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Alte Pracht. Die Kopie des Bernsteinzimmers im Katharinenpalast bei St. Petersburg.

© Arno Burgi/ dpa

Taucher finden Schiffswrack: Neue Spur zum Bernsteinzimmer

Nach dem legendären Zimmer wird seit mehr als 70 Jahren gesucht. Es könnte vor Polen in der Ostsee liegen – in einem deutschen Kriegsschiff.

Seit mehr als 70 Jahren beflügelt das in den Wirren des Kriegsendes verschwundene Bernsteinzimmer die Fantasie der Schatzsucher. Jetzt hat das Schatzsucher-Fieber eine Gruppe polnischer Taucher erfasst.

Sie fanden am Grund der Ostsee in rund 90 Metern Tiefe das Wrack eines deutschen Kriegsschiffes aus dem Zweiten Weltkrieg und identifizierten es als die „Karlsruhe“. An Bord befanden sich Kriegstechnik, eine große Menge Porzellan und viele Holzkisten. Die sollen erst an Land geöffnet werden.

Es dauert also noch, bis sie ihr Geheimnis preisgeben. Tomas Stachura, einer der Taucher der Firma Baltitech, die schon geraume Zeit nach dem Wrack sucht, vermutet, die Kisten könnten zumindest Fragmente des Bernsteinzimmers enthalten.

Unfassbare Geldsummen sind in bislang vergebliche Expeditionen geflossen, nur ein paar eher unbedeutende Originalteile tauchten bisher wieder auf. Mehrere Dutzend Male aber wähnten sich die Forscher schon am großen Ziel und glaubten, die Wandtäfelungen aus Bernstein in den Kasematten von Kaliningrad, dem damaligen Königsberg, in einem verschütteten Eisenbahntunnel in Schlesien, in Nordböhmen am Südrand des Erzgebirges oder in Bergbaustollen in Thüringen gefunden zu haben. Bislang erwies sich das immer als Irrtum.

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Der letzte Transport aus Königsberg

Mit dem Fund der polnischen Taucher kommt nun wieder das Kriegsende im April 1945 in Königsberg in den Blick: Die Sowjetarmee steht im Kampf gegen den deutschen Faschismus vor den Toren von Berlin, da hält sich gut 500 Kilometer östlich in Ostpreußen die Wehrmacht immer noch in der Region um die Stadt. Doch die Kapitulation ist nur noch eine Frage von Tagen.

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„Wenn die Deutschen das Bernsteinzimmer über die Ostsee wegbringen wollten, dann war die ,Karlsruhe‘ ihre letzte Möglichkeit“, ist deshalb der Taucher Stachura überzeugt. Das Schiff verließ Anfang April 1945 den Kriegshafen von Pillau mit mehr als 1000 Menschen, Kriegstechnik und einer geheimnisvollen Fracht an Bord, wie Zeitzeugen berichteten. Die Fahrt währte nur kurz: Am 13. April wird das Kriegsschiff vor Stolpmünde, dem heute polnischen Ustka, bei einem britischen Luftangriff versenkt. Nur 100 Menschen überleben.

Befindet sich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich das Bernsteinzimmer an Bord der „Karlsruhe“? Dieses Meisterwerk der Handwerkskunst hatte der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. 1716 dem russischen Zaren Peter I. geschenkt. Der packte es jedoch gar nicht aus, er hatte keinen Platz dafür. Erst drei Jahrzehnte später interessierte sich seine Tochter, Zarin Elisabeth, für das Kleinod und ließ den Hofarchitekten Bartolomeo Rastrelli ein Zimmer dafür bauen, das später dann in den Katharinenpalast umzog.

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Als die deutsche Wehrmacht nach ihrem Überfall auf die Sowjetunion 1941 immer näher an das damalige Leningrad heranrückt, werden die Kunstschätze des Palastes nicht abtransportiert, sondern nur hinter eilig gezimmerten Paneelen versteckt. Die Deutschen entdecken die Schätze rasch. Das Bernsteinzimmer wird in anderthalb Tagen demontiert und in das Schloss Königsberg verbracht, den Sitz des Gauleiters von Ostpreußen, Erich Koch. Als die Sowjetarmee im Frühjahr 1945 in Königsberg einrückt, ist das Bernsteinzimmer verschwunden.

Im Katharinenpalast steht eine Kopie

Im Katharinenpalast von Zarskoje Selo werden heute die Informationen aus Polen mit großer Zurückhaltung aufgenommen, zu oft sind Hoffnungen bislang enttäuscht worden: „Früher haben wir die Luft angehalten, aber inzwischen gehen wir solchen Informationen gar nicht mehr nach, es gibt eine Flut von ihnen“, sagte die Vizedirektorin des Museums „Zarskoje Selo“, Iraida Bott, dem russischen Dienst der BBC.

Das mag auch daran liegen, dass es das legendäre Bernsteinzimmer längst wieder gibt – als Replikation am alten Ort. Zum 300. Stadtjubiläum von St. Petersburg wurde die Kopie 2003 im Katharinenpalast vor den Toren der Stadt eröffnet. Die Arbeit an der Nachbildung hatte mehr als 20 Jahre gedauert und umgerechnet mehr als zehn Millionen Dollar gekostet. Finanziert wurde das Kunstwerk aus dem sowjetischen und dann russischen Staatshaushalt sowie aus Zuwendungen des Gazprom-Konzerns und von Ruhrgas.

Zudem glauben russische Forscher noch immer, das Bernsteinzimmer habe Königsberg nie verlassen. Nachdem es aber weder in den Ruinen des Schlosses noch in den Kasematten gefunden worden ist, gibt es seit Längerem eine andere Theorie. Die wertvollen Tafeln könnten in einem noch ungeöffneten Bunker des letzten Kommandanten von Königsberg, Generalleutnant Otto Lasch, verborgen sein. Der hatte 1945 bis zuletzt sinnlosen Widerstand geleistet. Bis zu seinem Tod 1971 gab er über den Verbleib des Bernsteinzimmers keinerlei Auskunft.

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