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Eine Hafenfähre fährt im Sturm auf der Elbe.

© dpa/Daniel Bockwoldt

Update

Sturmtief „Ylenia“ über Deutschland: Welle zerschlägt Frontscheiben von Elbfähre – Bahn stellt Fernverkehr teilweise ein

„Ylenia“ wirbelt über Teile Deutschlands. Auf einer Fähre wurden drei Menschen leicht verletzt. Bahnreisende sind von starken Einschränkungen betroffen.

Auf stürmischer Fahrt über die Elbe hat eine große Welle die Frontscheiben einer Hamburger Hafenfähre zerschlagen. Drei Fahrgäste seien leicht verletzt worden, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Die Fähre „Tollerort“ war am Morgen im Sturm „Ylenia“ von Teufelsbrück zum Anleger des Airbuswerks unterwegs, als die Welle über Bord gegen die Scheiben rollte. Das Schiff habe seine Fahrt zum Anleger fortsetzen können. Die insgesamt acht Fahrgäste seien ausgestiegen. Die Verletzten - zwei Männer im Alter von 32 und 25 Jahren sowie eine 47-jährige Frau - hätten sich zum Betriebsarzt von Airbus begeben, hieß es.

Mehrere Videos, die im Netz etwa auf Youtube hochgeladen wurden, zeigen den Moment des Unglücks. Ein Airbus-Mitarbeiter, der ganz vorne saß, filmte ebenfalls mit seinem Handy. „Mich hat's voll getroffen“, sagte Dirk Papendorf der Deutschen Presse-Agentur. Er hatte sich zunächst gefreut, dass die Fähre am Morgen fuhr. „Ich fand es toll, wie das Schiff hin- und hergeschaukelt ist, wie eine Achterbahn“, sagte Papendorf. Um das Naturschauspiel besser zu sehen, habe er sich in die erste Reihe vor die Fenster gesetzt.

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Die Wellen hätten kontinuierlich gegen die Scheiben geschlagen. „Man konnte kurz in die Welle hineinschauen“, erzählte der 32-Jährige. Er habe sich völlig sicher gefühlt.

Dann sei plötzlich das Wasser über ihn geströmt. „Ich war klitschnass von oben bis unten“, berichtete Papendorf. Er habe zunächst Angst gehabt, dass er beim Zurückfluten nach draußen gezogen werde. Darum sei er wie die anderen Fahrgäste nach hinten gerannt. Aber dann habe er gemerkt, dass das Wasser nach hinten abfloss. Er sei noch mal zurückgegangen, um nach einer Kollegin zu schauen.

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„Es war ein Zwischenfall, den wir so noch nie hatten“, sagte der Geschäftsführer der Fährgesellschaft Hadag, Tobias Haack. Die Scheiben sollten eigentlich „seeschlagfest“ sein. Es handele sich um Sicherheitsglas, das zerbröselt sei. Das Schiff sei eine sogenannte Bügeleisen-Fähre des Typs 2000. Die Wasserschutzpolizei nahm Ermittlungen auf.

Mann von Baum erschlagen

Auch im Rest von Deutschland sorgte das Sturmtief für Unfälle und Zerstörung. In Niedersachsen wurde ein Autofahrer von einem umstürzenden Baum erschlagen. Wie die Polizei in Lüneburg am Donnerstag mitteilte, ereignete sich der Unfall auf einer Landstraße bei Bad Bevensen. Die Eiche stürzte demnach auf das Auto des 37-Jährigen.

Nach Angaben der Beamten wurde der Mann am Donnerstagmorgen durch den Baum mit einem Stammdurchmesser von etwa 60 Zentimetern so schwer verletzt, dass er noch in seinem Fahrzeug starb.

Das Sturmtief ließ bei Tausenden Haushalten den Strom ausfallen. In Bayern verzeichnete der größte Stromnetzbetreiber, Bayernwerk Netz, 10.000 Betroffene, wie ein Sprecher am Donnerstagmorgen sagte.

In Nordrhein-Westfalen fiel für etwa 54.000 Haushalte in der Nacht zu Donnerstag der Strom aus, wie der Betreiber Westnetz auf Twitter mitteilte. Ursache für die Ausfälle waren häufig auf Leitungen gestürzte Bäume. Meist wurde die Versorgung demnach schnell wieder hergestellt.

Bahn stellt Zugverbindungen im Norden ein

Bahnreisende sind wegen des Sturms am Donnerstag von starken Einschränkungen betroffen. In weiten Teilen Deutschlands sei der Betrieb des Nah- und Fernverkehrs stark eingeschränkt, im gesamten Norden sei es zu zahlreichen Ausfällen und Verspätungen gekommen, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn.

Das betrifft Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Dabei sei im Regionalverkehr hauptsächlich Niedersachsen betroffen gewesen. Teils fuhren demnach Ersatzbusse als Grundversorgung. Im Fernverkehr im Norden ging laut Bahn auch am Nachmittag noch immer nichts.

