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Vermummt verließ der 18-jährige Täter am Samstag den Gerichtssaal. Polizisten in Zivil mussten ihn schützen. Foto: Reuters

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Panorama: Verzweiflung und Wut

Acht Monate nach dem Tod einer indischen Studentin ist der erste Täter verurteilt worden.

Als der Richter das Urteil verkündet, bricht die Mutter des Opfers noch im Saal zusammen. „Drei Jahre für Vergewaltigung und Mord – da hätten sie ihn gleich freisprechen können“, schluchzt sie fassungslos. Auch der Vater ist außer sich. „In diesem Land ist es ein Verbrechen, als Mädchen geboren zu werden“, schreit er wütend. Acht Monate ist es her, dass die bestialische Gewalttat an einer 23-jährigen Inderin die Welt schockte. Am Samstag hat ein Gericht ein erstes Urteil gegen einen ihrer sechs Peiniger gefällt. Der 18-jährige Täter kommt mit drei Jahren Jugendheim davon, obwohl ihn das Gericht nicht nur der Vergewaltigung, sondern auch des Mordes für schuldig befand.

Doch den Richtern waren die Hände gebunden. Weil der Jugendliche zur Tatzeit noch 17 Jahre und damit minderjährig war, fällt er unter Jugendstrafrecht. Und dieses sieht in Indien eine Höchststrafe von drei Jahren Besserungsanstalt vor. Der Minderjährige und fünf andere Männer hatten am 16. Dezember 2012 die Medizinstudentin in einem fahrenden Bus in Delhi vor den Augen ihres Freundes vergewaltigt und mit einer Eisenstange gefoltert. Anschließend hatten sie ihr Opfer nackt und blutüberströmt auf die Straße geworfen. Die junge Frau erlag zwei Wochen später ihren schweren inneren Verletzungen.

Dabei soll der Jugendliche der brutalste der sechs Täter gewesen sein. Das kurze Strafmaß schockt nicht nur die Familie des Opfers. Auch Aktivisten und Frauenrechtlerinnen fürchten, dass die kurze Haftstrafe ein falsches Signal aussendet und Jugendliche noch zu Vergewaltigungen ermuntern könnte. Die Gewalttat hatte über Wochen Massenproteste ausgelöst. Wohlwissend, dass die kurze Haftzeit einen neuen Aufschrei der Wut provozieren könnte, hatten die Richter die Urteilsverkündung vier Mal verschoben.

Die Eltern hatten das Oberste Gericht angerufen und appelliert, den Jugendlichen angesichts der Schwere der Tat nach Erwachsenenrecht zu verurteilen. Die Eltern wollen nun das Urteil anfechten. „Sie sollen alle hängen“, fordern sie. Ein Täter war bereits im März im Gefängnis umgekommen. Man fand ihn erhängt in seiner Zelle. Offiziell handelt es sich um Selbstmord, seine Familie glaubt aber, dass es Lynchjustiz war. Die vier anderen volljährigen Täter im Alter von 19 bis 34 Jahren stehen gesondert vor Gericht. Ein Urteil gegen sie wird Mitte September erwartet. Sollten sie des Mordes schuldig befunden werden, droht ihnen die Todesstrafe.

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