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Noch ist nichts los auf Sylt, Aber das soll sich ab Mai ändern, so wünscht es sich zumindest die Tourismusindustrie.

© Carsten Rehder/dpa

Urlaub adé?: Wie deutsche Urlaubsregionen auf Besucher im Sommer hoffen

Was wird aus den Sommerferien? In Nord- und Süddeutschland laufen die Vorbereitungen trotz Corona-Krise. Der wichtigste Rat aber ist: Abwarten!

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Wandern auf Rügen, Surfen in St. Peter- Ording oder faul am Strand liegen in Timmendorf: Wer das momentan versucht, kommt nicht weit. Die Küsten an Nord- und Ostsee sind für die meisten Deutschen derzeit unerreichbar. Sowohl Schleswig-Holstein als auch Mecklenburg-Vorpommern haben umfangreiche Einreisebeschränkungen erlassen.

Wer sich dennoch mit auswärtigem Kennzeichen auf den Weg nach Norden macht, muss damit rechnen, von Einheimischen beschimpft und von der Polizei zurückgeschickt zu werden. Und auch in Süddeutschland, vom Coronavirus besonders stark betroffen, ist an Urlaub derzeit nicht zu denken.

Während die Politik angesichts der Pandemie auf Sicht fährt und sich alle Bestimmungen auch kurzfristig wieder ändern können, bleibt Urlaubern und Gastronomen nicht viel anderes übrig, als flexibel zu bleiben und abzuwarten – was besonders den Beherbergungsbetrieben und vielen kleinen Privatvermietern, die nicht von den Wirtschaftshilfen für mittelständische Betriebe profitieren, zunehmend schwerfällt. Wie lange dieser Zustand noch andauert, ist völlig unklar.

Glaubt man SPD-Politiker Karl Lauterbach, ist an Sommerurlaub an deutschen Küsten in diesem Jahr überhaupt nicht zu denken. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat nun gar vorgeschlagen, die Sommerferien zu verkürzen, damit Schüler verpassten Lernstoff nachholen könnten – Bildungspolitiker und -experten haben das fast unisono abgelehnt. Erholung sei „ein ganz wichtiger Faktor in so einem Stressjahr“, sagte SPD-Vizechef Kevin Kühnert.

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wollte der Tourismusbranche und urlaubsreifen Bürgern immerhin ein bisschen Hoffnung geben und erklärte, es stünde womöglich ein sehr erfolgreicher Sommer für den innerdeutschen Tourismus bevor – weil wegen Coronagefahr und geschlossener Grenzen Reisen etwa nach Italien, Frankreich oder Spanien wohl nicht möglich seien.

Die Branche hofft auf eine Lockerung ab Mai

„Wir sind komplett abhängig von den weiteren Entscheidungen der Politik“, sagt Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing Baden-Württemberg: „Wir warten sehr auf stufenweise Signale, wie es weitergeht.“ Mit einem Schlag wurde alles auf null heruntergefahren – „jetzt herrscht tote Hose“, sagt Braun. Buchungen für Pfingsten und den Sommer gebe es derzeit praktisch keine – und Braun rät auch: „Bitte abwarten, sonst hat man nur Ärger, wenn es nicht klappt.“

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Im Norden gehen Touristiker dagegen davon aus, dass ab Anfang Mai eine schrittweise Öffnung ihrer Bundesländer für den Tourismus kommt: „Ich glaube, dass wir in eine verantwortungsvolle Öffnung gehen können und müssen“, sagt etwa Catrin Homp, Geschäftsführerin des Tourismusverbands Schleswig-Holstein. „Wir hoffen spätestens zu den Ferien auf Gäste aus anderen Bundesländern“, sagt auch ihr Mecklenburger Kollege Tobias Woitendorf . Für die Sommerferien rechnet er mit einer starken Nachfrage, mahnt aber auch: „Allerdings werden es Reisen mit der Pandemie sein, sprich in einem besonderen Rahmen und sicher auch mit Grenzen.“ Der Tourismus werde Abstandsgebote und Hygieneregeln umsetzen müssen.

Bayern bereitet sich auf die Saison vor

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat am Freitag erste schrittweise Lockerungen angekündigt: So könnten zunächst die Zweitwohnungsbesitzer wieder ins Land gelassen werden, danach jene Urlauber, die Hotelaufenthalte gebucht haben – später wohl auch wieder Tagesausflügler. Auch Wassersport soll ab Anfang Mai wieder möglich sein. Allerdings: Alles unter dem Vorbehalt, dass sich die Infektionskurve weiter abflacht.