Vielerorts kam es im Regionalverkehr zu Zugausfällen und Verspätungen, etwa auch in Thüringen und im Nordosten und Osten Bayerns.

Die Ausfälle im Fernverkehr der Deutschen Bahn dauern im Norden Deutschlands deutlich länger als zunächst angekündigt. Der Zugverkehr sei voraussichtlich bis Samstag „bundesweit beeinträchtigt“, schrieb die Bahn am Donnerstag auf Twitter. Derzeit lasse sich nicht sicher sagen, welche Fernstrecken am Freitag und am Samstag weiterhin ausfallen, sagte ein Sprecher in Berlin am Nachmittag. „Es ist schwierig und nicht genau vorherzusagen, wie der Tag morgen aussieht.“

„Es ist besser, die Züge an den Bahnhöfen zurückzuhalten“, sagte ein Sprecher. „Wir können uns dann besser um die Reisenden kümmern. Wir wollen damit vermeiden, dass Züge bei diesem Wetter auf freier Strecke stehen bleiben. Dann wird es schwierig, sich um 300 oder 400 Reisende zu kümmern.“

Der Bahn-Sprecher sagte weiter: „Der Sturm hat uns hart getroffen. (...) Aber die Fahrgäste haben sehr verständnisvoll reagiert.“ Obwohl viele Schäden aus der Nacht zum Donnerstag im Lauf des Tages beseitigt worden sei, gebe es immer noch „mehrere hundert Kilometer Gleise“, die gesperrt seien. Die Strecken würden zur Kontrolle zum Teil mit Hubschraubern abgeflogen, aber auch das sei wegen des Sturms nicht überall möglich. Fahrgäste sollten sich unbedingt im Internet über ihre Züge informieren.

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In den meisten Fällen waren auf die Gleise oder in Oberleitungen gestürzte Äste und Bäume der Grund für die Ausfälle und Verspätungen. Auch umherfliegende Planen oder ähnliche Gegenstände, die Oberleitungen trafen, sorgten für Wartezeiten und Ausfälle. Sturm alleine sei bei freier Strecke noch kein Grund dafür, Züge nicht fahren zu lassen, erläuterte die Sprecherin. Das spiele lediglich im Winter wegen umherwehender Eisbrocken eine Rolle.

Zahlreiche Reparaturtrupps seien losgeschickt worden, um Strecken freizuräumen, mit Kettensägen umgestürzte Bäume zu zerkleinern oder auch Oberleitungen zu reparieren.

Einschränkungen werden derweil auch für den Flugverkehr gemeldet. Der Flughafen Berlin-Brandenburg BER hat am Donnerstagmorgen die sogenannte Flugzeugabfertigung unterbrochen. Das bedeutet, dass wegen der starken Sturmböen keine Maschinen beladen beziehungsweise entladen werden und zunächst auch keine Passagiere in die Flugzeuge einsteigen können, wie ein Sprecher des BER sagte.

Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt sind nach Betreiberangaben Verbindungen mit Berlin, München und Hamburg betroffen. Am Flughafen Hamburg fallen rund ein Dutzend Flüge aus.

Autofahrer stirbt durch einen umgestürzten Baum: Unfallstelle bei Bad Bevensen
Autofahrer stirbt durch einen umgestürzten Baum: Unfallstelle bei Bad Bevensen

© dpa/Philipp Schulze

„Ylenia“ ist in der Nacht zum Teil mit Orkanböen über Deutschland hinweggezogen. Die Feuerwehren und Polizeileitstellen berichteten am Donnerstagmorgen vielerorts von zahlreichen Einsätzen.

Die Berliner Feuerwehr rief am Donnerstagvormittag zum zweiten Mal den Ausnahmezustand aus. Die Einsatzkräfte wurden bis zu mehr als 100 Einsätzen gerufen. Meistens hätten die Feuerwehrleute Bäume und Äste beseitigt, die auf der Straße und zum Teil auch auf Autos lagen. Menschen seien nicht verletzt worden. Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatte die Feuerwehr den Ausnahmezustand ausgerufen.

In Wilhelmshaven sind Bäume auf zwei Häuser in Wohngebieten gestürzt. Zudem wurde die Feuerwehr am Morgen an eine Grundschule gerufen, wo eine 25 Meter hohe Tanne drohte umzustürzen.

Auch in Dorsten und Marienheide bei Gummersbach in NRW waren am Mittwochabend und Donnerstagmorgen Regionalzüge mit umgewehten Bäumen oder Baumteilen kollidiert. Die Unfälle verliefen aber in beiden Fällen glimpflich. In dem gesamten Bundesland wurde für Donnerstag außerdem der Schulunterricht abgesagt. Auch in mehreren Regionen Niedersachsens oder etwa Bayerns dürfen Schülerinnen und Schüler wegen der Wetter-Gefahren zu Hause bleiben, ebenso in Berlin und Brandenburg.

