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Syrische Kinder stehen in einem verschneiten Lager für syrische Binnenvertriebene. Der Wintereinbruch trifft sie am härtesten.

© Anas Alkharboutli/dpa

Wintereinbruch im östlichen Mittelmeerraum: Die Flüchtlingskinder trifft es am härtesten

Am östlichen Mittelmeer ist es so kalt wie seit 40 Jahren nicht mehr. Am schlimmsten leiden die Kinder in Flüchtlingslagern.

Die Zelte sind durchnässt und notdürftig mit zusätzlichen Planen abgedeckt. Im Schneematsch stehen Kinder in Gummistiefeln und schaufeln einen Pfad. Die Zustände in einem Flüchtlingslager in der syrischen Provinz Idlib zeigen, wie hart der heftige Wintereinbruch hunderttausende Flüchtlinge trifft. Die UN veröffentlichten Fotos aus dem Lager und sprachen von „Horror-Szenen“.

Das östliche Mittelmeer erlebt derzeit die schlimmste Kältewelle seit Jahren. Millionen Menschen von der Türkei und Griechenland bis nach Jordanien leiden unter Schnee, Eis und Minustemperaturen. Am härtesten trifft es die Flüchtlinge.

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Viele der rund drei Millionen Menschen in Idlib, der letzten Rebellenbastion im syrischen Bürgerkrieg, kämpfen schon in normalen Zeiten jeden Tag ums Überleben. Sie harren in Zelten oder halbfertigen oder zerstörten Häusern aus. Der Temperatursturz in den vergangenen Tagen hat alles noch schlimmer gemacht. Manche Kinder müssten in Sandalen durch den Schnee laufen, sagt Mark Cutts, bei den UN zuständig für die humanitäre Hilfe aus der Türkei nach Idlib.

Rund tausend Zelte seien zerstört oder beschädigt worden, sagte Cutts in einer Videokonferenz mit Journalisten. Alte und Kranke seien besonders gefährdet. Mancherorts müssten die Menschen den Schnee mit ihren bloßen Händen räumen. Cutts sagte, die Lager seien zu „Katastrophengebieten“ geworden.

Im syrischen Aleppo starben ein drei- und ein fünfjähriges Kind, weil ein Heizofen ihr Zelt in Brand setzte. In nordsyrischen Kastal Mikdad wurde ein Kind vom Gestänge erschlagen, als ein Zelt unter der schweren Schneelast zusammenbrach. Mindestens zwei Kinder kamen wegen lebensgefährlicher Unterkühlung ins Krankenhaus. Weil der Schnee die Zufahrtstraßen zu einigen Lagern blockiert, kommen Hilfslieferungen nicht durch.

Dieser orthodoxe Priester genießt in Athen die Freuden des Winters.
Dieser orthodoxe Priester genießt in Athen die Freuden des Winters.

© Louisa Gouliamaki/AFP

Dass es hunderttausenden Menschen am Nötigsten fehlt, liegt nicht nur am Krieg und an der Kälte, sondern auch daran, dass die internationale Gemeinschaft viel weniger Geld für die Winterhilfe in Syrien bereitgestellt hat, als nötig gewesen wäre. Nur etwas mehr als die Hälfte der 84 Millionen Dollar, die von den Vereinten Nationen für Decken, winterfeste Zelte und warme Kleidung in Syrien benötigt werden, ist bisher bei der Weltorganisation eingegangen.

Auch über den Libanon fegte in den vergangenen Tagen ein Wintersturm hinweg. Wegen der schweren Wirtschaftskrise in dem kleinen Land mit sechs Millionen Einwohnern gibt es bereits seit Monaten nur noch stundenweise Strom. Viele syrische Flüchtlinge und Libanesen können sich keinen Diesel-Treibstoff für private Generatoren leisten. Auch Feuerholz ist unerschwinglich geworden: Für eine Tonne Holz müssen nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AP inzwischen drei monatliche Mindestlöhne bezahlt werden. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 90 Prozent der rund 1,5 Millionen Syrer im Libanon in extremer Armut leben.

