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Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg war ein halbes Pfund Butter purer Luxus.

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Warum auch Butter Luxus ist: Der Überfluss kann viele Formen annehmen

Goldene Toilette, Zeit oder ein halbes Pfund Butter: Eine Ausstellung in Leipzig nähert sich der Vorstellung von Luxus aus unterschiedlichen Perspektiven.

Die Magnum-Flasche Champagner wäre wohl zu offensichtlich gewesen, ebenso die XXL-Dose Kaviar. Um dem Geheimnis des Luxus auf die Spur zu kommen, steht immerhin eine goldene Toilette am Anfang der Ausstellung „Purer Luxus“, die derzeit im „Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig“ gezeigt wird.

Auch der Kinder-Mercedes mit Verbrennungsmotor, die längste Goldkordel der Welt, gefertigt im Familienunternehmen Wellendorff aus 700 Meter Golddraht, und Karl Lagerfelds Chanel-No.-5-Kleid sind zu sehen. Nicht zu reden von Marlene Dietrichs Bühnenrobe, gefertigt aus den Brustfedern von 300 Schwänen, oder dem von Hand in der DDR nachgebauten Porsche. Wer nun denkt, hier könne man ungehemmt im Luxus schwelgen, muss bald erkennen, dass alles relativ ist. Plötzlich steht da in der Mitte eines Raumes, auf ein Podest gehoben – ein halbes Pfund Butter. In Zeiten der Not nach dem Krieg war auch das ein schwer erreichbarer Luxus, für den man schon mal kostbare Familienerbstücke eintauschte.

Was Luxus ist, hängt von der Zeit und den Lebensumständen ab. So wie das Wort „teuer“ ja nicht nur hochpreisig meint, sondern auch geliebt, wie in „mein teurer Freund“. Mit Luxus kann man angeben, kann in ihm schwelgen, ihn aber auch einfach still genießen.

Für den Obdachlosen mögen die vielen Tüten ein Luxus sein, die er auf dem Rad mit sich herumschleppt, anscheinend überflüssiger Ballast, der ihm gleichwohl ein Gefühl von Heimat schenkt. Trotzdem wirkt der Anblick des Rades, eine Skulptur des Künstlers Andreas Slominski, in diesem Kontext etwas verstörend.

Für das Mädchen in der DDR war es die Barbie-Puppe mit fluffigem Kleidchen, die der Onkel aus dem Westen schickte. Daran erinnert sich die Empfängerin von damals schwärmerisch in einem Video. Mit der einfachen Erreichbarkeit nach dem Fall der Mauer war das Luxusgefühl rasch dahin. Aber die Erinnerung blieb kostbar.

Natürlich spielt auch die erste Kreuzfahrt auf der „Hamburg“ eine Rolle, selbst in einer in der Badewanne nachgespielten Variante. Inzwischen ist diese Art zu reisen massentauglich und verliert deshalb den Luxus-Status. Und die Schildkrötensuppe, die in den 50er Jahren die Augen am Buffet gierig glänzen ließ, führt heute allenfalls in einer ökologisch korrekten Variante als Mockturtle Soup aus Rindfleisch ein Mauerblümchendasein.

Am Anfang stehen die Worte: "Luxus kann man nicht kaufen"

Die Spurensuche nach dem, was Luxus eigentlich ist zwischen den kleinen Freuden und der großen Gier, zwischen Prunk und Protz und Überdruss, führt irgendwann auch weg vom rein materiellen Glitzern, in Richtung Weisheit. Schließlich geht es nicht nur um schnöden Besitz, sondern auch um eine Sphäre, die die Menschen aus den Niederungen des reinen Überlebens erhebt und sie wachsen lässt an dem, was nicht dringend notwendig ist, aber das Leben schöner macht.

Angespielt wird das am Anfang mit den Worten: „Luxus kann man nicht kaufen.“ Das Pfund Butter konnte man kaufen, es hatte nur einen extrem hohen Preis. Aber natürlich gibt es auch immateriellen Luxus. Damit verabschiedet die Ausstellung ihre Besucher am Ende in einem Chill-Raum, der dem Thema „Zeit“ gewidmet ist. Wer sich diesen Luxus erlauben kann, verweilt dort acht Stunden lang in einer Geräuschkulisse, die der Komponist Max Richter nach allen Regeln der Entspannungskunst entworfen hat. Zeit zu haben – was für ein schwelgerischer Gedanke.

Danach folgt der Blick in die Zukunft. Was mag demnächst Luxus sein: der individuelle Helikopter? Oder doch ganz einfach nur Wasser? Der persönliche Assistenzroboter, die Reise ins All? Oder simple menschliche Nähe? Diese Vision korrespondiert mit jener anderswo im Raum ausgestellten Jacke, die mit Chips so ausgestattet ist, dass sie ihrem Träger das Gefühl vermitteln kann, gestreichelt zu werden. In Zeiten des digitalen Lebenswandels sieht die Designerin zärtliche Berührungen als Luxus. Zwischen dem unschuldigen Habenwollen und dem fortgeschrittenen Hedonismus spielen diese freilich keine Hauptrolle.

