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Tote Delfine werden auf einen Transporter geladen. Hunderte tote Delfine sind seit Jahresbeginn an Frankreichs Atlantikküste angespült worden.

© Olivier Van Canneyt/dpa

Überfischte Meere: Illegal im Netz

Jährlich werden acht bis 14 Millionen Tonnen Fisch illegal aus dem Meer geholt. Das hat Folgen, auch für Delfine.

Weil sie ihre Fänge nicht in den Ländern registrieren lassen, in deren Gewässern sie ihre Netze auswerfen, operieren viele industrielle Fischerei-Fangflotten kriminell. Diese Aussage treffen Rashid Sumaila und Daniel Pauly von der University of British Columbia in Vancouver gemeinsam mit Kollegen in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science Advances.

Insgesamt werden jährlich etwa 7,7 bis 14 Millionen Tonnen Fisch ohne Wissen der zuständigen Behörden aus dem Meer geholt, schätzen die Forscher. „Diese Menge kommt zu den rund 90 Millionen Tonnen legaler und berichteter Fänge im Jahr dazu“, sagt die Fischerei-Expertin Catherine Zucco von der Naturschutzorganisation WWF in Hamburg.

Die Forscher in Kanada gründen ihre Schätzungen auf einen Vergleich zur illegalen Holzernte, die viel besser dokumentiert ist. Da sich Fänge auf dem Meer leichter transportieren und besser verbergen lassen als Holz im Wald und die Forscher ohnehin sehr vorsichtig geschätzt haben, könnten die tatsächlichen Werte auch deutlich höher ausfallen, vermuten Daniel Pauly und seine Kollegen.

Insgesamt werden mit diesen illegalen und nicht registrierten Fängen jährlich 8,9 bis 17,2 Milliarden US-Dollar verdient, schätzen die Forscher. Den betroffenen Staaten gehen jährlich 2,2 bis 4,3 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen verloren. Allein die Länder Afrikas büßen so jedes Jahr zwischen 7,6 und 13,9 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlicher Leistung ein, berichten Daniel Pauly und seine Kollegen. Ein großer Teil davon wird von industrieller Fischerei verursacht, die meist aus dem Ausland kommt.

Für Asien ist der Verlust im Jahr noch höher: 10,3 bis 20,3 Milliarden Dollar. An dritter Stelle folgt Südamerika mit zwischen einer und 2,3 Milliarden Euro. Zusammen verzeichnen Asien, Afrika und Südamerika daher 85 Prozent dieser weltweiten Einbußen durch illegale und nicht registrierte Fänge.

Wie aber funktioniert Fischerei, die den Augen der Behörden entgeht? „In der Europäischen Union gibt es zum Beispiel das Anlande-Gebot, nach dem ins Netz gegangene Arten, für die es Fangquoten gibt, nicht zurück ins Meer geworfen werden dürfen, sondern an Land gebracht und den Fängen des Fischers angerechnet werden müssen“, erklärt Catherine Zucco.

Diese Regelung ist sehr wichtig, weil oft zu kleine Fische und ungewünschte Arten gefangen werden. Wirft der Fischer diesen Beifang, ins Meer zurück, sind die Tiere oft bereits tot oder überleben nicht lange. Weil diese Vorschrift aber kaum überwacht wird, werden wohl trotzdem viele Beifänge über Bord geworfen. „Dabei könnten Überwachungskameras an Bord und Sensoren an den Netzen solche Praktiken verhindern“, erklärt Catherine Zucco.

Delfine fallen legalem und illegalem Fischfang zum Opfer

Auch Delfine werden immer wieder aus den Netzen entfernt und zurück ins Wasser geworfen. Besonders betroffen ist Frankreichs Atlantikküste. Hier werden immer wieder tote Delfine angespült. Die Beobachtungsstelle Pelagis zählte bis zum vergangenen Wochenende rund 670 tote Tiere an den Stränden. Das seien mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr, hieß es.

Bereits im vergangenen Winter hatte die Zahl der tot angespülten Delfine Rekordwerte erreicht und für Bestürzung gesorgt. Am stärksten betroffen seien in diesem Jahr die Küsten des Golfs von Biskaya – insbesondere die Departements Vendée und Bretagne, so der Wissenschaftler Matthieu Authier von der Universität La Rochelle, der auch für Pelagis tätig ist.

An vielen der Tiere seien Spuren von Fanggeräten sichtbar, sie seien höchstwahrscheinlich Beifang von Fischern gewesen, so Pelagis. Die Wissenschaftler geben zu Bedenken, dass ein Großteil der getöteten Tiere gar nicht an Land gespült wird, sondern auf den Meeresgrund sinkt – die Zahl der toten Delfine also noch weitaus größer sein dürfte. Schätzungen zufolge sind im Jahr 2019 mehr als 11000 Delfine vor Frankreichs Küsten gestorben.

Wissenschaftler und Tierschutzverbände machen zu engmaschige Netze von Fischern für den Tod der Delfine verantwortlich. Die Tierschützer der Organisation Sea Shepherd werfen den Fischereiverbänden eine „skandalöse Haltung“ vor, die den gesamten Berufsstand beflecke, wie es etwa in einer Mitteilung heißt.

Diese, außerhalb der Gesetze getätigten Fänge, kommen zu den legalen hinzu. Wenn Fangquoten festgelegt werden, fehlen die unregistrierten Fänge und die Fischbestände im Meer können deutlich überschätzt werden. So steigt das Risiko einer Rezession: Die korrekten Fischer fangen dann weniger als erhofft, ihre Gewinne schrumpfen und Arbeitslosigkeit droht. Insgesamt bereichern sich so einige wenige auf Kosten der Allgemeinheit, fassen Daniel Pauly und seine Kollegen diese Vorgehensweise zusammen.

Diesen illegalen Aktivitäten kommen der WWF und andere Naturschützer zum Beispiel mit Satelliten-Daten auf die Schliche, die das „Automatische Identifizierungssystem“ AIS auswerten. Diese Mini-Computer funken Name, Größe und Position des Schiffes, um Kollisionen zwischen Schiffen besser zu vermeiden. Diese Daten werden auch von einer Satellitenflotte im Weltraum ausgewertet, die so einen Überblick über die Aktivitäten der Schiffe auf den Meeren bietet.

Da ein Schiff beim Fang von Tunfischen völlig andere Manöver als beim Fange von Kabeljau oder Heringen mit Schwimmschleppnetz fährt, können die Naturschützer so zum Beispiel auf die Art des Fanges schließen. „Damit aber erreichen wir erheblich mehr Transparenz auf hoher See“, erklärt Catherine Zucco. (mit dpa)

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