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Frauen demonstrieren für mehr Frauenrechte in Chicago, USA.

© Chris Riha/ZUMA Wire/dpa

Plötzlich „Frauenversteher“: Warum männliche Feministen Teil des Problems sind

Als Lifestyle taugt Feminismus nun auch für Männer. Interessieren tut er sie meist aber erst, wenn Frauendiskriminierung die Familie trifft. Ein Kolumne.

Eine Kolumne von Max Tholl

Eine Danksagung an den Feminismus ist fällig: aus tiefstem Männerherz und stellvertretend für alle Geschlechtsgenossen, ein aufrichtiges Dankeschön für die dienliche Kritik und nötigen reality checks über all die Jahre. Wir haben viel verbockt, tun es immer noch, aber hoffentlich lernen wir dazu, nicht zuletzt dank des Feminismus.

Jetzt da alte Geschlechterrollen wackeln und Männlichkeit zunehmend als toxisches und atavistisches Konzept wahrgenommen wird, dient der Feminismus auch noch als Zuflucht für die Männer, die aus Scham und Wut wohl am liebsten keine solchen mehr wären - sehr gnädig.

"Verdächtig viele Helden”

Kein Wunder, dass immer mehr Männer sich als Feminist bezeichnen und sich mit an vorderste Front stellen, wenn es um die geschlechtliche Gleichstellung geht. Keine Frage: Der Feminismus tut der Männerwelt gut. Doch wie sieht es umgekehrt aus?

Vor wenigen Wochen, stellte die feministische Autorin Margarete Stokowski in ihrer "Spiegel"-Kolumne fest, dass es “verdächtig viele Helden” gibt, die sich zum Feministen berufen fühlen, meist nach der Geburt der eigenen Tochter. Es sei schon fast ein feministischer Dauerwitz, schreibt Stokowski, und fragt zurecht, ob diese Männer vorher nie mit einer Frau geredet oder einer zugehört haben.

MeToo hat die systematische sexuelle Gewalt und Diskriminierung gegenüber Frauen so schonungslos offengelegt, dass man glauben sollte, es bedürfe keines persönlichen Bezugs, um über diesen Missstand schockiert zu sein.

Nichts in Frage zu stellen, bevor es nicht den eigenen Kosmos erreicht

Doch immer wieder führen Männer die eigene Tochter, Partnerin, Mutter oder Schwester quasi als Kronzeugin an, um ihre Fassungslosigkeit auszudrücken und das eigene feministische Credo zu legitimieren. Als wäre sexuelle Gewalt nur ein Problem, wenn die eigene Tochter betroffen ist, als mache die Vaterrolle einen automatisch zum guten Feministen oder “Frauenversteher”.

Natürlich gibt es ausreichend Gegenbeispiele, doch die Tendenz, eine misogyne Gesellschaftsordnung nicht in Frage zu stellen, bis sie den eigenen Kosmos in Form der Tochter oder Partnerin erreicht, ist bezeichnend für ein patriarchisches Selbstverständnis. Nicht die Lebensumstände der weiblichen Bevölkerung stehen hier im Mittelpunkt, sondern die eigene Interpretation dieser.

Verteidigung der patriarchalen Dominanz mit machomäßiger Überheblichkeit

Neben der überfälligen Thematisierung der Diskriminierung und Gewalt gegenüber Frauen, versucht die MeToo-Bewegung auch das Meinungsmonopol der Männer zu brechen. Begriffe wie “Mansplaining”oder “Manterrupting” bezeichnen die männliche Tendenz, den Frauen die Welt erklären zu wollen, selbst wenn diese es besser wissen.

Es ist die Verteidigung der patriarchalen Dominanz mit machomäßiger Überheblichkeit. Es verschlingt den diskursiven Raum, der Frauen zusteht. Wenn nun selbsterklärte Feministen verkünden, sie könnten die Probleme der Frauen natürlich nachvollziehen, denn sie seien ja schließlich Vater, Partner, Bruder, Sohn, ist das Mansplaining nicht mehr weit.

Männliche Feministen sind Teil des Problems

Männliche Feministen haben einen schweren Stand, denn sie müssen sich eingestehen, Teil des Problems zu sein. Sie können feministische Ideale und Werte unterstützten, sich mit Frauen solidarisieren, doch wie sehr sollten sie sich einbringen? Wie viel Raum sollen sie einnehmen?

Nimmt man zum Beispiel die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche, herrscht unter einigen Feministinnen der Leitsatz “no uterus, no opinion” - ohne Gebärmutter gibt es kein Recht auf Meinungsäußerung zu diesem Thema. Die Haltung ist im Einklang mit einer Identitätspolitik, die zwar gesamtgesellschaftliche Solidarität mit Minderheiten fordert, diesen aber die Deutungshoheit über die eigenen Lebensumstände zuspricht. Bei allem Übereifer, sollten Feministen nicht vergessen, dass ihr Schweigen in manchen Fällen dienlicher sein kann, als jede Solidaritätsbekundung.

Feminismus muss mehr sein, als eine Selbstdarstellungsbühne

Zu sehr dürfen Feministen sich jedoch nicht aus der Verantwortung ziehen. Der Feminismus muss mehr sein, als eine Selbstdarstellungsbühne für die eigene moralische Integrität. Ein #Equality in der Twitter-Bio macht noch keinen progressiven Feministen.

Die amerikanische Autorin Jia Tolentino schreibt in ihrem vielbeachteten Buch “Trick Mirror”, wie einfach unsere digitale Gesellschaft es macht, sich moralisch zu äußern, während das moralische Handeln immer schwieriger wird. Allein das richtige Mindset scheint zu reichen.

Es kommt darauf an, wie man den Feminismus (vor)lebt

Doch was nützt beispielsweise ein Politiker wie der kanadische Premier Justin Trudeau, der sich mit einer charmanten Selbstverständlichkeit als Feminist bezeichnet und sein Kabinett geschlechtsparitätisch gestaltet, aber zwei starke Frauen aus seiner Partei verdrängte, weil sie es wagten, ihm zu widersprechen? Besonders in einer Zeit, in der der Feminismus zunehmend zu einem Lifestyle wird, der sich auch kommerziell prima vermarkten lässt, kommt es darauf an, wie man ihn (vor)lebt, nicht nur denkt.

Vielleicht ist das für Feministen am einfachsten, wenn sie sich auf das fokussieren, was sie am besten kennen: Männer. Mit einem progressiven männlichen Selbstverständnis wäre der Gleichstellung schon viel geholfen. Dafür muss man nicht mal Vater, Partner, Sohn oder Bruder sein, sondern einfach nur das Herz und den Verstand am richtigen Fleck haben.

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