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Der 23-jährige Dossou musste deshalb auf sehr alte Texte zurückgreifen, um seine Übersetzungssoftware zu füttern.

© Christina Kuhaupt

„Wir wollten etwas machen, das noch niemand gemacht hatte“: Wie ein Bremer Student mit KI eine Übersetzungssoftware entwickelte

Weil er seine Mutter nicht verstehen konnte, entwickelte Bonaventure Dossou ein selbstlernendes Übersetzungsprogramm.

Wer Englisch, Französisch oder Russisch nicht versteht, kann zwischen verschiedenen Übersetzungsprogrammen auswählen, die Abhilfe schaffen. Für viele afrikanische Sprachen gilt das jedoch nicht. Das musste auch Bonaventure Dossou feststellen, der an der Bremer Jacobs University den Master-Studiengang „Data Engineering“ studiert. Weil er Probleme hatte, die Sprache seiner Mutter zu verstehen, entwickelte der 23-Jährige kurzerhand selbst eine Übersetzungssoftware mit künstlicher Intelligenz.

Bonaventure Dossou wuchs vor allem mit Französisch auf, der Amtssprache seines Heimatlands Benin. Seine Mutter aber spricht nur die Sprache Fon. Auf Fon kennt Dossou nur einige Grundvokabeln, erzählt er: „Die Begrüßung, die Bitte, was ich einkaufen soll, solche Dinge verstehe ich, aber vieles andere nicht – und meine Mutter spricht oft in bildlichen Ausdrücken und Redewendungen.“

Sprachnachrichten von der Mutter nicht verstanden

Sein Vater sprach Französisch mit ihm, auch in der Schule wurde Französisch gesprochen. „Nach sechs Schultagen pro Woche und einem langen Heimweg war ich meist erst am späten Abend zu Hause, da blieb nicht mehr viel Zeit“, erzählt er. „Deshalb habe ich nicht so viel Fon mitbekommen.“ Dass Dossou als 17-Jähriger mit einem Stipendium zum Mathematik-Studium nach Russland ging, machte die Verständigung nicht einfacher. „Meine Mutter hat mir Sprachnachrichten aufs Handy geschickt, die ich meist nur zum Teil und oft auch gar nicht verstanden habe“, erzählt er. Dann bat er seine Schwester, die weiterhin in Benin lebt, um Hilfe beim Übersetzen. „Es gab viele Missverständnisse und zum Teil auch Diskussionen zwischen meiner Mutter und mir, weil ich ihre Nachrichten nicht verstanden habe“, erzählt er.

Große Hilfe waren Wissenschaftler aus der ganzen Welt

Die Kommunikationsprobleme mit seiner Mutter waren für den Sohn der Ausgangspunkt, etwas zu tun. Mit seinem Freund Chris Emezue aus Nigeria, mit dem er an der Universität der russischen Stadt Kasan studierte, begann Bonaventure Dossou, eine Software zu entwickeln, die von Fon ins Französische und umgekehrt übersetzt.

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Bei ihrem Projekt mussten sich die Hobbytüftler mit vielen Hindernissen herumschlagen. Trotz bestehender Übersetzungsprogramme für größere Sprachen habe es keine Vorbilder gegeben, an denen man sich orientieren konnte, erzählt Bonaventure Dossou: „Wir wollten etwas machen, das noch niemand gemacht hatte.“ Eine große Hilfe seien aber Wissenschaftler aus der ganzen Welt gewesen, die aktuell an Übersetzungsprogrammen für andere afrikanische Sprachen arbeiten. Online waren die beiden in Kontakt mit Forschern aus Südafrika, Deutschland oder Nigeria.

Programmentwickler griffen auf Bibelausschnitte zurück

Ein Problem war, dass Fon zwar in Benin zu den am meisten gesprochenen Sprachen gehört, aber, wie die meisten der rund 2000 afrikanischen Sprachen, keine Schriftsprache ist. Deshalb gibt es nur wenige Texte auf Fon, welche die Software mit Inhalt befüllen können. Die lernende Software funktioniert mit Künstlicher Intelligenz, sie muss ständig mit neuen Daten gefüttert und im Satzbau trainiert werden.

Aus der Not heraus griffen die jungen Programmentwickler zum Teil auf sehr alte Texte zurück: Bibelausschnitte, die von Missionaren auf Fon übersetzt wurden. „Und wir haben viele Begriffe manuell eingetragen“, sagt der Student – eine mühsame Arbeit. Doch sie scheint sich zu lohnen.

„Alle im Benin interessieren sich dafür!“

Auf die Frage, ob er viele Rückmeldungen von Landsleuten bekommt, die gern seine Software nutzen würden, lacht Dossou: „Alle im Benin interessieren sich dafür!“ In einigen Ländern und Kreisen könnte man den Studenten wohl als Berühmtheit bezeichnen. Die BBC berichtete über ihn ebenso wie das Fernsehen im Benin und andere afrikanische Medien. Von der Regierung im Benin wurden sie aber nicht finanziell unterstützt, sagt Bonaventure Dossou.

Momentan ist die Sprach-Software von Ezueme und Dossou noch in Arbeit. Die beiden Studenten waren aber nach Angaben der Jacobs University schon eingeladen, ihre Arbeit auf zwei der weltweit größten Konferenzen zu Künstlicher Intelligenz und Computerlinguistik vorzustellen– in Äthiopien und in den USA.

Handy-Tastatur für afrikanische Sprachen entwickelt

Fertig ist bereits ein anderes Hilfsmittel, das Bonaventure Dossou gemeinsam mit seinen Freunden Fabroni Yoclounon und Ricardo Ahouanvlame geschaffen hat. Die drei haben eine Handy-Tastatur für afrikanische Sprachen entwickelt, die im Google Play Store verfügbar ist. Zuvor habe seine Mutter ihm nur Sprachnachrichten schicken können, weil das Schreiben auf Fon viele Akzente und Sonderzeichen benötigt, die normale Tastaturen nicht bieten, sagt Dossou. Deswegen sei eine solche Tastatur sehr wichtig.

Das Programmieren hat der Student sich selbst beigebracht, sagt er, mit Anleitungen aus dem Netz. Der 23-Jährige gibt Sätze von sich wie: „Ich versuche, meine Zeit so effektiv und sinnvoll wie möglich zu nutzen.“ Nachts schlafe Dossou oft nicht viel, insgesamt gehe er nur wenig aus. Für die Zukunft hat der Student einiges vor. Mit seinem Freund Chris Emezue, der inzwischen in München studiert, arbeitet er an einer Version ihrer Software, die aus Fon in Igbo übersetzt.

Igbo ist eine der Hauptsprachen Nigerias und wird von 18 bis 25 Millionen Menschen gesprochen. „Und ein Programm für Igbo – Wolof wäre der nächste Schritt“, sagt Dossou. Wolof ist vor allem im Senegal verbreitet, etwa 80 Prozent der Senegalesen sprechen Wolof als Mutter- oder als Zweitsprache.Was seine Mutter zu den digitalen Erfindungen ihres Sohnes sagt? „Sie ist total stolz“, sagt Bonaventure Dossou.

Sara S, ermann

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