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In der Nähe von Balderschwang sind mehrere Straßen wegen Lawinengefahr gesperrt. Nun hat eine Lawine ein Hotel getroffen.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Update

Schneemassen im Alpenraum: Seehofer: Einsatzkräfte leisten "Übermenschliches"

Im Allgäu drückt eine Lawine die Fenster eines Hotels ein, verletzt wird niemand. Der Deutsche Wetterdienst erwartet weiter massiven Schneefall. Ein Überblick.

Zu Beginn der neuen Woche sind in den südbayerischen Schneefallgebieten weiter tausende Helfer im Dauereinsatz gewesen. Sie räumten am Montag Dächer und Straßen, angesichts angekündigter neuer massiver Schneefälle blieb die Lage extrem angespannt.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dankte den Einsatzkräften bei einem Besuch in Berchtesgaden. Sie leisteten seit Tagen "Übermenschliches". Seehofer lobte die gute Organisation aller beteiligten Stellen und Behörden. "Da gibt es keinen Eitelkeiten", sagte der Minister. Die Helfer seien motiviert und kompetent. Er danke im Namen der gesamten Bundesregierung und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Bundesregierung sei von der Lage "sehr betroffen". In Berlin dankte auch Regierungssprecher Steffen Seibert den Helfern. Diese leisteten "Großartiges".

Nach Angaben des Deutschen Wetterdiensts (DWD) war bis Dienstagabend in exponierten Staulagen der Alpen mit bis zu anderthalb Metern Neuschnee zu rechnen, im Alpenvorland mit bis zu 70 Zentimetern. Angesichts starker Winde warnten die Meteorologen zudem vor Schneeverwehungen, zusätzlich blieb die Lawinengefahr sehr hoch.

In Teilen Südbayerns gilt nach langen und extremen Schneefällen der Katastrophenfall. Viele Straßen sind gesperrt, schwere Schneelasten auf Dächern sorgen für Gefahr. Die angekündigten neuen Schneefälle sollten die Lage noch einmal deutlich verschärfen. Zugleich sollten mildere Temperaturen und Regen in niedrigeren Lagen den gleichen Effekt zu haben. Auch sie machen den Schnee schwerer.

Im benachbarten Österreich blieb die Situation ebenfalls äußerst angespannt. Wie die Nachrichtenagentur APA berichtete, waren dort zahlreiche Verkehrswege durch die Alpen gesperrt und viele Dörfer nicht erreichbar. In Faistenau im Flachgau starb laut Polizei ein Arbeiter, als sich beim Freischaufeln eines Gebäudes eine Dachlawine löste und ihn sechs Meter in die Tiefe riss. Zwei weitere Arbeiter wurden bei dem Vorfall vom Montag verletzt.

Neben Feuerwehren und örtlichen Rettungsdiensten waren in Bayern auch Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW), Bundeswehrsoldaten sowie Landes- und Bundespolizisten im Einsatz. Nach Angaben Seehofers beteiligen sich allein im schwer getroffenen Landkreis Berchtesgadener Land derzeit mehr als 200 Bundespolizisten daran, schneebedeckte Dächer und Straßen freizuräumen. Nach Angaben des Landkreises belief sich die Zahl der Einsatzkräfte dort auf mehr als 1800. Sie räumten demnach bis Montag knapp 500 Dächer.

Im Landkreis Miesbach waren waren es den Behörden zufolge 1700, im Landkreis Traunstein 1600 und Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen etwa 840 Helfer. Insgesamt schickte die Bundeswehr bislang 1700 Soldaten, das THW entsandte 1700 Kräfte und die bayerische Landespolizei 500. Auch Feuerwehren aus ganz Bayern waren im Einsatz.

Überall konzentrierten die Helfer ihre Anstrengungen nach Angaben der Behörden vor allem auf die Dächer wichtiger Gebäude der öffentlichen Infastruktur sowie solche Objekte, in denen Menschen oder Tiere in Gefahr waren. Dazu zählten unter anderem ein Kinderkrankenhaus im Gaissach im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Es handle sich um eine "Ausnahmesituation für alle", erklärte der Landkreis Miesbach. Er warnte Wintersportler zudem vor der großen Gefahr durch Lawinen.

Viele Skigebiete in Bayern und Österreich geschlossen

Lawinengefahr, Wind, Schneebruch: In vielen Skigebieten Bayerns standen am Montag die Lifte still. In Deutschlands höchstem Skigebiet an der Zugspitze blieben die Anlagen geschlossen; in den anderen Skigebieten bei Garmisch-Partenkirchen konnten Skifahrer nur in den niedrigen Lagen ihre Schwünge ziehen.

