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Langnese-Eis hängt noch an den Stielen. Sollte es auch am Sonntag hergestellt werden?

© dpa

Wochenende: Die Neudefinition des Sonntags

Der Sonntag steht in Deutschland unter besonderem Schutz. Arbeiten an diesem Tag ist eigentlich tabu. Wie weit die Ausnahmen gehen dürfen und wie weit der Spielraum der Länder ist, wird jetzt höchstrichterlich geklärt.

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt in Leipzig über die Ausweitung der Sonntagsarbeit. Konkret geht es um die Regelungen des Landes Hessen, das weitreichende Ausnahmen von der Sonntagsruhe beschlossen hatte - etwa für Callcenter, Brauereien und Videotheken. Die meisten anderen Bundesländer haben ähnliche Regelungen. (Az.: BVerwG 6 CN 1.13)

Warum gibt es überhaupt Streit um die Sonntagsruhe?

Gewerkschaften und Kirchen beklagen seit langem einen schleichende Aushöhlung der Sonntagsruhe. Sie pochen auf den grundgesetzlichen Schutz des arbeitsfreien Sonntags. „Wir brauchen Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser. Aber wir brauchen keine telefonische Bestellannahme, keine sonntags geöffneten Büchereien und keine Wettannahmestellen“, sagt Bernhard Schiederig, Landesfachbereichsleiter Handel bei Verdi in Hessen. Verdi ist einer der Kläger.

Was sagt das Gesetz?

Das Grundgesetz stellt den Sonntag in Artikel 140 unter einen besonderen Schutz. Das Arbeitszeitgesetz legt zudem fest, dass Arbeitnehmer „an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden“ dürfen. Allerdings sind in diesem Gesetz bereits Ausnahmen benannt, etwa für Rettungsdienste, Krankenhäuser, Theater oder Landwirtschaftsbetriebe. Das Arbeitszeitgesetz ermächtigt außerdem die Bundesländer, unter bestimmten Voraussetzungen weitere Ausnahmeregelungen zu treffen.

Was steht in der hessischen Regelung?

Die hessische CDU/FDP-Regierung wollte 2011 Branchen eine feste Regelung geben, die bis dahin nur mit Ausnahmegenehmigung sonntags gearbeitet hatten. Das betraf Callcenter, Versandhandelsfirmen, Immobilienmakler, Musterhaus-Ausstellungen, Bibliotheken und Videotheken. Für die Videotheken hatten sich besonders die Liberalen eingesetzt. Brauereien sowie Getränke- und Eishersteller dürfen in der Hauptsaison von April bis Oktober acht Stunden arbeiten. Die hessische Verordnung ändert nichts an Ladenöffnungszeiten, es werden auch nicht mehr verkaufsfreie Sonntage geschaffen.

Wer muss in Deutschland sonntags arbeiten?

Krankenschwestern, Kellner, Busfahrer, Feuerwehrleute, Journalisten - das Arbeitszeitgesetz zählt eine ganze Reihe von Wirtschaftsbereichen auf, die vom Sonn- und Feiertagsschutz ausgenommen sind. Dazu kommen die Sonderregelungen in den Bundesländern.

Wie viele Menschen arbeiten in Deutschland an Sonn- und Feiertagen?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes arbeitete 2013 mehr als jeder vier Beschäftigte (28 Prozent) gelegentlich oder regelmäßig am Wochenende. Im Jahr davor waren es 28,6 Prozent. Zum Vergleich: 1992 lag der Anteil der Wochenendarbeiter noch bei 20,6 Prozent.

Gibt es auch Vorteile der Sonntagsarbeit?

Laut Arbeitszeitgesetz muss Arbeitnehmern, die an einem Sonntag beschäftigt werden, binnen zwei Wochen ein Ersatzruhetag gewährt werden. Das kann dann auch mal ein freier Donnerstag sein - gut für Behördengänge und Arztbesuche. Dazu kommen Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, die in Tarifverträgen geregelt sind.

Was muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden?

Das Gericht muss prüfen, ob das Land Hessen berechtigt war, in einer Verordnung weitreichende Regelungen zur Arbeit am Sonntag zu treffen - oder ob die Einschnitte so tiefgreifend sind, dass sie nur die Bundesregierung hätte vornehmen dürfen. Mit dieser Begründung hatte in der Vorinstanz der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) wesentliche Teile der Bedarfsgewerbeverordnung für unwirksam erklärt.

Welche Auswirkungen könnte das Leipziger Urteil haben?

Sollten sich die Bundesrichter dem VGH Kassel anschließen, würde konkret die hessische Verordnung nicht gelten und müsste überarbeitet werden. Fast alle anderen Bundesländer haben ähnliche Verordnungen, die aber nicht juristisch angegriffen wurden und somit in Kraft sind. Es dürfte eine politische Diskussion über die Sonntagsruhe geführt werden.

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