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Christopher Street Day in Köln

© dpa

Schwulenparaden: Alles Provokation - Kölner CSD wird reglementiert

Schluss mit freizügig: Die Demonstranten des Kölner CSD sind den Veranstaltern zu provokativ. Die Schwulen- und Lesbenparade in Nordrhein-Westfalen soll wieder politischer werden. Damit das auch funktioniert, gibt es jetzt Regeln. Trifft die sogenannte CSD-Charta jetzt auch Berlin?

Schwulen- und Lesbenparaden, die zu mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender aufrufen und Gleichberechtigung fordern, gibt es mittlerweile in vielen deutschen Städten. Der sogenannte Christopher Street Day (CSD) ist der größte Umzug; er findet jährlich zum Beispiel in Köln und Berlin statt. Kontrovers diskutiert werden die einzelnen CSDs nicht nur wegen der noch immer real existierenden Homophobie, sondern auch die zunehmende Entpolitisierung des einst so geschichtsträchtigen Umzuges und Freizügigkeit der Veranstaltung sind immer wieder ein Thema - auch unter Homosexuellen.

Streitpunkt ist folgender: Während sich die eine Seite um mehr Akzeptanz und Respekt bemüht, torpediert die andere diese mit sexueller Provokation, die bis zum Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit reicht. Der Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. (Klust), der den jährlichen CSD in Köln ausrichtet, will diese Diskussion nun beenden und den politischen Aspekt des CSD wieder in den Fokus stellen.

Was ist Provokation?

Im Januar beschloss Klust e.V. deshalb eine CSD-Charta, die alle teilnehmenden Gruppen, Vereine, Unternehmen und Organisationen zu mehr Rücksichtnahme während der Parade verpflichtet: "Beim äußeren Erscheinungsbild und beim Verhalten während der CSD-Parade sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Taktgefühl beweisen und Rücksicht nehmen auf die anderen Teilnehmenden der Parade und auf die Menschen am Straßenrand. Die Toleranz, welche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der CSD-Parade für sich einfordern, soll nicht durch maßlose Provokation überstrapaziert werden", heißt es in Paragraph 4 der Charta. Jedoch geht daraus nicht hervor, was denn nun mit dem Begriff Provokation im Detail gemeint sein könnte. Der Schluss liegt nahe, dass man hier mit vorauseilendem Gehorsam versucht, der Pseudotoleranz vieler Heterosexueller Tür und Tor zu öffnen. Denn Homosexuelle sind in vielen Fällen nur akzeptiert, wenn sie ihre Homosexualität nicht in der Öffentlichkeit zeigen.

"Wir sind keine Spießer. Der Kölner CSD soll nach wie vor Grenzen austesten", widerspricht Markus Danuser, Vorsitzender von Klust. Die Charta solle lediglich ein gemeinsames Wertefundament unter allen Teilnehmern schaffen und es nicht "zu einer Entsolidarisierung oder gar einer Spaltung innerhalb unserer Gemeinschaft" kommen lassen. Anlass für die Charta sei die Teilnahme von Bordellen und Pornoproduktionsfirmen an vergangenen Umzügen, so Danuser im Gespräch mit zoomer.de. Lesben hätten diese als Angriff auf Frauenrechte gesehen und sich beschwert.

"Protest in sexualisierter Form"

Der Vorsitzende des Schwulen- und Lesbenverbandes Berlin/Brandenburg, Alexander Zinn, sieht den Kölner Vorstoß kritisch. "Natürlich ist ein CSD immer eine Gratwanderung, denn oft findet der Protest in sexualisierter Form statt." Doch der Übertretung von Grenzen schiebt bereits der Gesetzgeber einen Riegel vor: Die "Erregung öffentlichen Ärgernisses" stellt in Deutschland eine Straftat dar.

"Dafür braucht es keine Charta, die den Leuten vorschreibt, was sie tun und lassen sollen", sagt Zinn. Er vermutet hinter der Charta eine Art Sittenpolizei der Veranstalter. Fakt ist, dass sich Klust von teilnehmenden Gruppen, Vereinen oder Unternehmen, die im Verdacht stehen, andere Demonstranten oder Menschen am Straßenrand mit ihrer Anwesenheit zu provozieren, distanzieren will. Wer die Charta nicht verbindlich anerkennt, muss damit rechnen, dass Klust diesen Vorgang in "geeigneten Fällen" öffentlich macht.

"Man muss sich vor Augen führen, dass allein die Tatsache Homosexualität in Deutschland immernoch als Provokation wahrgenommen wird und mit ihr der CSD", sagt Alexander Zinn. Vor lauter Reglementierung sollten die Veranstalter des Kölner CSD also keine Spaltung ihrer Gemeinschaft provozieren.

Nadine Lantzsch

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