Im Skigebiet Oberstdorf und Kleinwalsertal liefen am Montag von 48 Liften nur 18. In den Skigebieten am Sudelfeld und am Spitzingsee standen die Lifte komplett; unter anderem zum Spitzingsee war die Zufahrt wegen Lawinensprengungen gesperrt. Am Brauneck liefen nur Lifte in unteren Lagen.

„Bei uns ist es vor allem die Schneelast auf dem Bäumen“, sagte eine Sprecherin des Ski- und Bergbahnverbundes Alpen Plus. Ein Baum sei auf das Seil einer Liftanlage gefallen, andere Bäume seien in die Piste gestürzt. „Wir hoffen, dass wir Mitte oder Ende der Woche wieder in Betrieb gehen können.“

Auch in Österreich ist nach Angaben des Skiportals skiresort.de aufgrund der Wetterverhältnisse und der teils sehr großen Lawinengefahr fast die Hälfte der Skipisten geschlossen. Komplett still standen die Lifte am Montag in kleinen Skigebieten wie der Planneralm, dem Gebiet am Hochkar sowie der Region Loser-Altaussee, wie auf den Internetseiten der Gebiete gemeldet wurde.

In den großen Skigebieten waren ebenfalls viele Pistenabschnitte nicht befahrbar. So waren in der Skiregion Arlberg laut eigener Webseite zeitweise nur 49 von 306 Pistenkilometer geöffnet, in der Skiregion Sölden waren es gerade einmal 15 von 140 Kilometern. In Saalbach-Hinterglemm waren 40 von 69 Liften in Betrieb und 62 von 114 Kilometern Piste befahrbar. Insgesamt gibt es laut skiresort.de knapp 7000 Kilometer Skipiste in ganz Österreich.

Im Allgäu wird ein Hotel von einer Lawine getroffen

In dem von der Außenwelt abgeschnittenen Allgäuer Wintersportort Balderschwang ist am Montag ein Hotel von einer großen Lawine getroffen worden. Verletzt von den Schneemassen wurde nach Angaben eines Polizeisprechers niemand.

Die Lawine mit einer Breite von 300 Metern drückte Fenster des Hotels ein, Schnee drang ins Gebäude ein. Einsatzkräfte waren vor Ort, konnten aber zunächst nicht mit Räumungsarbeiten beginnen. Experten mussten zuerst klären, ob sich weitere Schneebretter lösen könnten.

Die etwa hundert Hotelgäste seien anderweitig untergebracht worden. Balderschwang ist derzeit nur für Einsatzkräfte erreichbar, die etwa 1300 Bewohner und Touristen im Ort können die an der Grenze zu Österreich liegende Gemeinde nicht verlassen.

Deutscher Wetterdienst warnt vor extremem Unwetter

Der Deutsche Wetterdienst warnte derweil in den höheren Lagen ab tausend Metern in den Alpen vor extremem Unwetter. Insgesamt sei in den Alpen starker Schneefall zu erwarten, oberhalb der tausend Meter in einem extrem starken Ausmaß. Es sei gebietsweise bis zu ein Meter Neuschnee zu erwarten, wegen der bereits jetzt großen Schneehöhen steige durch den Neuschnee die Gefahr von Schneebruch erheblich. Für die bayerischen Alpen gilt die zweithöchste Lawinenwarnstufe.

Die Zufahrt zur Gemeinde Balderschwang ist wegen der Gefahr von Abgängen seit Sonntag gesperrt. Am späten Sonntagabend hatte eine Lawine Teile der Bundesstraße 305 im Landkreis Berchtesgadener Land verschüttet. Verletzt wurde niemand, der Streckenabschnitt blieb gesperrt.

In Niederbayern entspannte sich in der Nacht zum Montag hingegen die Lage: Die Zufahrtsstraßen zum Wintersportort Sankt Englmar bei Straubing sind wieder offen. Das Landratsamt gab um 5.00 Uhr die Zufahrtsstraßen frei, nachdem mehrere Forstmaschinen die durch Schneelast umgestürzten Bäume von der Fahrbahn geräumt und Schnee von den Bäumen geschüttelt hatten. Die Lifte im Skigebiet, Langlaufloipen und Wanderwege bleiben aber bis auf weiteres geschlossen.

Österreich: Tauernautobahn gesperrt, ein Dutzend Orte nicht erreichbar

Auch in Teilen Österreichs blieb die Lage angespannt. Nach erneut kräftigen Schneefällen sind dort mehr als 180 Straßen gesperrt. Wie der Sender ORF am Montagmorgen meldete, waren deswegen mindestens ein Dutzend Orte nicht erreichbar. Am Hochkar sind nach einem Bericht der Nachrichtenagentur APA 180 Menschen eingeschlossen, die Hochkar-Alpenstraße musste wegen Lawinenabgängen gesperrt werden. Es gebe dort einen totalen Stromausfall.

