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Boris Becker kommt zur Strafmaßverkündung.

© Kirsty O'connor/PA Wire/dpa

Zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt: Skandale, Fehltritte, und jetzt Gefängnis – Boris Becker am Tiefpunkt

Vor drei Wochen wurde der Ex-Tennis-Profi in mehreren Anklagepunkten wegen Insolvenzverschleppung für schuldig erklärt. Nun wurde sein Strafmaß verkündet.

Zu seinen besten Zeiten litt die ganze Nation mit Boris Becker. Damals, als Teenager, machte er mit seinen Siegen in Wimbledon Millionen Deutsche zu Tennisfans. Heute liefert der 54-Jährige vor allem Schlagzeilen für die Klatschspalten, der ewige Leimener ist zum tragischen Londoner geworden.

Am Freitag nun erreichte sein an Skandalen und Fehltritten reiches Leben den absoluten Tiefpunkt: Boris Becker muss für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis, im Insolvenz-Prozess gegen den Deutschen verhängte ein Londoner Gericht dieses Strafmaß. Mindestens die Hälfte der Strafe muss er verbüßen, ehe er vorzeitig auf Bewährung entlassen werden kann.

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Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden, Becker muss aber nach britischem Recht seine Strafe sofort antreten. Zuvor war eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren durchaus für möglich gehalten worden.

Als Becker am Mittag das Gericht erreicht, stand die Presse bereits für ihn bereit. Grauer Anzug, lila-grüne Wimbledon-Krawatte und Freundin Lilian de Carvalho Monteiro an der Hand – so begibt sich Boris Becker an diesem für ihn schicksalhaften Freitag kurz vor 12 Uhr Ortszeit zum Southwark Crown Court.

Boris Becker mit seiner Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro auf dem Weg ins Gericht.
Boris Becker mit seiner Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro auf dem Weg ins Gericht.

© IMAGO

Becker lässt das Taxi ein paar Meter vor dem Eingang halten, läuft danach gemessenen Schrittes an den Journalisten und Fotografen vorbei. Sogar ein Lächeln ist auf seinem Gesicht zu sehen, es soll Zuversicht ausstrahlen – so wie früher vor einem großen Tennismatch. Nur dass es diesmal für ihn nicht um Spiel, Satz und Sieg geht, sondern um die Freiheit und das Leben, dass er von nun an führen wird.

Mit 50 war Boris Becker mehrfach gescheiterter Unternehmer

Becker hat in seiner Tenniskarriere mehr als 25 Millionen US-Dollar an Preisgeldern verdient, dazu viele weitere Millionen mit Werbeverträgen. Schon nach seinem ersten Wimbledonsieg 1985 hätte er ausgesorgt haben müssen, erst recht nach seinem zweiten nur ein Jahr später.

Nach diesem Triumph sagte Becker in einem Interview der „Welt“: „Ich möchte nicht mit 50 Jahren rumlaufen und die Leute sagen hören, guck mal, das ist der, der mit 17 in Wimbledon gewonnen hat – vielleicht bin ich mit 50 der Superschauspieler oder der Supermusiker.“
Mit 50 war Boris Becker mehrfach gescheiterter Unternehmer, geschieden von seiner Ehefrau Barbara und hatte Kinder von drei Frauen. Schon 2002 war er bei einem Prozess wegen Steuerhinterziehung in München für schuldig befunden worden, damals kam er mit Bewährung und einer Geldstrafe von 500.000 Euro davon.

Becker gibt sich damals geläutert, 15 Jahre später wird er gerichtlich für zahlungsunfähig erklärt und muss sein Vermögen offenlegen.

Inzwischen ist er ein weiteres Mal geschieden und zuletzt vor drei Wochen sahen die Geschworenen seine Schuld wegen Insolvenzverschleppung in vier von 24 Anklagepunkten als erwiesen an. Becker hatte seine finanzielle Situation immer wieder verschleiert und seine Besitztümer in aller Welt nicht offengelegt.

