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In der Debatte um ein Tempolimit auf Autobahnen hat der ADAC seine jahrzehntelange ablehnende Haltung aufgegeben.

© Jens Büttner/zb/dpa

Tempolimit-Kursänderung beim ADAC: Vorsichtig vom Gas

Der ADAC ist „nicht mehr grundsätzlich“ gegen ein Tempolimit auf Autobahnen. Eine Festlegung ist das noch nicht – erst soll eine Studie den Nutzen beweisen.

Von Robert Birnbaum

Der Kurswechsel kommt unauffällig daher, drei Worte nur. Dafür ist er umso fundamentaler. Der ADAC, hat der für Verkehrsfragen zuständige Vizepräsident des Autoclubs Gerhard Hillenbrand der Deutschen Presse-Agentur gesagt, sei „nicht mehr grundsätzlich“ gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Ein Ja bedeute das nicht, betont Hillenbrand. Aber dass der größte deutsche Automobilclub in dieser Frage überhaupt mit sich reden lassen will, ist Sensation genug. Die drei Worte haben das Zeug, die seit Jahrzehnten erstarrten Fronten im automobilen Tempo-Grabenkrieg in Bewegung zu bringen.

Anlass für das Interview ist der Deutsche Verkehrsgerichtstag nächste Woche in Goslar. Alle Jahre wieder treffen sich die Verkehrsjuristen, um über Empfehlungen an die Politik zu beraten. Diesmal ist einer ihrer Schwerpunkte „Aggressivität im Straßenverkehr“, also auch der Raser auf der Autobahn. Die Frage nach einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung liegt damit automatisch auf dem Beratungstisch. Denn mehr Verkehrssicherheit und weniger Aggressivität ist – neben dem Umweltschutz – das Hauptargument der Tempolimit-Befürworter.

Dass der ADAC solchen Argumenten gegenüber auf einmal aufgeschlossen ist, statt weiter das alte Lied von der „freien Fahrt für freie Bürger“ zu singen, geschieht offenkundig nicht ganz freiwillig. Er hat auch nichts mit grundstürzend neuen Erkenntnissen in der Sache zu tun. Neu ist für die Vereinsspitze die Erkenntnis, dass die Annahme nicht mehr gilt, der ADAC-Ausweis sei so etwas wie ein Bekenntnis zum Fahren ohne Limit.

Die Frage polarisiere auch die eigenen Mitglieder, räumt Hillebrand ein. Eine Umfrage zeigte jüngst, dass nur noch die Hälfte der Club-Mitglieder ein Tempolimit ablehnt; 45 Prozent sind inzwischen dafür. „Deshalb legt sich der ADAC in der Frage aktuell nicht fest“, sagt der Vereinsvize. Mit ihrer gespaltenen Haltung unterscheiden sich 21 Millionen Club– Mitglieder nur unwesentlich von der Gesamtheit der Führerscheinbesitzer. Eine repräsentative Auswahl hat der Verkehrsrecht-Arbeitskreis des Deutschen Anwaltvereins – ebenfalls in Vorbereitung auf Goslar – gerade befragen lassen. Das Ergebnis: 56 Prozent sehen ein Tempolimit als wirksame Maßnahme für mehr Verkehrssicherheit.

Die allgemeine Klimadebatte hinterlässt ihre Spuren

Die Gründe für den Meinungswandel sind nicht schwer zu erkennen: Die allgemeine Klimadebatte hinterlässt ihre Spuren. Schätzungen sprechen davon, dass Tempo 130 auf der Autobahn rund zwei Millionen Tonnen weniger CO2-Ausstoß im Jahr bedeuten würden. Das sei im Vergleich zu anderen Quellen so gut wie nichts, halten Tempo-Befürworter dagegen. Aber solche Relativierungen finden immer weniger Gehör, wenn selbst ein Treffen wie der gerade beendete Weltwirtschaftsgipfel in Davos im Zeichen von „grüner“ Ökonomie steht.

Umweltverbände begrüßen denn auch erwartungsgemäß den neuen ADAC– Kurs. Die Umweltministerin applaudiert ebenfalls. Der „gute Menschenverstand“ spreche für eine Geschwindigkeitsbegrenzung, twitterte Svenja Schulze. Das entspricht der SPD-Beschlusslage und ist zugleich ein spöttischer Seitenhieb auf den Kollegen Verkehrsminister. Der CSU-Mann Andreas Scheuer hatte es erst Ende letzten Jahres rigoros abgelehnt, das „hochemotionale Thema“ auch nur anzufassen: Ein Tempolimit wäre „gegen jeden Menschenverstand“.

Dass sich jetzt sein entschiedenster Verbündeter sachte in die Büsche schlägt, dürfte Scheuer nicht gefallen. ADAC-Mann Hillebrand versucht den eigenen Schwenk aber abzufedern. Er fordert eine „umfassende Studie“, um die Folgen eines Tempolimits zu klären und eine „belastbare Entscheidungsgrundlage“ zu gewinnen. Eine Versachlichung sei dringend erforderlich in der hochemotional geführten Debatte.

Auch hinter dieser Forderung lugt freilich unübersehbar wieder das Eigeninteresse des Clubs hervor. So ganz schnell auf eine neue Linie festlegen mag sich der ADAC eben nicht. Schließlich gilt es nicht nur die Tempolimit-Befürworter als zahlende Mitglieder zu halten, sondern auch die Hälfte, die am alten Kurs festhalten will.

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