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José Rallo leitet als Managerin von "Donnafugata" eines der grössten und bekanntesten Weingüter Siziliens.

© Dominik Straub

Sizilianischer Wein ist weiblich: Im größten Anbaugebiet Italiens haben viele Frauen das Sagen

Die eine ist nebenbei Musikerin, die andere Kommunistin. Beide haben ihre Berufung in den Weinbergen der Insel gefunden. Und das gilt nicht nur für sie.

Als José Rallo in Peking bei einer Präsentation ihrer Weine merkte, dass das Publikum einzuschlafen drohte, stand sie von ihrem Tisch auf und ging selber ans Mikrofon – und begann zu singen. „Ich sang von unserem Wein und von den Landschaften Siziliens. Denn für mich gehört das alles zusammen: der Wein, das Territorium, die Kultur, die Lebensfreude.“

Die 57-jährige Sizilianerin ist mit ihrer Jazz-Band „Donnafugata Music&Wine“ auch schon im berühmten Blue Note von New York, in Schanghai, in Moskau und in der Akropolis von Athen aufgetreten. José Rallo ist aber nicht nur als Musikerin erfolgreich, sondern vor allem als Unternehmerin. Sie hat an der Universität von Pisa Ökonomie studiert und ist dann aber doch nach Sizilien zurückgekehrt und führt nun zusammen mit ihrem Bruder Antonio das familieneigene Weingut „Donnafugata“, eines der größten und bekanntesten in Sizilien.

Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Marsala an der Westküste der Mittelmeer-Insel; die Rebfläche umfasst 410 Hektar und verteilt sich auf mehrere Anbaugebiete.

Das Unternehmen produziert nachhaltig

Die Produktion bei „Donnafugata“ erfolgt auf nachhaltige Weise: Unter anderem produziert das Unternehmen den größten Teil des benötigten Stroms mit eigenen Solaranlagen. Und es ist eines der weiblichsten Weingüter Siziliens: Schon Josés Mutter Gabriella, die das Unternehmen mit ihrem Ehemann Giacomo Rallo im Jahr 1983 neu gegründet und radikal modernisiert hatte, galt als Pionierin des Weinbaus in Sizilien. Sie stellte – außer für die harte Arbeit im Weinberg – ausschließlich Frauen an.

Sizilien ist mit mehr als 100 000 Hektar bestockter Fläche inzwischen das größte Anbaugebiet Italiens geworden – die Anbaufläche ist so groß, wie alle Weinberge Deutschlands zusammengerechnet. Und das Beispiel der „Donnafugata“ hat Schule gemacht: Ungewöhnlich viele Betriebe im „größten Weinberg Italiens“ werden von Frauen geführt oder verlassen sich auf die Expertise von Önologinnen und Kellermeisterinnen.

40 Frauen aus Sizilien gehören dem Verein an

Seit 1987 haben die Wein-Managerinnen auch einen eigenen Verein: die von Gabriella Rallo mitbegründete „Associazione Le Donne del Vino“. Ihr gehören in Sizilien 40 Frauen an. Sie haben maßgeblichen Anteil am Boom der sizilianischen Weine in den vergangenen drei Jahrzehnten.

Für José Rallo ist die starke Präsenz im sizilianischen Weinbau kein Zufall: „Sizilianische Frauen haben einen großen Drang, sich zu befreien. Sie wollen zeigen, was in ihnen steckt, zu welchen Leistungen sie fähig sind.“ Der Wille zur Selbstbehauptung sei wohl besonders ausgeprägt im Mezzogiorno. „Und vielleicht gibt es ja auch eine besondere Verbindung der Frauen zur ,Mutter Erde': Erde bedeutet kultivieren, Sorge tragen, Früchte hervorbringen. Das verbindet die Frau mit den Trauben und dem Wein.“

Lilly Ferro Fazio ist eigentlich Juristin mit Anwaltspatent.
Lilly Ferro Fazio ist eigentlich Juristin mit Anwaltspatent.

