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31. Juli: Mit einem Großaufgebot von hunderttausenden Helfern versuchen die russischen Behörden die verheerenden Waldbrände im europäischen Teil des Landes in den Griff zu bekommen. Fast 240.000 Feuerwehrleute sind im Kampf gegen die Flammen im Einsatz, wie das Katastrophenschutzministerium mitteilte.

© dpa

Waldbrände: Russland: Voller Glut

Mehrere Tote und etliche verbrannte Dörfer: Inmitten einer Rekordhitze kämpft Russland mit Waldbränden und Stürmen. Rund 240.000 Feuerwehrleute sind im Einsatz. Wie schlimm ist die Lage?

Die Luft schmeckt brandig, sagt die Livereporterin vom Staatssender RTR. Und die Bilder bestätigen es: Dicker schwarzer Qualm liegt über der Stadt Woronesh. Und man hört das Knacken brennender Äste. Stunde um Stunde schiebt sich im Südosten eine Feuerwand immer dichter an die Stadt heran, erste Ausläufer der Flammen lecken bereits gierig nach den Häusern der Vorstädte.

Berichte aus dem Gebiet Woronesh, knapp 500 km südlich von Moskau, sehen derzeit aus wie Frontberichterstattung. In eilig zu Notfallstationen umfunktionierten Kulturhäusern drängen sich Menschen aus dem Umland, deren Dörfer von den Flammen bedroht sind oder bereits ihr Opfer wurden. Viele haben nur eine Tasche bei sich. Mit Dokumenten und dem, was sie gerade noch greifen konnten, bevor sie vor dem Feuer flüchten mussten. Apathisch sitzen sie da.

Es ist die schlimmste Waldbrandkatastrophe in Zentralrussland. Eine Region, die eigentlich zur gemäßigten Klimazone gehört, mit mäßig warmen, feuchten Sommern. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Schon Anfang Mai kletterte das Thermometer auf über 20 Grad und hat diese Marke seither nicht mehr unterschritten. Seit Anfang Juni haben sich die Temperaturen sogar bei rund dreißig Grad eingependelt, seit Anfang Juli fallen fast täglich Hitzerekorde, die vor 130 Jahren aufgestellt wurden, als Russland mit Wetteraufzeichnungen begann. In Moskau stiegen die Temperaturen auf fast 38 Grad. Menschen suchen in Springbrunnen mitten im Stadtzentrum Abkühlung, viele kampieren nachts auf den Grünflächen vor ihren Häusern. Sturmwarnungen und Regenmeldungen schrecken sie nicht. Meist treffen diese Vorhersagen nicht zu und wenn doch, dann ist die Luft inzwischen so heiß und trocken, dass die Tropfen verdampfen, bevor sie den Boden erreichen.

Noch schlimmer sieht es auf dem flachen Land aus. Das Getreide verdorrt auf dem Halm, höchstens kniehoch und ohne überhaupt Ähren angesetzt zu haben. Auch das Gras ist trocken wie Zunder. In der Teilrepublik Tatarstan trocknete sogar ein Nebenfluss der Wolga aus. In deren Delta bei Astrachan, wo Temperaturen weit über 40 Grad gemessen werden, brennt seit Juni das Schilf. Im Moskauer Umland entzündeten sich die Torfmoore, die nicht mehr bewässert werden. Die Luft im Zentrum ist so dick, dass man glaubt, sie mit Messern zerschneiden zu können.

Schon vor Wochen brannten auch die ersten Wälder. Betroffen sind vor allem die Regionen südöstlich von Moskau: Wladimir, Rjasan, Nischni Nowgorod und Woronesh. Bisher gelang es Feuerwehr, Katastrophenschützern und paramilitärischen Einheiten der Polizei jedoch stets relativ schnell, die Brandherde einzugrenzen. Das änderte sich schlagartig am Donnerstag, als sich böiger Wind aus der Arktis Richtung Süden aufmachte. Die Gesamtfläche der Brände nahm in einer einzigen Nacht um das Vielfache zu. Der Kreml und die Regierung traten zu einer Krisensitzung zusammen. Sie zählen die Verluste.

Allein in Zentralrussland brennen inzwischen 11 000 Quadratkilometer Wald. Das Feuer forderte laut Ministerium für Katastrophenschutz bisher 18 Tote, vor allem Feuerwehrleute, Dutzende wurden verletzt. Mehrere Walddörfer in den Gebieten Nischni Nowgorod und Woronesh brannten völlig nieder. Insgesamt wurden bisher über 350 Familien obdachlos.

„Die Lage ist tatsächlich sehr ernst“, sagte Präsident Dmitri Medwedew nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Er will nun auch die Armee zum Löschen einsetzen. Im ganzen Land sind Flugzeuge und Hubschrauber im Einsatz. Zugleich mussten die Behörden gegen Plünderungen kämpfen. Premier Wladimir Putin hielt zunächst eine Videokonferenz mit den Gouverneuren der Katastrophenregionen ab und brach danach Richtung Nischni auf, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Die Betroffenen und Obdachlosen sollen vom Staat Entschädigungen in Höhe von 200 000 Rubeln bekommen. Das sind umgerechnet rund 5000 Euro – damit lässt sich allerdings auch in Russland kein neues Haus bauen.

Versichert aber sind weder die Hausbesitzer noch die Bauern, denen die Ernte auf dem Halm verdorrt. Obwohl die Regierung seit mehreren Jahren mit teuren Aufklärungskampagnen dafür wirbt. Doch ein russisches Sprichwort lautet: Der Bauer bekreuzigt sich erst, wenn der Blitz eingeschlagen hat.

Zudem wurden bei einem schweren Sturm in der Region St. Petersburg sieben Menschen, davon zwei Kinder, von umstürzenden Bäumen erschlagen. Den immer wieder versprochenen Wetterumschwung sehen die Meteorologen inzwischen erst für Mitte August. Ultraorthodoxe Popen haben da ihre Zweifel. Gott strafe die Menschen für ihren lästerlichen Lebenswandel, erklärten sie gestern der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax.

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