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Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Charité Berlin.

© imago images/photothek/Janine Schmitz

Was Christian Drosten nachts wach hält: „Für viele Deutsche bin ich der Böse, der die Wirtschaft zerstört“

Er ist der bekannteste Virologe Deutschlands. Einer britischen Zeitung erzählt Christian Drosten, warum ihm diese Rolle manchmal zu schaffen macht.

Der Charité-Chefvirologe und Coronavirus-Experte Christian Drosten informiert die deutsche Bevölkerung - und die Regierung - regelmäßig über virologische Zusammenhänge. Er ist in den letzten Monaten zum bekanntesten Virologen des Landes geworden. Im Interview mit der britischen Zeitung "The Guardian" erzählte er, wie belastend diese Position manchmal sein kann.

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"Für viele Deutsche bin ich der Böse, der die Wirtschaft zerstört", sagte Drosten. "Ich bekomme Todesdrohungen, die ich der Polizei weitergebe." Viel mehr als diese Drohungen würden ihn aber die anderen E-Mails beschäftigen, in denen Menschen ihm schreiben, dass sie drei Kinder haben und sich Sorgen um ihre Zukunft machen.

"Das ist nicht meine Schuld, aber diese Mails lassen mich nachts nicht schlafen", sagte der Virologe. Zuvor hatte er erklärt, dass in Deutschland gerade das sogenannte "Präventionsparadox" zu beobachten sei. Deutschland habe früh auf die Epidemie reagiert und so bisher eine dramatische Situation verhindern können - was nun aber von vielen als Anzeichen dafür gesehen werde, dass die ergriffenen Maßnahmen überzogen gewesen seien.

Lob für Angela Merkel

"In Deutschland sehen die Menschen, dass die Krankenhäuser nicht überlastet sind und sie verstehen nicht, warum sie ihre Läden zumachen müssen", sagte Drosten. Diese Menschen würden nur auf die Situation in Deutschland schauen und nicht auf die Ereignisse beispielsweise in New York oder Spanien.

Er mache sich Sorgen, dass die einzelnen Bundesländer die von Bund und Ländern beschlossenen Lockerungen der Maßnahmen eigenwillig auslegen. "Ich befürchte, dass wir viel Kreativität bei der Interpretation dieses Plans sehen werden", sagte Drosten. Die Reproduktionszahl könnte dann wieder steigen und es zu einer zweiten Infektionswelle kommen.

Drosten lobte im Interview die Kanzlerin Angela Merkel als "extrem gut informiert". Es würde helfen, dass sie selbst Wissenschaftlerin ist und mit Zahlen umgehen kann, sagte Drosten auf die Frage, was Merkel zu einer guten Regierungschefin mache.

"Aber was am wichtigsten ist, ist ihr Charakter - ihre Nachdenklichkeit und ihre Fähigkeit, andere zu beruhigen", so Drosten. Es wäre eine der vielen Merkmale einer guten Regierungschefin oder eines guten Regierungschefs, die gegenwärtige Situation nicht als politische Möglichkeit zu betrachten, sondern zu wissen, wie kontraproduktiv das sei. (Tsp)

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