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Gespendet. Eine Ungleichbehandlung bei der Blutspende kritisiert Hawrylak. 

© dpa-tmn

"Beim Arzt wird man sofort zwangsgeoutet": Petition fordert Ende des Blutspendeverbots für queere Männer

Schwule und bisexuelle Männer dürfen nur Blutspenden, wenn sie zwölf Monate keinen Sex haben. Lebensfremd, sagt Lucas Hawrylak - und will mit einer Petition das Ende des Verbots erreichen.

Männer, die Männer lieben, dürfen in Deutschland heiraten, Kinder adoptieren und Organe spenden – aber Blut spenden, das dürfen sie nicht. Und damit soll endlich Schluss sein, findet Lucas Hawrylak (28) und richtet eine Petition an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Vor zwei Jahren hatte Hawrylak bereits Erfolg mit einer Petition zum Verbot von Konversionstherapien in Deutschland. Das entsprechende Gesetz wurde zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Mai 2020 verabschiedet.

Herr Hawrylak, worum geht es bei der aktuellen Petition?
Ich möchte, dass das Blutspendeverbot für Homosexuelle abgeschafft wird. Das heißt, dass schwule und bisexuelle Männer und trans Menschen Blut spenden können wie jeder Heterosexuelle auch. Ein richtiges Verbot gibt es in diesem Sinne zwar nicht, aber eine Auflage: Ein Mann kann Blut spenden, wenn er zwölf Monate keinen Sex mit einem anderen Mann gehabt hat. Ich finde, das kommt einem Verbot gleich, da es nicht jeder Lebensrealität entspricht. Blut zu spenden ist wichtig, Sexualität ist aber auch ein Teil des menschlichen Wohlseins.

Da wird auch nicht differenziert, oder?
Genau. Ich habe letztens mit jemandem gesprochen, der in einer monogamen Beziehung lebt und somit seit zwei Jahren nur mit einem Mann Sex hat. Trotzdem wurde er beim Blutspenden abgewiesen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass das HIV-Risiko bei Männern, die Sex mit Männern haben, höher ist, ist das Virus nach sechs Wochen nachweisbar. Die zwölf Monate sind somit komplett aus dem Kontext gerissen.

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Wie ist Ihnen die Idee zu dieser Petition gekommen?
Vor zwei Wochen ist es mir sauer aufgestoßen, dass Spahn sagte, er wolle das Transfusionsgesetz nicht ändern. Für mich war das ein kleines Deja Vu. Als ich damals die Petition zu Konversionstherapien gestartet habe, hat Spahn ähnlich reagiert. Das Gesundheitsministerium hat damals erst keinen Bedarf gesehen. Mich hat das, damals wie heute, wütend gemacht. Wir haben einen homosexuellen Gesundheitsminister, der sich der Faktenlage bewusst ist, sich dieser Verantwortung allerdings entzieht.

Was glauben Sie, woher Spahns Aktionen rühren?
Ich glaube, dass er in seiner eigenen Partei sehr viel Gegenwind bekommt und dass er sehr taktisch und parteipolitisch agiert – auch wenn er selber vielleicht nicht glaubt, dass die zwölf Monate nötig sind. Er scheint seiner Partei zu folgen und der externe Druck ist noch nicht groß genug, um ihn zum Umdenken zu bewegen.

Lucas Hawrylak hat eine Petition zur Änderung des Transfusionsgesetzes gestartet.
Lucas Hawrylak hat eine Petition zur Änderung des Transfusionsgesetzes gestartet.

© Sabrina Jeblaoui

Durch die momentane Gesetzeslage entsteht eine Stigmatisierung. Was genau ist daran problematisch?
Sobald man Blut spendet, muss man seine Sexualität offenlegen. Das kommt einem Zwangsouting gleich. Ich möchte nicht zum Arzt oder zum Blutspendedienst gehen und mich dort outen. Diesen Moment finde ich sehr schwierig. Dazu kommt der Fakt, dass eine Ungleichbehandlung stattfindet: Heterosexuelle können mit noch so vielen Menschen schlafen, ungeschützten Verkehr haben, ausschweifend leben – und dürfen trotzdem sofort spenden. Das wird nicht hinterfragt.

Männer, die mit Männern schlafen, werden hingegen sofort stigmatisiert. So nach dem Motto: Ihr lebt da gefährlicher, ihr bekommt eine Sperrfrist von zwölf Monaten. In ländlichen Regionen stelle ich mir das noch schlimmer vor, dass Menschen vom Blutspenden ausgeschlossen werden. Das gehört sich nicht und ist nicht zeitgemäß.

Das Gesetz stammt ursprünglich aus der Aids-Krise, also den 1980er-Jahren.
Genau. Damals wurde es als Schutzmaßnahme eingeführt, heute sind wir auf einem ganz anderen wissenschaftlichen Stand. Trotzdem war das Blutspenden für homo- und bisexuelle Männer und trans Menschen bis 2017 komplett verboten. Seitdem gibt es die besagte Auflage von zwölf Monaten. Aber selbst das ist realitätsfern und aus der Zeit gefallen.

Glauben Sie dennoch, dass eine Einschränkung für queere Männer sinnvoll ist?
Nein, ich bin der Meinung, dass es keine Einschränkung geben sollte. Bei Heterosexuellen besteht auch das Risiko, dass jemand Geschlechtskrankheiten oder eben HIV hat. Die Spenden werden auch nicht alle getestet. Ich finde es scheinheilig, dass für uns eine Ausnahme besteht. Das macht keinen Sinn.

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Wie soll die Bundesregierung im besten Fall auf Ihre Petition reagieren?
Im Idealfall sammeln wir so viele Unterschriften und bekommen so viel Unterstützung, dass wir zeigen können, dass eine Dringlichkeit besteht, diese Diskriminierung und Stigmatisierung zu beenden. Es gibt bereits verschiedene Petitionen zu diesem Thema. Ich glaube nicht, dass die sich gegenseitig im Weg stehen. Ganz im Gegenteil. Desto mehr Aufmerksamkeit wir für das Thema schaffen, desto eher können wir Spahn und die Bundesregierung dazu bewegen, aktiv zu werden.

Sie haben zuvor bereits eine Petition gestartet, damals wollten Sie Konversionstherapien verbieten. Genau das geschah jetzt auch, immerhin für Kinder und Jugendliche.
Im Juli 2018 ist genau dasselbe passiert, wie jetzt. Das Gesundheitsministerium hat eine Anfrage der Linken, ob die Bundesregierung plane, etwas gegen Konversionstherapien zu unternehmen, verneint. Ganz ohne Begründung. Das finde ich sehr bedenklich, wenn ein Ministerium nicht weiß, welche Problematik dahintersteht und erst durch eine Vielzahl von Unterschriften und medialer Aufmerksamkeit aktiv wird. Erst unter sehr viel Druck lenkte Spahn ein. Nun wurde das entsprechende Gesetz verabschiedet und gebilligt.

Reicht Ihnen das Gesetz in seiner jetzigen Tragweite?
Nein, das Gesetz geht noch nicht weit genug. Da sind sich der Bundesrat und wir, die die Petition gestartet haben, einig. Dennoch glaube ich, dass es ein richtiger und wichtiger erster Schritt ist. Kinder und Jugendliche, die ihre Sexualität und ihre Persönlichkeit finden, werden nun geschützt.

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