© Dominik Straub

Lilly Ferro Fazio ist ebenfalls Mitglied des Klubs der Frauen des Weines. Und wie ihre Kollegin José Rallo hatte auch sie zunächst eine akademische Karriere eingeschlagen: Sie ist promovierte Juristin und Anwältin. Doch schon während des Studiums hatte sie sich in heutigen Mann verliebt, dessen Familie in der Provinz Trapani ein Weingut besitzt.

Die heutige „Casa Vinicola Fazio“ ist wenige Dutzend Kilometer nordöstlich von Marsala, in der Kleinstadt Fulgatore zu finden. Das Weingut umfasst rund 100 Hektar und liegt im DOC-Anbaugebiet von Erice, der berühmten antiken Kulturstadt in der Nähe von Trapani.

Und wie „Donnafugata“ hat sich auch die „Casa Vinicola Fazio“ unter weiblicher Führung der Nachhaltigkeit verpflichtet. Auf der kalkhaltigen und vulkanischen Erde werden kräftige, mineralische Weine gekeltert, von denen ein Drittel in den Export gehen. Lilly Ferro Fazio scheut auch Experimente nicht: Schon 1999 hatte sie mit der Produktion von qualitativ hochwertigen Schaumweinen begonnen; ihr jüngstes Wagnis ist ein trockener Spumante Rosé aus der einheimischen Rebsorte Nerello Mascalese.

Constanza Chirivino auf ihrem Weingut "Sallier de la Tour".
Constanza Chirivino auf ihrem Weingut "Sallier de la Tour".

© Francesco Bellina

Andere Pläne mit ihrem Leben hatte zunächst auch Costanza Chirivino, obwohl sie aus einer Weindynastie stammt, die ihre Wurzeln im Piemont hat – der Name des von ihr geführten Weinguts „Sallier de la Tour“ erinnert noch an die frankophonen Wurzeln.

Chirivino hatte sich als Gymnasiastin bei der Jugendorganisation der kommunistischen Partei engagiert, während ihres Studiums der Kommunikationswissenschaften kandidierte sie im Jahr 2012 für das Gemeindeparlament in Palermo. Sie wurde bestgewählte Kandidatin ihrer Liste, doch die Kommunisten scheiterten an der Prozenthürde. „Da sagte ich mir: Basta mit der Politik.“

Ihre Passion ist die Syrah-Traube

Sie bewarb sich beim renommierten Weinproduzenten Tasca d’Almerita, zu dem das Familiengut „Sallier de la Tour“ inzwischen gehörte – und vier Jahre später wurde ihr die Leitung der 77 Hektar großen „Tenuta“ übertragen. Ihre Passion ist die internationale Syrah-Traube, aus dem auch ein frischer Rosato gekeltert wird.

„Gleichzeitig pflegen wir aber auch die von meinem Onkel und meinem Großvater ererbte Tradition der autochtonen Sorten: Wir produzieren Nero d’Avola und die beiden typisch sizilianischen Weißwein-Rebsorten Inzolia und Grillo.“ Constanze Chirivinos oberstes Ziel ist freilich nicht so sehr das Wachstum, sondern die Qualität.

"Es geht um die Entdeckung der Zeit"

Gleichzeitig liegt ihr daran, dass „Sallier de la Tour“ ein offener Ort für Weinliebhaber aus aller Welt wird: Sie hat einer Gruppe von Weinfans einen Weinberg auf einem Hügel zur Verfügung gestellt, den sie das ganze Jahr pflegen können: Ende Februar der Winterschnitt, im Mai die Arbeit im Weinberg, im August die Weinlese und schließlich die Flaschenabfüllung und Etikettierung im Dezember.

„So kann man ein ganz anderes Verhältnis zum Wein und seinem Territorium herstellen. Wer ein Glas Wein trinkt, hat ja oft keine Ahnung, was für Arbeit dahinter steckt. Es geht um die Entdeckung der Zeit, die ein guter Wein braucht.“

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