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So geht die Wechselatmung. Guru Baba Ramdev (l.) übt gemeinsam mit dem muslimischen Mufti Shamoon Qasmi.

© dpa

Welt-Yoga-Tag: Herabschauender Hund für alle

Indien feiert am Sonntag zum ersten Mal den Welt-Yoga-Tag. Die Veranstaltung ist auch ein außenpolitischer PR-Coup und soll das Land besser dastehen lassen.

Haryanas Ministerpräsident Manohar Lal Khattar kniet auf allen vieren. Die Zunge rausgestreckt, die Augen aufgerissen, hechelt er vor sich hin. In ähnlich ungewöhnlicher Pose präsentierte sich auch sein Amtskollege in Madhya Pradesh nun der Presse. Die Arme hoch über den Kopf gehoben, den Blick fest in die Ferne gerichtet, balancierte Shivraj Singh Chouhan tapfer vor den Kameras auf einem Bein.

Die beiden sind nicht die einzigen Spitzenpolitiker Indiens, die sich öffentlich verrenken. Im ganzen Land mühen sich Beamte und Politiker seit Wochen, gängige Yoga-Posen zu lernen. Am Sonntag begeht die Welt den Ersten Internationalen Yoga-Tag, den die UN auf Vorschlag von Indiens Premierminister Narendra Modi ausrief. Und Modi und seine Hindu-Partei BJP haben nicht nur Schulen, sondern auch Beamte und Politiker zum Mittun verdonnert.

In 192 Ländern weltweit wird es Yoga- Events geben, allein am Times Square in New York werden 30.000 Yogis erwartet. In Indien sind 100-000 Veranstaltungen geplant. Highlight ist ein Megaspektakel in Delhi, das als „größte Yogaklasse der Welt“ das Guinness-Buch der Rekorde erobern soll: Auf der Paradeallee Rajpath sollen 40.000 Menschen unter Leitung von TV-Guru Baba Ramdev Posen, Asanas genannt, wie „Herabschauender Hund“ oder „Kobra“ praktizieren.

Doch nicht alle Staatsdiener tun sich leicht auf der Yogamatte. Indiens Beamte und Politiker stehen nicht im Ruf, auffällig sportlich zu sein. Es gilt als Privileg, einem eher gemächlichen Lebensstil zu frönen. Whisky und Butterhühnchen schlagen sich auch in Pfunden nieder.

Modi selbst ist dagegen ein begeisterter Yoga-Jünger. Angeblich beginnt er jeden Tag mit einer 20-minütigen Meditation. „Indiens Geschenk“ an die Welt nennt er die tausende Jahre alte Heilslehre stolz, die tief in Indiens Gesellschaft verwurzelt ist. Er berief sogar einen eigenen Yoga-Minister in sein Kabinett.

Friede, Harmonie, Respekt

Der Weltyoga-Tag ist auch ein außenpolitischer PR-Coup. Zuletzt hatte Indien eher mit negativen Schlagzeilen von sich reden gemacht, vor allem eine Serie brutaler Vergewaltigungen hat den Ruf schwer angekratzt. Yoga steht dagegen für Werte wie Friede, Harmonie und Respekt. Was böte sich da mehr an als der erfolgreichste Kulturexport des Subkontinents, um für Indien zu werben und Sympathie zurückzugewinnen.

Kaum etwas hat der Westen so stürmisch umarmt wie die alte indische Wellness-Lehre. Unzählige Promis schwören auf Yoga. Dazu zählen Madonna, Julia Roberts, Jennifer Aniston und Gwyneth Paltrow, um nur wenige zu nennen. Es gibt verschiedene Yoga-Schulen und im Westen auch immer neue Varianten: von Hot- über Schnee- und Hunde- bis Nackt- Yoga.

Wurde Yoga im Westen erst belächelt, ist sein gesundheitlicher Nutzen heute unbestritten. Yoga ist kein Sport. Es ist eine ganzheitliche Lehre, die Atemübungen, Meditation, Ernährung und Philosophie umfasst. Ziel ist es, Harmonie und ein höheres Bewusstsein zu erlangen. Yogis glauben, dass jedem Menschen eine Lebensenergie, Kundalini genannt, innewohnt. Diese wird durch eine eingerollte Schlange symbolisiert. Yoga soll in der Lage sein, diese Schlange zu erwecken.

Doch ausgerechnet im Geburtsland Indien sorgt der Welt-Yoga-Tag für unharmonische Konflikte. Die Opposition verreißt das Happening als Werbegag. Teile der religiösen Minderheiten wittern hinter dem Yoga-Tag den Versuch der Hindu-Regierung, das Land zu hinduisieren.

Indiens Minderheiten

Tatsächlich kommt der Yoga-Tag in einer Zeit, in der sich Christen und Muslime um ihren Platz in Indiens Gesellschaft sorgen. Seit Modi im Frühjahr 2014 gewählt wurde, provozieren Hindu-Fanatiker mit hetzerischen Vorstößen. So forderten sie, Yoga müsse verpflichtend in den Schulen eingeführt werden. Der Hindu- Priester Yogi Adityanath legte allen, die gegen Yoga seien, sogar nahe, „das Land zu verlassen oder sich selbst im Meer zu ertränken“.

Das brachte Teile der Muslime in Rage. „Dies ist eine Kampagne, um allen Nicht- Hindus hinduistische Rituale aufzuzwingen“, glaubt Abdul Rahim Qureshi vom Indischen Rat für islamisches Personenrecht. So sei etwa der Sonnengruß Muslimen verboten, weil sie sich nur vor Allah verneigen dürfen. Auch die katholische Kirche kritisierte den Yoga-Tag – weil der 21. Juni in diesem Jahr auf den „heiligen“ Sonntag fällt. Dies könne Christen Probleme bereiten.

Modi bemüht sich, den Streit zu entschärfen. Um Muslime nicht auszugrenzen, wurde der Sonnengruß aus dem Programm gestrichen. Yogis schütteln über die Streitereien ohnehin den Kopf. Yoga sei nicht religiös, sagen sie. Der Streit sei ein künstlicher. Auch viele Muslime in Indien praktizieren Yoga. Einer von ihnen ist Mufti Shamoon Qasmi, der Generalsekretär des Gesamtindischen Imam-Verbandes. Bei Yoga gehe es nicht um irgendeine Religion, stellt er klar.

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