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Erhöhte Präsenz. Mexikos Präsident Obrador hat ein Kontingent Nationalgardisten nach Cancún geschickt – wie 2017 (Foto).

© dpa

Schießereien in Hotels: Mexikos Urlauberparadies Cancún wird immer gefährlicher

Im Visier der Mafia: Weil sich internationale Banden in Cancún immer rücksichtsloser bekriegen, sind öfter auch Touristen unter den Opfern.

Eine indische Reisebloggerin. Ein bekannter mexikanischer Graffiti-Künstler. Eine deutsche Touristin. Eine kubanische Sängerin, nun zwei Kanadier – die Liste der internationalen Mordopfer in der mexikanischen Karibik wird immer länger. Mittlerweile patrouillieren schwer bewaffnete Soldaten an den Stränden zwischen Cancún und Tulúm.

Einst galt das Urlauberparadies als relativ sichere Gegend. Dann begannen vor zehn Jahren Revierkämpfe zwischen verfeindeten Drogenbanden. Sie fanden allerdings in den Nachtclubs oder den Arbeitervierteln der Peripherie von Cancún statt. Opfer waren meist junge Mexikaner. Nun häufen sich Überfälle und Schießereien auch am helllichten Tag in Luxushotels, am Strand und in von Ausländern frequentierten Bars und Diskotheken.

Für die Tourismusindustrie, die ohnehin von Corona schwer gebeutelt ist, sind das Hiobsbotschaften. Noch beunruhigender sind für Experten aber Anzeichen, dass die internationale Mafia offenbar Mexikos Karibikküste als operative Plattform ins Auge gefasst hat.

Jüngster Hinweis darauf ist eine Schießerei vor einigen Tagen in einem Luxushotel an der Riviera Maya gewesen. Dabei starben zwei Kanadier, eine Frau wurde verletzt. Die Schüsse ereigneten sich mitten am Tag am Pool des Hotels und lösten Panik aus. Die beiden Toten, so stellte sich rasch heraus, waren international gesuchte Kriminelle, verstrickt in Drogen- und Waffenhandel sowie Geldwäsche.

Medienberichten zufolge arbeiteten die beiden im Auftrag des vietnamesischen Mafiabosses Cong Dinh, der seine Hauptoperationsbasis in den USA und Kanada hat. Es sah nach einer Abrechnung im Milieu aus: Der Mörder war unter falscher Identität als Gast eingecheckt und floh danach in den Dschungel, der das Hotel umgibt.

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„Die Karibik ist ein attraktives Ziel für internationale Kriminelle geworden“, schreibt der Mafia-Experte Eduardo Guerrero in der Zeitung „El Financiero“. „Die Kombination aus Stränden, Bars und laxen Einreisekontrollen hat dazu beigetragen.“ Dem pflichtet Falko Ernst von der International Crisis Group bei: „Cancún und die Riviera Maya sind ein Magnet für kriminelle Interessen, denn dort ist viel Geld im Umlauf. Die Karibik ist außerdem eine wichtige Plattform des internationalen Drogenhandels.“

Und sie ist auch ein lukrativer Absatzmarkt für die Kartelle: Von den 45 Millionen Touristen, die vor der Pandemie jährlich Mexiko besuchten, landeten 40 Prozent in Cancún. Beliebt sind die Strände vor allem bei jungen Partytouristen, die viel Alkohol und Drogen konsumieren.

Der bisher bekannteste internationale Mafiaboss, der voriges Jahr in Cancún festgenommen wurde, war der Rumäne Florian Tudor. Seine Bande hatte sich auf das Klonen von Kreditkarten spezialisiert. „Es gibt aber noch weitere Banden aus Osteuropa und Russland“, sagt Guerrero, der für den mexikanischen Geheimdienst arbeitete. Auch chinesische Triaden sind in Mexiko in die Produktpiraterie, den Schmuggel von Holz und exotischen Tieren, von Bergbauprodukten und chemischen Vorläuferdrogen verwickelt.

Mexikos Mafia ist zunehmend zersplittert

Bisher laufen viele dieser kriminellen Geschäfte noch parallel zum Drogenbusiness und der Schutzgelderpressung der mexikanischen Gruppen. Doch Eduardo Guerrero befürchtet, dass „internationale Zellen ihre Dienstleistungen und Kontakte den mexikanischen Kriminellen anbieten könnten, vor allem bei der Geldwäsche, dem Drogen-, Waffen- und Menschenhandel.“

Die mexikanische Mafia ist in den vergangenen Jahren zunehmend zersplittert. „In der Region sind die großen Drogenkartelle wie das Sinaloa-Kartell und Jalisco Nueva Generacion tätig. Und zahlreiche lokale Kriminelle“, sagt Falko Ernst von der Crisis Group Mexiko.

Diese etwas unübersichtliche Gemengelage führt immer häufiger zu Konflikten in der Unterwelt. Die dann beispielsweise im November in eine Schießerei in einem Hotel in Puerto Morelos gipfelten. In dem kleinen, beschaulichen Fischerdorf hatten Gäste offenbar Hotelmitarbeiter um Tipps für den Erwerb von Kokain gebeten. Die tätigten ein paar Anrufe, die aber laut Ermittlern schlecht abgesprochen waren: So trafen zeitgleich zwei unterschiedliche Kartelle am Hotel ein, was zu dem Schusswechsel führte, bei dem zwei Dealer starben.

Die Regierung kann die Korruption nicht stoppen

Dass die Gewalt eskaliert, hat Ernst zufolge auch mit einer „fehlenden Strategie der Regierung“ zu tun. Zwar entsandte Präsident Andres Manuel López Obrador vor Weihnachten ein Kontingent Nationalgardisten in die Region. „Aber es gibt keine kohärente Strategie, den Sumpf zwischen Staat und Kriminellen auszutrocknen und die Korruption zu bekämpfen“, sagt Ernst.

Guerrero hegt die Hoffnung, dass der massive Druck der Tourismusindustrie die Politiker zum Handeln zwingt. Der Tourismus trägt fast neun Prozent des Bruttoinlandsproduktes bei. Positive Beispiele dafür gibt es etwa in der Industriestadt Monterrey, wo ein konzertiertes Vorgehen von Politikern, Wirtschaftsbossen und mehreren internationalen Geheimdiensten Erfolge beim Zurückdrängen der Mafia zeitigte.

Ernst ist trotzdem skeptisch. „Es gibt auch Negativbeispiele wie Acapulco, das sein Image als Tourismushochburg verloren hat.“ Generell sei das Land gerade im Rückwärtsgang bei der öffentlichen Sicherheit. „Immer neue Gegenden geraten in den Sog der Mafia.“

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