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Ein Rentner erhält im April in Venedig auf einem Schiff seine Corona-Impfung.

© AFP/ Andrea Pattaro

Unbeirrt und mit Autorität: Mario Draghi und der Green-Pass treiben Impfquote in Italien hoch

In Italien sind mehr als 80 Prozent der Menschen geimpft. Das liegt allerdings nicht nur an den strikten Vorgaben der Regierung in Rom.

Mario Draghi ist ein Mann, der wenig redet. Aber wenn er es tut, dann verfehlen seine Worte ihre Wirkung in der Regel nicht. Legendär ist sein Satz vom Sommer 2012 während der Eurokrise, als Spekulanten und Hedgefonds gegen italienische Staatsschulden und spanische Banken wetteten und das Überleben der Einheitswährung gefährdet schien.

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Die Europäische Zentralbank (EZB), erklärte Draghi als deren damaliger Präsident, sei bereit, „alles Notwendige (,whatever it takes’) zu tun, um den Euro zu erhalten“. Die bloße Erwähnung der beinahe unbeschränkten monetären Kraft der EZB hatte ausgereicht, die Spekulationswelle einzudämmen und das europäische Bankensystem und den Euro zu stabilisieren.

Heute, als Präsident des Ministerrats von Italien, sagt Draghi in der Coronakrise Sätze wie: „Wer dazu aufruft, sich nicht zu impfen, der ruft dazu auf, zu sterben – oder andere sterben zu lassen.“ Seine deutlichen Worte waren an die Impfgegner im Allgemeinen und an Matteo Salvini im Besonderen gerichtet: Der Chef der rechtspopulistischen Lega flirtet offen mit der italienischen Bewegung der Impfgegner, und er hatte sich zunächst auch dagegen ausgesprochen, dass man in Italien ab dem 15. Oktober nur noch zur Arbeit wird gehen können, wenn man den sogenannten Green Pass vorweisen kann. Dieses Zertifikat erhält in Italien, wer entweder mindestens einmal geimpft, genesen oder negativ getestet ist (auch bekannt als 3-G-Regel).

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Green-Pass-Ausweitung auf die Arbeit

Die Ankündigung, das Green-Pass-Obligatorium auf die Arbeit auszuweiten, hat bewirkt, dass in der vergangenen Woche die Zahl der verabreichten Impfdosen wieder stark gestiegen ist – ein neuer „Draghi-Effekt“. In Italien haben inzwischen 83,3 Prozent der Personen über 12 Jahre mindestens eine Dosis erhalten; 77,6 Prozent haben den Impfzyklus abgeschlossen. Damit steht Italien deutlich besser da als die meisten europäischen Länder.

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Bis Mitte Oktober will Draghi eine Durchimpfung von 90 Prozent der über 12-jährigen Bevölkerung erreichen – und damit praktisch die Herdenimmunität. Das Ziel scheint durchaus erreichbar zu sein, auch wenn die Impfkampagne insgesamt etwas an Schwung verloren hat. Das liegt aber vor allem daran, dass es in Italien kaum noch Ungeimpfte gibt, die man noch immunisieren muss und medizinisch gesehen auch kann.

Die schon heute sehr hohe Impfquote ist auch ein Verdienst von Armee-General Francesco Paolo Figliuolo, den Draghi im März zum Covid-Sonderkommissar ernannt hatte und der das Impfprogramm mit militärischer Disziplin und Logistik durchzieht.

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Sie widerspiegelt aber auch die psychologische Verfassung des Landes: Italien war im Frühling 2020 als erstes westliches Industrieland äußerst brutal von der ersten Covid-Welle erfasst worden – die Bilder der überlasteten Intensivstationen und der Militärfahrzeuge, die in nächtlichen Kolonnen die Särge der Verstorbenen aus dem Spital von Bergamo abtransportierten, sind immer noch sehr präsent. Die Impfbereitschaft in Italien ist generell deutlich höher als in den meisten europäischen Ländern: 90 Prozent der Italienerinnen und Italiener hatten schon im Sommer angegeben, sich impfen lassen zu wollen.

Draghi treibt Impfkampagne unbeirrt voran

Der wichtigste Grund für die hohe Impfquote ist aber zweifellos die Unbeirrbarkeit und Autorität, mit der Draghi die Impfkampagne vorantreibt. Die Regeln für die Arbeitsplätze sind strikter als in allen anderen Ländern der EU: Wer ab dem 15. Oktober ohne Zertifikat zur Arbeit erscheint, wird umgehend wieder nach Hause geschickt, und die Lohnzahlung wird eingestellt – bei Angestellten des öffentlichen Dienstes nach fünf Tagen, in Privatunternehmen sofort.

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Für das medizinische Personal gilt die Regel seit vielen Monaten, für die Lehrkräfte an den Schulen und Universitäten seit dem Schulbeginn am 13. September. Einen Green Pass vorweisen muss man in Italien inzwischen für fast alles: Für die Benutzung von Zügen, Flugzeugen, Fähren und Überlandbussen, für die Innengastronomie, für den Besuch von Museen, Kinos, Theatern, Veranstaltungen, Messen, Konferenzen, Stadien.

Ein derart weit gefasstes Green- Pass-Obligatorium kommt natürlich einer verkappten Impfpflicht gleich, zumal die Corona-Tests in Italien kostenpflichtig sind und alle drei Tage wiederholt werden müssen. Draghi kümmert dies wenig: „Bestimmte Dinge müssen getan werden, auch wenn sie unpopulär sind“, erklärte der Regierungschef unmissverständlich.

In den Augen Draghis schränkt der Green Pass die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht unverhältnismäßig ein, im Gegenteil: „Der Entscheid, das Obligatorium auf die Arbeit auszuweiten, ist nötig, um das Land immer weiter öffnen zu können.“ Ohne die Maßnahmen, so der Premier, werde man im Winter von der nächsten Covid-Welle erfasst – und mit einem Rückfall in den Lockdown bestraft.

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