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Edith Schröder ist in Weihnachtsstimmung.

© Foto: Jörn Hartmann

Ades Zabel im BKA Theater: Lametta und Lamento

Alle Jahre wieder verlässlich trashig: Ades Zabels Weihnachtsshow „Wenn Ediths Glocken läuten“ im Berliner BKA Theater.

Balkone gehören spätestens seit „Romeo und Julia“ zur Standardausstattung einer romantischen Liebesgeschichte. Ein Mythos, mit dem Entertainer Ades Zabel und seine Truppe aufräumen – nämlich jedes Jahr in dem legendären Balkon-Battle zwischen Edith und Jutta. Hier prallen Weltanschauungen aufeinander, in Form einer Gretchenfrage: Wie hälst du’s mit Lametta?

Während Jutta (mit Schlecker-Insolvenz-Tönung: Bob Schneider) ihren Weihnachtsschmuck im Räumungsverkauf von Kaufhof erbeutet, den Balkon elektronisch aufrüstet und dafür Mahnbriefe von Vattenfall in Kauf nimmt, nutzt Edith (Adels Zabel, Motto: „Ich komme gleich nach’m Aufstehen, gegen 17 Uhr bin ich da“) ihren Balkon hauptsächlich zum Paffen und hängt, wenn’s denn sein muss, eine Plastiktüte von Lidl mit Nikolaus-Aufdruck über die erfrorenen Primeln.

Golden Girls vom Hermannplatz

Sie necken und sie lieben sich – seit 15 Jahren. So lange schon läuft die Adventsshow „Wenn Ediths Glocken läuten“ im BKA Theater, die den Mythos Neuköllns als Trash-Kapitale („Von Moschee bis Muschi“) gründlich durchbürstet. Die neueste Runde ist seit Mittwochabend eingeläutet. Und natürlich wären die Golden Girls vom Hermannplatz nicht komplett ohne die obszön schlanke Brigitte (Biggy van Blond), die aus unerfindlichen Gründen irgendwann beschlossen hat, nur noch in Leopardenmuster rumzulaufen und in ihrem Leggingsladen ebensolches im Schaufenster hängen lässt, gerne auch mal seit August. Schamlos bringt sie ihre Ware an die Kundin (und den Kunden), und wenn die darin aussehen, als hätten sie einen Bratschlauch übergezogen – ist das ihr Problem?

Edith und Biggy werden beim Vibratorklau erwischt

Dazu kommen in wechselnden Rollen Nicolai Tegeler, der als griechischer Klempner ohne jede Furcht vor Kalauern sein Rohr verlegt („der Koloss von Rhodos!“) und in Edith dinosaurierhafte Urinstinkte weckt – sowie Roman Shamov, der mehr als einen grandiosen Auftritt hat. Etwa als Kaufhausdetektiv bei Karstadt, dem der sexuelle Überdruck schnaufend aus jeder Pore entweicht, während seine Wampe das mühsam zugeknöpfte Jackett fast sprengt. Als er Edith und Biggy beim Vibratorklau erwischt, zwingt er sie zu intimen Zungenspielen. Nicht etwa mit ihm, sondern untereinander.

Jutta jammert, was aus ihrer Kneipe werden soll

Grundkonstellation und Räumlichkeiten – Biggys Laden, Ediths Wohnung – sind jedes Jahr die gleichen. Innerhalb dieses Rahmens aber variieren die Darsteller mit Regisseur Bernd Mottl den Ablauf und aktualisieren ihn, wenn auch nur zaghaft. Dass die kosmischen Mietpreise den Charakter von ganz Berlin verschieben und auch Neukölln nicht verschonen, dass Leggings in der Nogatstraße schon lange nicht mehr gesichtet wurden und auch Futschi einer aussterbenden Trinkkultur angehört, findet nur einmal seinen Niederschlag: Als Jutta jammert, was aus ihrer Kneipe werden soll, wenn sie mal nicht mehr da ist, und Edith sie trocken tröstet: „Ne vegane Fleischerei natürlich“.

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Was ist das Erfolgsgeheimnis des „Neuköllnicals“, das kurioserweise seit 15 Jahren in Kreuzberg seine Erfolge feiert? Anfangs war es sicher der charmante Dilettantismus, der sich inzwischen spürbar professionalisiert hat, glücklicherweise ohne den trashigen Anstrich zu verlieren. „Wenn Ediths Glocken läuten“ bietet Vertrautes zum Anlehnen und zugleich das gute Gefühl: Wenn es diese drei Trümmertanten schaffen, ihr Leben mit wenigen Euros zu meistern, dann schaffe ich das auch. Zentralfigur der Show (wie des BKAs überhaupt) ist natürlich Ades Zabel, der im Laufe der Jahre mit der Rolle der burschikosen Edith förmlich verschmolzen ist. Damit scheint es ihm sichtlich gut zu gehen. Und wer sonst in der Berliner Kleinkunstszene kann die U-Bahn am Hermannplatz verlassen, dabei „Erst Aussteigen lassen, ihr Arschlöcher!“ schreien und dabei trotzdem seine Würde bewahren?

Beim Singen sind alle fröhlich vereint

Großes Finale der diesjährigen Show ist die Bescherung, bei der Edith Rotwein vom Späti der Marke „Chateau Fukushima“ kredenzt und der Vibrator für Jutta noch das netteste Geschenk ist. Kleine dramaturgische Schwäche am Ende: Die Konflikte werden geschürzt, ohne sich wirklich überzeugend zu lösen. Stattdessen Cut – und alle singen wieder fröhlich vereint. Da könnte man noch nachjustieren. Oder einfach auf 2019 warten. Ediths Glocken läuten alle Jahre wieder. So sicher, wie der Späti auf hat.

BKA Theater, Mehringdamm 34, wieder 1., 2., 5., 6. Dezember, zahlreiche weitere Dezember-Termine, jeweils 20 Uhr

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