Auch Jordanien leidet unter dem Winter. Kalte Polarluft werde in den kommenden Tagen Schnee und Regen bringen, meldete die Zeitung „Jordan Times“.

Der vor drei Jahren neu eröffnete Istanbuler Flughafen musste wegen Eis und Schnee schließen

In einigen Ländern der Region sei es so kalt wie seit 40 Jahren nicht mehr, teilte die Hilfsorganisation Care mit. Die Temperaturen fielen demnach auf bis zu minus 14 Grad. Frauen und Kinder seien besonders gefährdet: „In kalten Winter sind die Mütter meistens die Letzten, die zu essen bekommen“, berichtete die Care-Beauftragte für die Türkei, Sherine Ibrahim. „Und die Kinder sind meistens die Ersten, die erfrieren.“

Während Länder wie der Libanon schon seit Tagen mit dem Winter kämpfen, wurden die Türkei und Griechenland am Montag von einer Schneefront aus dem Norden überwältigt. In der türkischen Metropole Istanbul mit ihren 16 Millionen Einwohnern tobte zeitweise ein Blizzard mit Gewitter, Sturm und Schnee. Einige Stadtteile meldeten Schneehöhen bis zu einem Meter.

Der erst vor drei Jahren als internationales Drehkreuz eröffnete neue Flughafen im Norden des europäischen Teils von Istanbul musste wegen Schnee und Eis schließen. Passagiere mussten stundelang in Maschinen warten, die wegen der verschneiten Startbahn nicht losfliegen konnten, bevor sie ins Flughafengebäude zurückkehren konnten. Am Fracht-Terminal brach ein Dach unter der Schneelast ein. Der Flughafen blieb auch am Dienstag geschlossen und sollte erst in der Nacht zum Mittwoch wieder öffnen. Hunderte gestrandete Fluggäste beschwerten sich im Terminal mit Sprechchören über ihre schlechte Unterbringung: „Wir wollen Hotels“, skandierten sie. Die Behörden schickten Bereitschaftspolizei in den Flughafen.

In Istanbul präsentiert sich die Blaue Moschee ganz in Weiß.
In Istanbul präsentiert sich die Blaue Moschee ganz in Weiß.

© REUTERS

Auch auf dem nördlichen Autobahnring Istanbuls kam der Verkehr zum Erliegen. Mehr als 5000 Autofahrer mussten aus ihren steckengebliebenen Fahrzeugen geholt werden. Einige von ihnen wurden in Moscheen untergebracht, andere saßen auch am Dienstag noch fest. Die Istanbuler Behörden erließen ein Fahrverbot für Privatwagen, um die Straßen zu entlasten. Ämter, Gerichte und Universitäten wurden geschlossen. Das Verkehrschaos hätte noch größer werden können, wenn die rund drei Millionen Schülern in Istanbul nicht gerade Winterferien hätten.

Der Schneesturm erfasste auch die griechische Hauptstadt Athen. Rettungsmannschaften und die Armee wurden aufgeboten, um tausende Autofahrer zu retten, die auf den verschneiten Straßen nicht mehr weiterkamen. Am Dienstag warteten nach Regierungsangaben immer noch mehr als tausend Menschen auf dem Autobahnring um Athen in ihren Fahrzeugen. Das griechische Parlament und die Schulen im Großraum Athen wurden geschlossen. In einigen Teilen der Hauptstadt fiel der Strom aus. Selbst auf einigen griechischen Urlaubsinseln wie Mykonos fiel in den vergangenen Tagen Schnee.

Auch am Dienstag war die Gefahr noch nicht gebannt: Die Türkei und Griechenland bereiteten sich auf neue Schneefälle und Minustemperaturen vor. Im Osten der Türkei könnten die Temperaturen auf bis zu minus 20 Grad fallen.

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