Leben in der DDR.

© Julia Hönemann

Als einziger deutscher Langfilm ist am Samstag Barbara Wallbrauns Dokumentation "Uferfrauen - lesbisches L(i)eben in der DDR" zu sehen. Sechs Frauen erzählen von ihren Coming-Outs, Kindern und Kämpfen - den politischen wie persönlichen. Sie alle haben einiges mitgemacht, sich aber nie unterkriegen lassen. Da ist etwa Christiane, Gründerin des Berliner Sonntagsclubs, die von ihren Stasi-Verhören erzählt, oder Pat, deren erste Liebesnacht mit einer aufgebrochenen Tür endete. Für den Film kehrt sie noch einmal in die Wohnung zurück und schreit ihren alten Schmerz heraus. Einer von vielen bewegenden Momenten dieses eindringlichen Werkes, das einen wichtigen Beitrag zur lesbischen Geschichtsschreibung leistet und fraglos einen Höhepunkt des Festivals darstellt. Regisseurin Barbara Wallbraun kommt zur Diskussion ins Sputnik Kino.

Else Buschheuer moderiert die Filmgespräche

Auch die Hamburger Regisseurin Monika Treut und die Berliner Kamerafrau Elfi Mikesch sind zu Gast auf dem Festival, wo am Sonntag ihre 1999 gedrehte Dokumentation "Gendernauts" wiederaufgeführt wird. Eine Pioniertat, denn darin werden trans Menschen in San Francisco porträtiert - lange bevor sich andere Filmemacher*innen mit Transgender-Themen befasst haben.

Treut und Mikesch arbeitet an einer Fortsetzung von "Gendernauts". Sie waren kürzlich in den USA und werden erste Ausschnitte ihres neuen Materials im Sputnik präsentieren. Dieses sowie alle anderen Filmgespräch moderiert die Journalistin und Autorin Else Buschheuer. Sie hat vor wenigen Tagen den Reporterpreis für ihren sehr persönlichen (und queeren) Essay "Die Kriegerin" gewonnen. Die Laune dürfte also bestens sein.
Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest, 6. bis 8. Dezember, Sputnik am Südstern

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