Auch in Bayern und Baden-Württemberg wird durchaus emsig am Wiederhochfahren des Tourismus gearbeitet. Barbara Radomski, Geschäftsführerin des bayerischen Tourismusverbands, beschreibt eine Drei-Stufen-Planung: „Jetzt ist Durchhalten angesagt, die Devise lautet: Das packen wir schon.“ In Stufe zwei, wenn allmählich unter vielen Auflagen der Betrieb wieder anläuft, wolle man sich auf bayerische Urlauber konzentrieren: „Die Leute werden dann erst einmal Tagesausflüge machen oder einen Kurzurlaub.“ Andreas Braun aus Stuttgart sieht es ganz ähnlich: „Viele Menschen werden sich vorsichtig herantasten.“ Baden- Württemberg werde den Nahurlaub dann gezielt bewerben. „Wir glauben, dass sich die Menschen erst einmal in der eigenen Region sicher und aufgehoben fühlen.“

Der Schwarzwald könnte von den eingeschränkten Reise-Möglichkeiten profitieren.
Der Schwarzwald könnte von den eingeschränkten Reise-Möglichkeiten profitieren.

© Philipp von Ditfurth/dpa

Zuerst gehe es um Aktivitäten in der Natur, nicht um Städtebesichtigungen oder Kulturveranstaltungen – die es bis auf Weiteres eh nicht gebe. „Der Schwarzwald und die Schwäbische Alb werden davon profitieren“, ist er sich sicher. Städte hingegen werden noch lange Probleme haben, meint auch Barbara Radomski aus München. Hotspots wie etwa die bayerische Landeshauptstadt dürften eher gemieden werden, weil man fürchtet, dass sie zu voll sind und so die Corona-Ansteckungsgefahr zu hoch, meint Radomski. Und wer will sich nach den vergangenen langen Wochen gleich an den Tegernsee quetschen und einen stark frequentierten Biergarten ansteuern? Dann lieber beispielsweise das fränkische Seenland. Stufe drei des bayerischen Plans – „die Rückkehr zur völligen Normalität mit offenen Grenzen“ dürfte in weiter Ferne liegen.

Die Industrie muss große Rückschläge verkraften

In den Städten selbst aber hofft man auf eine „hohe Nachfrage“, wie Radomski aus München weiß. Gerade im Detail sind die Probleme immens, Lösungen kompliziert: „Wie viele Leute dürfen auf einer Alpenvereinshütte übernachten? Wie viele dürfen in eine Berggondel? Wie wird der Sicherheitsabstand im Biergarten eingehalten?“ Andreas Braun aus Baden-Württemberg meint „mit aller Vorsicht“: „Im Hochsommer könnten wir in die Normalität zurückkommen.“ In Hotels sei wirksamer Coronaschutz durchaus zu erfüllen: „Es ist kein Problem, hohe Sauberkeits- und Hygienestandards zu bieten, man kann Abstände gewährleisten.“

Wie die Buchungszahlen aktuell aussehen, darüber gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse: Die Tourismusverbände erheben die Buchungsdaten nicht, und die Touristeninformationen vor Ort sind noch geschlossen. Viele Unterkünfte auf den Inseln werden traditionell schon im Winter gebucht.

Empfehlungen, ob Urlauber derzeit für den Sommer buchen sollten, sind rar: „Das ist schwierig zu beantworten und abhängig vom Bundesland beziehungsweise dem Startpunkt der Ferien“, sagt Tobias Woitendorf aus Mecklenburg-Vorpommern. „Das Buchen kann aber im Grunde durchaus empfohlen werden, da es mit einem für viele sicher kalkulierbaren Risiko verbunden ist“, meint er. Es gebe derzeit „kulante Stornierungsbedingungen, Erstattungen von Anzahlungen oder Gutscheine“, die „beiden Seiten – Gästen und Gastgebern – eine vorläufige Sicherheit“ gäben.

Hintergründe zum Coronavirus:

Egal, wie es kommt, dieses Jahr wird einen riesigen Rückschlag für den Tourismus bedeuten. Liefe ab Mai alles wie früher – was eigentlich ausgeschlossen ist –, würde der Umsatz allein durch die Schließungen im März und April schon um 17 Prozent gegenüber dem vergangenen Jahr gesunken sein, sagt Radomski.

Dänemark hält Grenzen geschlossen

Und wie sieht es in den norddeutschen Nachbarländern aus? Dänemark hält seine Grenzen bis mindestens zum 10. Mai geschlossen – sowohl für Einreisen auf dem Landweg als auch für Wassersportler über den Seeweg. Ausdrücklich verweist die dänische Tourismusbehörde darauf, dass die Maßnahmen auch noch weiter verlängert werden können.

Schweden verfolgt einen alternativen Kurs: Dort ist das öffentliche Leben und auch der Tourismus nur in Teilen eingeschränkt, die Gastronomie ist geöffnet, die Fähren fahren und EU-Bürger dürfen auch Urlaub machen. Allerdings gilt eine generelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes in Deutschland – und: Wer aktuell aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehrt, muss zwei Wochen in häuslicher Isolation verbringen. Urlaub ist anders.

Im Hotelgasthof Post in Nesselwang im Allgäu, ein Haus mit jahrhundertealter Geschichte und selbst gebrautem Bier, sagt Stefanie Meyer vor geschwungenen grünen Wiesen und Alpensilhouette: „Wir haben auf die Zeit nach Ostern gehofft, jetzt hoffen wir auf den Sommer.“ Bis dahin rät die erste Braumeisterin des Allgäus: „Abwarten – und Tee trinken.“

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