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Eine Bechsteinfledermaus verlässt ihre Höhle.

© Dr. Renate Keil/BUND-Fledermauszentrum Hannover/dpa

Widerstand gegen Waldrodung: Wie eine Fledermaus die Rodung des Hambacher Forstes verhindert

Die Bechsteinfledermaus hat geschafft, was Tausende Demonstranten nicht konnten: die Rodung im Hambacher Forst stoppen. Was ist das für ein Tier?

Ein dichtes Fell, aus dem sich ein spitzbübisches Gesicht mit lustigen Knopfaugen und übergroßen Ohren neugierig umschaut – auf den ersten Blick sieht eine Bechsteinfledermaus nicht gerade wie ein Widersacher eines großen Energiekonzerns aus. Und doch gelang diesen gerade einmal zehn Gramm schweren Winzlingen etwas, woran vorher viele Tausend Demonstranten und Umweltaktivisten gescheitert waren: Die kleinen Fledermäuse verhindern zumindest vorerst, dass der Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen gerodet wird, um Platz für den Braunkohletagebau zu machen.

Weil Bechsteinfledermäuse zusammen mit Seeadlern, Fischottern und anderen Arten ganz oben auf der Rangliste des Naturschutzrechtes stehen, hat das Oberverwaltungsgericht Münster das Abholzen der Heimat dieser Tiere bis zum Hauptverfahren zunächst einmal verboten.

Dabei lieben diese Fledermäuse große Auftritte im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit überhaupt nicht. Wie alle Flattertiere in Mitteleuropa fliegen auch Bechsteinfledermäuse am liebsten im Dunkeln. Und weil sie das auch noch praktisch ausschließlich im düsteren Wald tun, wissen selbst gestandene Fledermausforscher erstaunlich wenig über diese Art. Über eines aber sind sich alle einig: Diese Waldgeister verlieren ihre Heimat. Dabei gibt es in Mitteleuropa doch sehr viele Wälder. „Nur ist in vielen Forsten totes Holz Mangelware“, erklärt Sebastian Kolberg, der beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) nicht nur Referent für Artenschutz, sondern auch Fledermausexperte ist.

Ein Baum reicht nicht - es sollte schon ein Wald sein

Gemeint sind damit nicht etwa die morschen Ästchen, die der letzte Sturm auf den Waldboden geblasen hat, sondern uralte Buchen und Eichen, von denen große Teile bereits tot sind. Dort, wo ein starker Ast abgebrochen ist, gibt es im Astloch eine Höhle, in der die Weibchen ihren Nachwuchs großziehen. „Mit einer solchen Höhle allein geben sich die Fledermausmütter aber nicht zufrieden, sondern ziehen immer wieder einmal um“, berichtet Sebastian Kolberg. Ein alter Baum genügt den Tieren also keineswegs, es sollte schon ein Wald wie der Hambacher Forst mit seinen bis zu 350-jährigen Stieleichen und Hainbuchen sein.

Bei solchen Umzügen klammert sich das Fledermausbaby an den Bauch der Mutter, saugt sich an speziellen Haltezitzen fest und wird so in das neue Kinderzimmer geflogen. Solche „Wochenstuben“ sind eine Art Fledermaus-Kindergarten, in dem etliche Fledermäuse ihren Nachwuchs großziehen. In der Nacht lassen die Mütter ihre Kleinen dort allein, die sich dicht aneinanderdrängen und so gegenseitig wärmen. Die Mütter fliegen derweil durch das dunkle Geäst und orientieren sich mit relativ leisen Rufen im Ultraschallbereich. Das Echo dieser Rufe verrät ihnen, wo Äste im Weg sind, um die sie geschickt herumkurven.

„Ihre Beute finden sie manchmal auch ohne eigene Rufe, weil sie mit ihren großen Ohren das leise Rascheln von Insekten und Spinnen hören, die im Blätterdach oder am Waldboden unterwegs sind“, erklärt Nabu-Experte Sebastian Kolberg. Vor allem erwischen Bechsteinfledermäuse anscheinend Schnaken und Schmetterlinge, holen sich aber auch Käfer und Spinnen, die über Blätter oder auf dem Waldboden laufen.

Die Gesetze schützen die kleinen Fledermäuse besonders gut

Dabei sind die Weibchen auf reiche Beute angewiesen. Schließlich braucht der Nachwuchs viel Milch, um schnell zu wachsen und um bereits sechs Wochen nach der Geburt entwöhnt zu werden. Im Winter suchen die Tiere sich dann eine Felsenhöhle oder einen kühlen Keller und verschlafen dort die kalte Jahreszeit, in der sie nichts zu fressen finden. Dabei fällt die Körpertemperatur auf zwei bis zehn Grad ab und der Organismus läuft auf extremer Sparflamme, damit die Fettvorräte aus dem Herbst bis zum Frühjahr reichen.

„In diesen Höhlen sollte es dauernd kühl und feucht sein, damit die empfindlichen Flughäute der Fledermäuse geschmeidig bleiben“, erklärt Kolberg. Im Sommer schlafen die Männchen tagsüber dagegen oft unter der aufgesprungenen Borke eines alten Baumes. Dort aber würden im Winter die Temperaturen bei einem Warmlufteinbruch rasch steigen. Das aber würde die Fledermäuse wecken. Beim Aufwachen verbrauchen die Tiere viel Energie, die sie sinnlos verpulvern würden, weil auch bei starken Warmlufteinbrüchen im Winter kaum Insekten unterwegs sind und die Fledermäuse hungern würden. In ihrer Höhle oder in einem Keller aber bleibt es auch dann kühl und die Tiere schlafen, bis es im Frühjahr wieder Insekten gibt.

Weil die Bechsteinfledermaus ungern weite Wanderungen macht, sollten die alten Wälder mit vielen Baumhöhlen und die Felsenhöhlen oder Keller nicht zu weit auseinanderliegen. Solche Kombinationen aber sind sehr selten geworden und sichern damit der Bechsteinfledermaus einen Platz weit oben auf den Roten Listen der bedrohten Arten. Genau deshalb schützen die Gesetze die kleinen Fledermäuse und ihre Heimat besonders gut. Darauf haben sich die Richter am Oberverwaltungsgericht Münster gestützt.

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