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Panorama: Szenen wie aus einem schlechten Horrorfilm - Wie der Lockerbie-Anschlag ein Dorf fast zerstörte

Die Szenen, die der Prozess im niederländischen Camp Zeist zur Aufklärung des größten Massenmordes in der britischen Kriminalgeschichte wachruft, sind grauenhaft, gleichzeitig auch surrealistisch. Einwohner im schottischen Lockerbie erinnern sich beispielsweise daran, dass die Katastrophe am Abend des 21.

Die Szenen, die der Prozess im niederländischen Camp Zeist zur Aufklärung des größten Massenmordes in der britischen Kriminalgeschichte wachruft, sind grauenhaft, gleichzeitig auch surrealistisch. Einwohner im schottischen Lockerbie erinnern sich beispielsweise daran, dass die Katastrophe am Abend des 21. Dezember 1988 keine unmittelbare Panik in dem 3000-Seelen-Ort auslöste. Für eine hysterische Reaktion ließ das, was die Einwohner unmittelbar nach dem Absturz des PanAm-Jumbos direkt über der Ortschaft sahen, einfach keinen Platz - zu sehr war die Szenerie von jeglicher menschlichen Erfahrung entfernt: Leichen auf Dächern, in Vorgärten und auf Gehwegen; brennende Häuser; der Geruch von Kerosin. Augenzeugen erinnern sich bis heute vor allem an die unwirklich erscheinende Stille, die direkt nach dem Aufprall der gewaltigen Jumbo-Trümmer herrschte.

Der Mittelteil des Rumpfes und die Tragflächen gruben sich in eine Siedlung mit Einfamilienhäusern mit dem schönen Namen Sherwood Crescent. Das Cockpit der Maschine, das durch die Explosion in zehn Kilometern Höhe vom Rest der PanAm abgerissen wurde, fanden Einwohner vier Kilometer östlich von Lockerbie. Die Leichen der dreiköpfigen Besatzung befanden sich immer noch vor den Armaturen, angeschnallt auf den Sitzen. Nicht weit von dem Ort, wo damals das Vorderteil des Jumbos auf einer Weide gefunden wurde, erinnert heute ein kleiner Seitenraum in der Kirche von Tundergarth an das Desaster vor elf Jahren. Im Rathaus von Lockerbie ist eine Glasmalerei zu sehen, auf der die Flaggen aller Staaten dargestellt werden, die Opfer zu beklagen hatten. Durch den Aufprall des Wracks wurden am Boden elf Dorfbewohner getötet. Von den 259 Insassen der Maschine überlebte niemand den Anschlag. Die Passagiere an Bord des PanAm-Fluges 103 nach New York kamen aus 21 Ländern. Der jüngste Fluggast war neun Wochen alt, der älteste eine 79-jährige Frau aus Budapest.

Millionen-Fonds für Hinterbliebene

Es dauerte knapp zwei Jahre, bis die äußeren Spuren der Katastrophe in dem Dorf getilgt waren. Die Häuser waren wieder aufgebaut, die benachbarte Autobahn wieder befahrbar. An der Stelle, wo die Trümmer der PanAm-Tragflächen unweit der Strecke zwischen Carlisle und Glasgow einen riesigen Krater gerissen hatten, liegt heute ein kleiner Erinnerungsgarten. Für die Hinterbliebenen aller Opfer, die hauptsächlich aus den USA kamen, wurde ein Fonds in der Höhe von 2,3 Millionen Pfund eingerichtet.

Nach dem Anschlag waren viele Frauen von Lockerbie noch monatelang damit beschäftigt, den über unzählige Quadratkilometer verstreuten Inhalt aus den Koffern der getöteten PanAm-Passagiere zu sammeln, zu sortieren und an die Angehörigen der Opfer zurückzuschicken. US-Justizministerin Janet Reno erinnerte bei einer Zeremonie zu Ehren der Polizei und Verwaltung von Lockerbie vor zwei Wochen in Washington noch einmal daran, wieviel Kraft die Bevölkerung des schottischen Ortes bei der Bewältigung des Unglückstraumas aufbringen musste. "Wir hier in Lockerbie haben uns in den vergangenen elf Jahren nie in das diplomatische oder rechtliche Tauziehen verwickeln lassen", sagt Marjorie McQueen, die nach dem Anschlag fünf Monate lang mithalf, Akten über die Opfer anzulegen. "Aber für die Angehörigen war das eine verzweifelt lange Wartezeit."

Einige Angehörige der Opfer sind in diesen Tagen nach Camp Zeist gereist. Sie müssen allerdings damit rechnen, dass der Hintergrund des Anschlags ungeklärt bleibt. Sollte das Gericht tatsächlich eine Haftstrafe gegen die beiden mutmaßlichen Attentäter verhängen, müssten die Libyer diese in Schottland verbüßen. Ob es aber tatsächlich dazu kommt, erscheint vielen Angehörigen zweifelhaft.

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