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Das Geburtstagskind nimmt derzeit in einem Berliner Tonstudio ein Chopin-Album auf.

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Wunderkind Lang Lang: Der Elfenbeinharte

Der chinesische Starpianist wird am Donnerstag 30, und feiert das in Berlin. Sein Terminplan rund um den Geburtstag entspricht dem, wie er schon immer lebt: erbarmungslos ehrgeizig

Daniel Barenboim war ein Wunderkind, und er wurde ein Star. Wahrscheinlich ist er sogar der musikalischste Mensch der Welt. Dennoch kennen den 69-jährigen Chef der Berliner Staatsoper nicht halb so viele Menschen wie seinen Freund und Pianistenkollegen Lang Lang. Barenboims Ruhm nämlich blieb weitgehend auf die Klassikszene beschränkt. Von Lang Lang dagegen haben auch jene Zeitgenossen schon mal gehört, die nicht wissen, was ein Dominantseptakkord ist.

Der Chinese, der am Donnerstag seinen 30. Geburtstag feiert, ist ein globales Medienphänomen. Er hat seine Karriere gezielt übers Fernsehen aufgebaut. Wo immer sich bei großen TV-Ereignissen Massenkultur und klassische Musik berühren, ist garantiert auch Lang Lang dabei: In Deutschland gehörte er zu Gottschalks Stammgästen bei „Wetten, dass“, als er in Peking bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in die Tasten griff, schauten zwei Milliarden Menschen zu. Gerade trat er zu Ehren der Queen beim weltweit übertragenen Diamond-Jubilee-Openair in London auf – neben Popstars wie Robbie Williams, Elton John oder Paul McCartney.

Für Lang Lang ist die Liaison mit dem Fernsehen eine natürliche Sache. Schließlich hat ihn einst ein Mattscheiben-Erlebnis zur Klassik gebracht. Als Knirps sah er die Zeichentrickserie „Tom und Jerry“. Besonders eine Verfolgungsjagd zwischen Katz und Maus zu den Klängen des „Ungarischen Marsch“ von Johannes Brahms faszinierte ihn dabei so sehr, dass er Pianist werden wollte. Was sich wiederum seine Eltern nicht zweimal sagen ließen. In China gelten Klavier spielende Kinder schließlich als Statussymbol; mein Auto, mein Haus, mein Tastentiger …

Mit der erbarmungslosen Strenge eines Eiskunstlauftrainers erzieht Lang Guoren seinen Filius zum Virtuosen. Klassik als Hochleistungssport. Wehe, wenn der Kleine sein Tagespensum nicht akkurat abarbeitet. Da wirft der Erziehungsberechtigte dann schon mal das Spielzeug zum Fenster raus. Als eine Klavierlehrerin dem Neunjährigen Talentlosigkeit bescheinigt, rät ihm der Vater, sich mit Tabletten umzubringen. Erst als Lang Lang damit droht, sich absichtlich die Finger zu brechen, vermag das den Furor des Vaters etwas zu drosseln. Mit 26 Jahren hat er das alles in einer Autobiografie offengelegt: „Als Kind habe ich meinen Vater gehasst“, schreibt er. „Aber nach und nach habe ich verstanden, dass er und ich denselben Traum hatten. So habe ich allmählich vergessen, was er getan hat.“ Heute wird Lang Lang bei seiner Endlostournee rund um den Globus von seiner Mutter begleitet. Eine feste Freundin hatte er noch nie.

Wie man ihn kennt. Sein öffentliches Bild weiß der Pianist zu steuern. Foto: dpa
Wie man ihn kennt. Sein öffentliches Bild weiß der Pianist zu steuern. Foto: dpa

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Klavierspielen bedeutet für Lang Lang bis heute Wettbewerb. Nur der Flinkfingrigste kommt eben als Erster ins Ziel. Extrem eng gefasst ist sein Terminplan darum auch rund um den runden Geburtstag, den er in Berlin verbringt: Binnen fünf Tagen will er hier ein neues Chopin- Album einspielen. In seiner Mittagspause wird er am Donnerstag schnell noch beim „Montblanc de la Culture Arts Patronage Award“ im Hotel de Rome auftreten, am Freitag steht dann ein Konzert in der 02-World an. Das natürlich auch wieder im Fernsehen übertragen wird, vom Kultursender Arte. Als Sparringpartner hat sich Lang Lang dazu nicht nur Herbie Hancock eingeladen, sondern auch 50 ehrgeizige Kinder von noch ehrgeizigeren Eltern. In einer groß angelegten Marketingaktion der Firma Telefonica konnten hochbegabte Kids aus 25 Ländern auf einer Website Homevideos hochladen, die sie beim Bearbeiten der schwarzen und weißen Tasten zeigen. Die jeweils beiden Besten aus jedem Land wurden eingeladen, neben ihrem Idol in der Megahalle aufzutreten.

Mit 30 Jahren hat Lang Lang alles erreicht, was sich im Entertainmentbusiness erreichen lässt. Seine CDs verkaufen sich wie geschnitten Brot, seine Gagen erreichen Spitzenwerte, hinzu kommen lukrative Werbeverträge mit weltweit agierenden Markenartiklern. Nur sein Image in der Klassikszene macht ihm zu schaffen. Dass er über alle spieltechnischen Fragen erhaben ist, steht außer Frage. Doch seine affektierte Gestik bei Liveauftritten wirkt nicht gerade seriös, interpretatorisch bleibt er oft in pubertärer Gefühlsduselei stecken. Als der Klavierexperte Jürgen Otten vor drei Jahren sein Buch „Die großen Pianisten der Gegenwart“ veröffentlichte, weigerte er sich, Lang Lang darin auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Dabei wäre der charmante Chinese so gerne auch von den Fachleuten geliebt. Als ihn ein Reporter der „Welt am Sonntag“ jüngst fragte, warum er so viele junge Leute anziehe, fiel Lang Lang ihm unerwartet barsch ins Wort: „Der harte Kern meiner Fans sind dieselben, die auch ältere Pianisten mögen. Das muss ich einmal klarstellen!“

Fürs nächste Lebensjahrzehnt hat sich Lang Lang vorgenommen, weniger als 150 Konzerte pro Saison zu geben und mehr mit Senioren zusammen zu sein. Im Sommer hat er sich einen Intensivkurs beim 83-jährigen Alte-Musik-Spezialisten Nikolaus Harnoncourt verordnet. In Salzburg, während der Festspiele, sechs volle Tage lang.

Für das Konzert am Freitag um 20 Uhr gibt es noch Tickets ab 60 Euro.

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