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Mit Wasser und Bagger gegen die Lava: Das Großreinemachen hat begonnen.

© Feuerwehr La Palma (2)

Wiederaufbau auf La Palma: Aus der Asche

Die Einwohner der Kanareninsel La Palma dürfen an ihre Häuser zurück – und nebenher sprießen überraschende Geschäftsideen.

Rote Punkte an den Fassaden werden im Katastrophengebiet von La Palma zum Zeichen der Hoffnung. Sie signalisieren, dass die Gebäude nicht einsturzgefährdet sind. Und dass die Bewohner jetzt, nach dem Ende des monatelangen Vulkanausbruchs auf der spanischen Kanareninsel, in ihre Häuser zurückdürfen. „Das ist die beste Nachricht im neuen Jahr“, freuen sich Carmen und Benigno, die nach mehr als drei Monaten in einer Notunterkunft wieder vor ihrer Haustür in der Nähe des Ortes El Paso stehen. Um sie herum ist alles grau von der Vulkanasche, die seit September herunterregnete und den normalerweise grünen Berghang in eine Mondlandschaft verwandelte.

Carmen und Benigno werden von einem Team des spanischen Fernsehens begleitet, das live von der Rückkehr der Menschen in ihre eigenen vier Wände berichtet. Auch zwei Beamte des Katastrophenschutzes sind dabei, die als erstes durch die Tür gehen und mit piepsenden Gasmessgeräten die Räume inspizieren.

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Auch gut zwei Wochen nachdem der Vulkanausbruch von den Behörden offiziell für beendet erklärt worden ist, stößt der nur wenige Kilometer entfernte Krater noch giftige Gase aus. Genauso wie die zunehmend erkaltenden Lavaflüsse, die sich nicht weit vom Haus entfernt ins Tal wälzten und ganze Dörfer unter sich begruben.

Die Katastrophenschützer heben die Daumen. „Die Luftqualität im Haus ist gut“, sagen sie. Carmen und Benigno dürfen eintreten. „Ein großartiger Augenblick“, rufen die beiden mit Tränen in den Augen. Sie hatten kaum noch zu hoffen gewagt, dass der Vulkan ihr Eigenheim verschonen würde. Doch das Wunder geschah.

Nicht alles ist für immer verloren

Auf der Straße stehen Bauschutt-Container. Ein Heer von Helfern säubert mit Besen und Schaufeln Hausdächer, Terrassen und Gärten. Mancherorts liegt die Vulkanasche meterhoch. Die Container sind schnell gefüllt. Viele tausend Kubikmeter an Vulkanstaub sind schon eingesammelt worden. Die Asche könne recycelt und als Material für den Häuser- und Straßenbau genutzt werden, sagt Gonzalo Pascual, der auf La Palma für die Baupolitik zuständig ist. Auch in der Landwirtschaft, etwa beim Weinanbau, seien die mineralienreichen Vulkanrückstände nützlich.

Insgesamt 1700 Menschen, die nach dem heftigen Vulkanausbruch Mitte September evakuiert wurden, durften in den letzten Tagen zurückkehren. Weitere 5000 Bewohner, die damals fliehen mussten, wissen noch nicht, wie es weitergeht. Viele von ihnen mussten mitansehen, wie ihre Wohnhäuser von der Lava plattgewalzt wurden.

Doch nicht alles, was unterging, ist für immer verloren. Im Ort La Laguna, der nur teilweise von den Vulkanmassen begraben wurde, kämpfen inzwischen städtische Arbeiter mit Bagger, Bulldozer und Presslufthammer gegen die Hinterlassenschaften des Vulkans. Sie versuchen, die Straße zu den Nachbarorten Tazacorte und El Paso von der meterhohen schwarzen Lavaschicht zu befreien.

Auch schweres Gerät kommt zum Einsatz.
Auch schweres Gerät kommt zum Einsatz.

© Feuerwehr La Palma

Meter für Meter brechen sie dicke Brocken aus der Lavadecke, die hier stellenweise immer noch bis zu 200 Grad heiß ist. Immer wieder müssen die Arbeiten wegen der Hitze unterbrochen werden. Aus Schläuchen werden Wassermassen auf die Lava gegossen, um die Temperatur auf ein erträgliches Maß zu senken. Es wird noch Wochen dauern, bis die Straße wieder frei ist. „Diese Arbeiten hier dienen uns als Test für Einsätze in anderen Orten, die ebenfalls verschüttet wurden“, sagt Borja Perdomo, Vizechef der Inselregierung. 70 Kilometer Straßen wurden von den bis zu 50 Meter hohen Lavaströmen bedeckt. Auch der Bau von Tunneln oder der Einsatz von Sprengstoff wird nicht ausgeschlossen, um die Verkehrsverbindungen wieder herzustellen.

Die Natur ist widerstandsfähig

Während die Rückkehrprogramme für die Evakuierten und der Wiederaufbau der Infrastruktur anlaufen, gibt es noch weitere Zeichen der Hoffnung auf der Insel. So haben die Regierung und die Europäische Union großzügige Hilfen in Höhe von insgesamt 600 Millionen Euro zugesagt, um die Zerstörungen zu beseitigen.

Auch die herrliche Naturlandschaft rund um den Feuerberg erweist sich als erstaunlich widerstandsfähig: Etliche kanarische Kiefern, die im Vulkangebirge Cumbre Vieja wachsen und von der glühend heißen Lava in Brand gesteckt wurden und wie Fackeln brannten, schlagen schon wieder aus. Zugleich sprießen auf der vulkanischen Insel, die den schlimmsten Ausbruch der vergangenen 500 Jahre erlebte, erstaunliche Geschäftsideen: Ein Wein, der auf der Insel mit dem Etikett „Cumbre Vieja“, dem Namen des Vulkanbergs, vertrieben wird, wurde zum Hit und ist ausverkauft. Auf ähnlichen Erfolg hofft eine Plattform, die jetzt Meersalz, Bananen und andere Inselprodukte mit dem Slogan verkauft: „Unter der Asche gibt es reichhaltiges und geschmackreiches Leben.“

Sogar Vulkansteine und Vulkanasche werden nun im Internet – ähnlich wie einst die Splitter der gefallenen Berliner Mauer – zum Verkauf angeboten. Säuberlich abgepackt in durchsichtigen Plastiktüten. „50 Gramm Asche vom Vulkan auf La Palma“, heißt es zum Beispiel in einer Kleinanzeige. Der stolze Preis für das Tütchen mit angeblich echtem Vulkansand: 20 Euro.

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