Der bei Skitouristen beliebte Urlaubsort Saalbach-Hinterglemm in Österreich ist aufgrund der großen Lawinengefahr nicht mehr erreichbar. Wie das Land Salzburg am Montagabend mitteilte, wurde die L111 ab Maishofen sicherheitshalber gesperrt. Dadurch waren am Abend allein in diesem österreichischen Bundesland elf Orte und darin mehr als 41 000 Menschen nicht erreichbar.

Die Lifte in Saalbach-Hinterglemm gehören zum Skicircus Saalbach-Hinterglemm/Leogang/Fieberbrunn, einem der größten Skigebiete in Österreich mit 70 Liften und 270 Kilometern Skipiste. Die meisten Pisten waren am Montag geöffnet. Im Salzburger Land ebenfalls abgeschnitten waren am Montagabend unter anderem die Orte Lofer, Obertauern, Tweng, Großarl und Rauris.

Darüber hinaus teilte das Land mit, dass die Tauernautobahn (A10) zwischen Flachau und Zederhaus wegen Schneeglätte gesperrt wurde. Da auch die parallel verlaufende Straße über Obertauern nicht befahrbar war, musste der Bereich großräumig umfahren werden. Ebenfalls gesperrt war der Katschbergtunnel in Fahrtrichtung Norden.

Die Lawinengefahr ist in einigen Regionen im Vergleich zum Wochenende wieder angestiegen. In den Bundesländern Vorarlberg und Tirol wurde die höchste Warnstufe ausgerufen. In den Vorarlberger Gebieten mit sehr großer Lawinengefahr kamen bis zum Morgen 65 bis 100 Zentimeter Neuschnee zusammen. Es wurden noch weitere 30 bis 50 Zentimeter Neuschnee erwartet.

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ging zudem davon aus, dass es in Tirol und Vorarlberg gebietsweise bis zu 5 Grad warm werden könnte. „Mit der Erwärmung steigt die Auslösebereitschaft von spontanen trockenen Lawinen vor allem in mittleren und hohen Lagen deutlich an“, heißt es im Lagebericht des Lawinenwarndienstes. Auch im Gebiet Hohe Tauern im Land Salzburg galt am Montag die höchste Lawinenwarnstufe.

Hochwassergefahr in Bayern und Baden-Württemberg steigt

Nach den Regen- und Schneefällen der vergangenen Tage sind in der Nacht zu Montag mehrere Flüsse und Bäche in Bayern über die Ufer getreten. Auch aus manchen Regionen Baden-Württembergs wurde Hochwasser wegen Regens und Tauwetters gemeldet.

Vor allem in der Mitte und im Norden von Bayern wurden teilweise Äcker und Wiesen überflutet, wie der Hochwassernachrichtendienst mitteilte. Für den oberfränkischen Landkreis Kulmbach warnte er vor Überschwemmungen in bebauten Gebieten. Auch in Mittelfranken stellte sich die Polizei auf Überschwemmungen ein. „Das Hochwasser kommt langsam“, sagte eine Polizeisprecherin am Morgen. In Niederbayern stiegen einem Polizeisprecher zufolge die Wasserstände leicht an.

Am Neckar in Gundelsheim, Lauffen und Horb sowie an der Rems oder der Fils wurden nach Angaben der Hochwasservorhersagezentrale von Baden-Württemberg in der Nacht zum Montag Meldewasserstände überschritten. Am Neckar stiegen die Pegelstände auch am Morgen noch weiter, sagte ein Hydrologe der Zentrale. In Heidelberg sowie in Eberbach und Neckargemünd drohten am frühen Montagmorgen Straßen entlang des Neckars überspült zu werden. Hochwasser-Schwerpunkte seien der nordöstliche Landesteil sowie der Schwarzwald, hieß es.

Lawine tötet Lawinenhelfer in der Schweiz

Eine Lawine hat in den Schweizer Alpen einen jungen Mann getötet, der ein Skigebiet absichern wollte. Wie die Kantonspolizei Wallis am Montag mitteilte, konnten die Einsatzkräfte den verschütteten 24-Jährigen nur noch tot aus den Schneemassen bergen. Der Skiwächter war am Montagmorgen mit einem Kollegen im Gebiet „Crosets“ nahe der Grenze zu Frankreich unterwegs, um mit Schneesprengungen das Gebiet zu sichern.

Am Vormittag brach auf einer Höhe von 1970 Metern eine Lawine ab und riss die Männer mit. Einem der beiden Verschütteten gelang es, sich aus den Schneemassen zu befreien. Gemeinsam mit hinzugekommenen Helfern wurde der 24-Jährige mit speziellen Suchgeräten unter einer 1,40 Meter dicken Schneedecke gefunden. Jede Hilfe kam aber zu spät.

Die Lawine erstreckte sich über 275 Meter und war 156 Meter breit. Die Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet. (AFP, dpa)

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