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Eine Toilette mit hochgeklapptem Deckel.

© Getty Images/htomas

„Unerträgliche Geräusche“ in Italien: Eine zu laute Toilette verletzt die Menschenrechte

Weil die nachbarliche Toilette zu laut war, zog ein Paar in Italien vor Gericht. Dessen Urteil: Eine Verletzung der Menschenrechte.

Italiens höchstes Gericht hat die Liste der Menschenrechtsverletzungen um eine Sache erweitert: Zu den bekanntesten wie Sklaverei, Folter oder Hungersnot darf sich nun die laute, nächtliche Toilettenspülung einreihen. Ein Paar hatte geklagt, dass sie aufgrund einer zu lauten Toilettenspülung der Nachbarn nicht schlafen könnten. Das berichtet die US-amerikanische Zeitung Washington Post.

In einem mehr als 19 Jahre andauernden Rechtsstreit griff das oberste Gericht auf eine Regelung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurück – und urteilte, dass das laute Spülen die grundsätzlichen Menschenrechte verletze.

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Alles begann mit einem Paar, das in einer Wohnung in der Nähe von La Spezia, einer Stadt in Norditalien, lebte. Sie hatten sich darüber beschwert, dass die Toilette ihrer Nachbarn sie nachts wachhalte, weil sie „unerträgliche Geräusche“ von sich geben würde, so beschreibt es die italienische Zeitung Il Giornale.

Ein niederes Gericht hatte die Klage des Paares abgewiesen, also zogen sie mit ihrem Anliegen vor ein höheres Gericht in Genua. Das untersuchte, warum die Toilette so laut war: Der Wasserkasten der nachbarlichen Toilette war in einer knapp 23 Zentimeter dünnen Wand verbaut, unweit der Stelle, an der die Kläger ihr Bett hatten, berichtet die britische Zeitung Times of London.

Knapp 10.000 Euro Entschädigung

Das Gericht zeigte Verständnis dafür, wie schwierig es sei, unter diesen Umständen zu schlafen: Das Geräusch des Herunterspülens kam zudem häufig nachts vor und verschärfte das Problem. Der zuständige Richter fand, dass das ihre Lebensqualität beeinträchtigte und damit das Recht auf die freie Ausübung der täglichen Gewohnheiten verletzte, berichtet Il Giornale.

Die vier Brüder, denen die röhrende Toilette gehört, müssen nun den Wasserspeicher an einem anderen Platz installieren und dem Paar ungefähr 500 Euro für jedes Jahr zahlen, seit es den Speicher gibt. Insgesamt erhalten die Kläger nun ungefähr 9500 Euro – für ein zu lautes Klo.

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Zwar hatten die Angeklagten Einspruch eingelegt, doch das oberste Gericht wies sie ab mit der Begründung: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe mit der Regelung das „Recht auf Schutz der Privatsphäre“ gewahrt. Zusätzlich soll das laute nächtliche Spülen auch die italienische Verfassung zum Schutz der Gesundheit verletzen, vermeldet die Times.

Dass der Prozess sich knapp 20 Jahre hinzog, ist für das Land nicht unüblich: Einem Bericht der Europäischen Kommission zufolge sind Gerichtsprozesse in Italien am uneffektivsten von allen untersuchten Ländern. Ein erstes Urteil dauere im Schnitt mehr als 500 Tage. Für den italienischen Journalisten Massimiliano Parente ist dieser Fall ein Paradebeispiel für sein Land. So schreibt er in Il Giornale: „Auf der Justizebene sind wir eine große, riesige, gigantische verstopfte Toilette.“

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