Becker in einem AOL-Werbespot von 2000.
Becker in einem AOL-Werbespot von 2000.

© AOL

Er selbst plädierte dennoch auf unschuldig in allen Punkten, seine Anwälte stellten Becker als jemanden dar, der nie gelernt hätte, mit Geld umzugehen.

„Boris ist schlechten Charakters“

An diesem Freitag setzt Becker im Gericht wieder den berühmten Tunnelblick auf, mit dem er sich auf den Tennisplätzen dieser Welt zu Höchstleistungen konzentrieren konnte. Staatsanwältin Rebecca Chalkley führt noch einmal 40 Minuten lang an, warum sie Becker für schuldig hält und sagt: „Boris ist schlechten Charakters“.

An seiner Seite wirken Freundin Lilian und Sohn Noah längst nicht so entspannt, aber als Profisportler hat Becker gelernt, seine Emotionen im Griff zu haben.

Boris Becker (r) und sein Sohn Noah verlassen den Southwark Crown Court.
Boris Becker (r) und sein Sohn Noah verlassen den Southwark Crown Court.

© Alberto Pezzali/AP/dpa

Beckers Verteidigung beharrt darauf, dass ihr Mandant nicht aus „Gemeinheit“ gehandelt habe und es klingt beinahe wie ein Gnadengesuch, als Anwalt Jonathan Laidlaw fast flehentlich plädiert: „Dieser Angeklagte hat wirklich alles verloren. Boris Becker hat nichts mehr. Nichts! Es ist geradezu eine Tragödie.“

Die Demütigungen in der Presse und der ganzen Welt seien schlimm, seine Karriere zerstört. „Er wird keine Arbeit mehr finden. Er wird auf die Gutmütigkeit anderer angewiesen sein, um zu Überleben.“

Für Becker beginnt danach das große Warten, so wie einst in Wimbledon, in einer der unvermeidlichen Regenpausen.

Für 16 Uhr deutscher Zeit kündigt Deborah Taylor ihre Strafmaßverkündung an und verfügt eine Pause. Becker fällt seiner Lilian in die Arme, wie es „Bild“ im Live-Ticker berichtet. Vielleicht erfährt er, dass es aus der Heimat auch Zuspruch gibt, vom Deutschen Tennis-Bund (DTB) zum Beispiel. „Wir stehen treu an der Seite unserer Tennis-Ikone“, sagt DTB-Präsident Dietloff von Arnim am Rande eines Tennisturniers in München.

Seine Tennis-Expertise ist immer noch geschätzt

Mit seinem Sport ist Becker immer noch in Liebe verbunden und oft scheint es, als würde er es genießen, einfach nur darüber zu reden. Beim Spartensender Eurosport kommentiert und analysiert er leidenschaftlich die Spiele der Stars von heute und für die BBC berichtet er aus Wimbledon.

Seine Expertise ist geschätzt, auch von den Zuschauern. Doch im Leben gibt es eben nicht nur Tennis, das musste Becker schon früh erfahren. Dem Boulevard reichte es nie, nur über den Sportler Boris Becker zu berichten. „Was mit mir gemacht wird, hat mit Pressefreiheit nichts mehr zu tun“, hat er einmal geklagt und damit geliebäugelt, die britische Staatsbürgerschaft anzunehmen. In London lebt er seit Jahren, trotz aller finanziellen Schwierigkeiten, ein Leben im Luxus.

Vor dem Tag der Strafverkündung wird er beim Shoppen im Londoner Edel-Kaufhaus „Harrods“ gesehen, auch sonst wirkt er nicht so, als wäre er komplett mittellos.

Vielleicht ist es auch das, was zunächst Geschworene und später Richterin Taylor irritiert. Becker zeigte sich nicht einsichtig, spielte den unschuldigen Jungen, der nicht so recht wusste, was in seinem Leben und vor allem mit seinem Geld passiert. Und er schien immer zu hoffen, damit irgendwie durchzukommen. Nun nicht mehr.

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