Die Frage nach dem Preis von Luxus erweist sich als relativ

Auch der Zoll hat seinen Beitrag zur Ausstellung geleistet. Bis in die Mitte der 70er Jahre hätte man den ausgestellten Elefantenfuß noch ganz legal als Luxustrophäe nach Hause bringen können. Heute schützen internationale Abkommen auch andere gefährdete Tiere wie Leoparden und Schlangen. Die Frage nach dem Preis von Luxus, nach den ökologischen Folgen der Wegwerfgesellschaft flackert immer mal wieder auf, und sie erweist sich ebenfalls als relativ und den Zeichen der jeweiligen Zeit unterworfen. Das ist der Vorzug dieser Ausstellung, dass sie Luxus weder verdammt noch verklärt, sondern ihm auf anregende Weise einen besonderen Platz im Leben der Menschen zuweist.

Auch Luxus hat Grenzen, wenn auch vielleicht nicht beim Preis. Eher geht es darum, was der Luxus als ästhetisches Erlebnis fürs Selbstwertgefühl tut. Kostbar kann ja vieles sein, was nicht unbedingt nötig ist zum Überleben. Manchmal entzaubert sich, was einst als Luxus galt, ganz von selbst.

Für diesen Showmantel von Marlene Dietrich mussten 300 Schwäne ihre Federn opfern.
Für diesen Showmantel von Marlene Dietrich mussten 300 Schwäne ihre Federn opfern.

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Das zeigt die Geschichte der Bundesrepublik. In den 50er Jahren galt vieles als Luxus, was später im Alltag selbstverständlich wurde, der Kühlschrank zum Beispiel, die Waschmaschine oder der Fernseher. Für Letzteren musste ein Durchschnittsverdiener 1952 noch 1000 Stunden arbeiten. Im Jahr 2017 reichten für den Erwerb eines Fernsehgeräts gut 24 Stunden. DDR-Bürger ackerten dagegen im Jahr 1985 für einen Farbfernseher noch 1008 Stunden an der Werkbank.

Dem Luxus in der DDR ist ein eigener Raum gewidmet, in dem auch Sonja Bernegger zu Wort kommt, die im Museum für Sauberkeit sorgt. „Wir sind ja ein ganz eigenes Völkchen“, sagt sie und macht klar, dass der Luxusbegriff in der DDR anders interpretiert wurde als im Westen. Dort, im Osten, konnte man – wie in einem Video zu sehen ist – mittels eines 50-DM-Scheins einen vollbeladenen Kieslaster von der Straße zum Abladen an die eigene Hausbaustelle lotsen. Von den Statussymbolen der Schönen und Reichen im Westen mag das weit entfernt sein – aber das Glück, das ein luxuriöser Moment im Leben bedeuten kann, steckte trotzdem darin. Reichtum ist eben relativ. Man muss ihn nur erkennen.

Mit einem Druck von 60.000 Bar und einer Temperatur von 1400 Grad Celsius lässt sich aus 500 Gramm menschlicher Asche ein Diamant schaffen.

Auch ein langer Urlaub kann Luxus sein

Worte weisen einen anderen Weg ins Innere des Begriffs Luxus. Das Wort „luxurieren“ beschreibt den Erfolg der äußeren Balzmerkmale beim anderen Geschlecht. Der Erfolg, den etwa der Pfau hat, wenn er sein Rad schlägt. Mahnend erscheint dagegen hinter einer Klappe die „Luxuria“, die als Wollust eine der sieben Todsünden darstellt.

Was ist Luxus? Die Protagonisten aus den Audio- und Videoaufnahmen nennen einen langen Urlaub, ein Haus mit Garten und, ja, auch die Demokratie. Die Besucher hinterlassen ihre Antworten, was denn zu viel Luxus sei, auf Zetteln, darunter diese: „Mit dem SUV zum Bäcker fahren.“ Geld allein trägt weder zum Glück noch zum Luxus substanziell etwas bei. Was würden Sie mit einem Lottogewinn von mehr als 37 Millionen Euro machen? Vor einer Box, die Besuchervorschläge schluckt, fragt Direktor Jürgen Reiche Passanten zur Abwechslung mal live. „Das möchten wir uns lieber nicht vorstellen“, antworten die.

Näher ist den Menschen wohl der Luxusbegriff, den ein noch junger Playboy Rolf Eden in einem alten Video vermittelt: „Das tun, wovon andere nur träumen. Und sich nicht zu ernst nehmen dabei.“ Die Ausstellung selbst korrigiert dieses Bild nur milde. Danach kann auch die Fähigkeit zu träumen ein Luxus sein. Luxus ist das nur scheinbar Überflüssige, das den Menschen auch zu einem besseren Menschen machen kann. Der Griff nach den Sternen mag als Luxus erscheinen, aber gäbe es den nicht, wäre die Steinzeit kaum überwunden worden.

Luxusunternehmen machen Produkte manchmal künstlich rar, um ihren Wert zu steigern. Ein aktueller Luxus – auch das darf man aus der Ausstellung mitnehmen – sind übrigens reiche Frauen. Eingraviert in einen Goldbarren ist dieses Faktum: „Nur zehn Prozent der reichsten Menschen weltweit sind Frauen.“

Die Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig läuft bis zum 13. April. Grimmaische Straße 8, geöffnet Di–Fr 9–18 Uhr, Sa, So, Feiertage 10–18 Uhr.

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