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Besonders stürmisch war es in der Nacht auf dem exponiert liegenden Brocken im Harz. Die Harzer Schmalspurbahnen GmbH hat am Donnerstag die meisten ihrer Fahrten ausgesetzt.

Auf dem Brocken wurden in der Nacht in der Spitze Windgeschwindigkeiten von bis zu 156 Kilometern pro Stunde gemessen. Der Wert sei kurz nach Mitternacht aufgezeichnet worden, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Er wies darauf hin, dass die Zahlen noch vorläufig seien und noch um einige km/h korrigiert werden könnten.

Auch in anderen Teilen Deutschlands gab es in exponierten Lagen wie Bergspitzen zum Teil Orkanböen und orkanartige Böen: So wurden nach der Beobachtungstabelle des DWD zwischen 0.30 Uhr und 1.00 Uhe auf dem Feldberg im Schwarzwald Windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 87 km/h gemessen, in Spitzen 125 km/h. Schwere Sturmböen gab es beispielsweise am Kap Arkona auf Rügen (77 km/h, 105 Spitze) und am Leuchtturm Kiel (79 km/h, 101 km/h in der Spitze).

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In Hamburg wurde am Morgen der Fischmarkt erneut überflutet. „Am Pegel St. Pauli wurde gegen 5.00 Uhr ein Wert von 1,98 Meter über dem mittleren Hochwasser (MHW) gemessen“, sagte ein Sprecher des Sturmflutwarndienstes des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. An der Nordseeküste spricht das BSH ab 1,5 Meter über MHW von einer Sturmflut. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen.

An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste gab es in einigen Orten eine Sturmflut - in Husum etwa wurde ein Pegelstand von 1,64 Meter über dem mittleren Hochwasser gemessen. An vielen anderen Pegeln blieben die Wasserstände allerdings unter dem Wert einer Sturmflut.

Das Sturmtief „Ylenia“ sorgte auch in Tschechien und Großbritannien für Stromausfälle und Verkehrsbehinderungen. Mehr als 300.000 Haushalte waren am Donnerstag in Tschechien wegen beschädigter Leitungen ohne Elektrizität. Auch im Norden Englands waren Tausende Haushalte zeitweise von der Stromversorgung abgeschnitten.

„Zeynep“ – nächstes Orkantief kommt

Ab Donnerstagnachmittag lässt der Wind von Tief „Ylenia“ laut DWD zwar langsam nach. Die Verschnaufpause dürfte jedoch nur kurz sein. Bereits für Freitagmittag wird das nächste Orkantief - „Zeynep“ genannt - von den Britischen Inseln kommend erwartet.

Am heftigsten wüte der Sturm voraussichtlich von der ostfriesischen Küste bis zur Elbe. „Dort können vorübergehend extreme Orkanböen von über 140 Stundenkilometer auftreten“, hieß es beim DWD.

Ab dem Mittag gibt es teils kräftige Regenfälle von Ostfriesland bis zur Ostseeküste, dabei werden vereinzelte Gewitter nicht ausgeschlossen. Von Westen her kann es wieder stürmische Böen und einzelne Sturmböen geben, zum Abend im Westen und Nordwesten auch schwere Sturmböen und orkanartige Böen. In der Nacht werden im Umfeld der Elbmündung extreme Orkanböen nicht ausgeschlossen.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat für die deutsche Nordseeküste erneut vor der Gefahr einer Sturmflut am Donnerstagnachmittag und Freitagfrüh gewarnt. Sturmfluten an sich seien durchaus normal, in der Häufigkeit wie im Moment jedoch schon ungewöhnlich, sagte ein Sprecher.

Sturmwarnung „Rot“ in Großbritannien – „Eunice“ zieht mit zu 160 Stundenkilometern heran

Angesichts eines über den Atlantik heranziehenden Sturms ist in Großbritannien die seltene Alarmstufe „Rot“ ausgerufen worden. Es bestehe „Gefahr für das Leben“, erklärte der britische Wetterdienst am Donnerstag. „Eunice“ werde am Freitag mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern die britische Küste erreichen.

Besonders betroffen sein werden den Vorhersagen zufolge Cornwall, die englische Südwestküste und der Süden von Wales - für all diese Regionen wurde die Warnstufe „Rot“ ausgegeben. Laut Wetterdienst wird „extrem starker Wind“ erwartet. Es drohten „gefährliche Zustände“, unter anderem könnten Häuserdächer abgedeckt, Bäume entwurzelt und Stromleitungen zerstört werden.

Die britische Regierung berief ein Krisentreffen ihres Notfallkomitees ein. Dabei sollte es auch um die Folgen des Sturmtiefs gehen, das am Mittwoch in Schottland und im Norden von England für weitreichende Stromausfälle gesorgt hatte.

Auch in Irland warnten die Behörden wegen „Eunice“ vor „schwerem und Schäden verursachenden Wind“. (dpa/AFP)

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