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Trübe Aussichten: Schlechtes Wetter und Lockdown kommen diesen Herbst zusammen.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Tipps für die Psyche im Corona-Herbst: „Machen Sie sich einen Plan“

Wagner-Oper und Schlaf-Kalender: Der Psychiater Ulrich Hegerl weiß, wie man diesen Herbst mental gesund überstehen kann  – trotz Lockdown und Dunkelheit.

Ulrich Hegerl ist Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Der 57-Jährige ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer.

Herr Hegerl, was können wir tun, um diesen Corona-Herbst mental gut zu überstehen?
Struktur ist sehr wichtig. Vielen macht der Ausblick auf einen unstrukturierten Tag, der vor ihnen liegt, Sorge. Da hilft es, sich einen festen Wochenplan zu machen. Das ist leicht gesagt, fällt aber häufig sehr schwer. Man sollte sich für jede Stunde überlegen, was man tun will und in den Kalender eintragen, sei es Arbeit, Musik hören oder mit Freunden telefonieren.

Was sind Pflichten, was bringt mir Freude, wie kann ich mich entspannen? Das einmal zu durchdenken, erfordert Zeit, aber ein ausgewogener Wochenplan kann sehr wichtig sein. Dann sollte man versuchen, diesen Plan auch einzuhalten.

Es wird wieder früher dunkel, viele fühlen sich müde. Hilft es, sich zwischendurch hinzulegen?
Genauso wie zu wenig Schlaf ungesund ist, kann es aber auch zu viel Schlaf sein. Auch hier hilft es, Kalender zu führen und das eigene Schlafverhalten genau zu beobachten. Fühle ich mich fitter oder müder, wenn ich eine Stunde länger als sonst schlafe? Welches ist die ideale Zeit für mich, ins Bett zu gehen? Wer zu früh ins Bett geht, liegt oft stundenlang wach und kommt ins Grübeln. Auch Alkoholkonsum ist schlecht für einen festen Schlaf.

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Vielen fehlen die sozialen Kontakte.
Die Kontakte von Angesicht zu Angesicht nehmen während der Pandemie ab. Aber die sozialen Medien, Skype oder das Telefon lassen einen mit alten Bekanntschaften und Menschen in Kontakt treten, mit denen man lang nicht mehr gesprochen hat. Das können Menschen sein, die einem gut getan haben. Es lohnt sich, einmal das Adressbuch durchzugehen.

Ulrich Heger, Psychiater und Experte für Depression.
Ulrich Heger, Psychiater und Experte für Depression.

© Stiftung Deutsche Depressionshilfe / Katrin Lorenz

Welche Rolle spielen die Hobbies?
Bewegung ist sehr wichtig für das körperliche und geistige Wohlbefinden. Das sollte man auf keinen Fall reduzieren. Draußen joggen oder spazieren gehen ist gut, aber auch zu Hause lässt sich gut Sport treiben. Man kann dabei neue Dinge ausprobieren wie Yoga. Im Internet und im Fernsehen gibt es viele Anleitungen auch für Anfänger.

Auch der Kulturgenuss spielt eine wichtige Rolle für die mentale Gesundheit. Wofür bisher keine Zeit war, das kann jetzt nachgeholt werden. Etwa einmal eine ganze Wagner-Oper durchhören oder ein dickes Buch in Angriff nehmen. Aber wenn man sich das nicht vornimmt, tut man es auch nicht. Deshalb ist es wichtig, sich auch diese Dinge in den Wochenplan zu schreiben.

Wann sollte man sich professionelle Hilfe holen?
Vielen Menschen geht es wegen des Herbstwetters und der Coronapandemie schlechter. Es ist aber sehr wichtig, zwischen Befindlichkeitsstörungen und psychischen Erkrankungen zu unterscheiden. Wer sich selbst nicht mehr erkennt und merkt, dass sich gerade alles verändert, sollte einen Arzt aufsuchen.

Zu den Merkmalen einer Depression gehören Hoffnungslosigkeit, Schuldgefühle und ein permanentes Gefühl der Erschöpfung und Anspannung. Über fünf Millionen Menschen in Deutschland sind davon betroffen. Depression ist eine schwere Erkrankung, aber gut behandelbar. Hilfe gibt es beim Hausarzt, bei einem Psychiater oder einem psychologischen Psychotherapeuten.

Gibt es auch positive Aspekte des Lockdowns?
Für viele ist diese Zeit natürlich sehr belastend. Einige beschäftigen sich permanent nur mit den negativen Corona-Nachrichten und den neusten Infektionszahlen, andere sorgen sich um ihre Existenz. Der Lockdown kann aber auch eine Chance sein. Wir können die Zeit der Entschleunigung nutzen, um nachzudenken, uns auf die wirklich wichtigen Dinge zu besinnen und die Außenwelt bewusster wahrzunehmen.

Viele haben etwa während des letzten Lockdowns den Frühlingsanfang viel bewusster wahrgenommen. Wie jede Krise kann auch also auch diese Zeit Gutes und Neues bewirken.

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