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Blüte für Blüte. Die roten Fäden im blühenden Krokus werden einzeln abgelöst, getrocknet und als Safran verpackt.[

© Ann-Kathrin Hipp

Safran-Krokusse: Fünf Freunde ernten rotes Gold

In der Bretagne haben Landbewohner ein lukratives Hobby entwickelt: Den Anbau und die Ernte von Safran.

Sechs Uhr morgens in einem 60-Seelen-Dorf in der Bretagne: Absolute Dunkelheit, absolute Stille. Am Ortsrand allerdings bewegen sich fünf kleine Lichter langsam über ein Feld. Fünf Menschen mit Stirnlampen. Die Hosen voller Erde rutschen sie auf Knien über den Acker, krabbeln Stück für Stück voran. Das Feld unter ihnen wirkt verwildert. Erst bei genauerem Hinsehen sind zwischen Unkraut und Kräutern die violetten Krokusse zu erkennen, die sie pflücken. Am Ende des Tages werden sie sich in das teuerste Gewürz der Welt verwandelt haben, das man einst mit Gold aufwog: Safran.

Crocus sativus heißt die Pflanze, die sich hauptsächlich im Iran, Afghanistan und dem Kaschmirgebiet finden lässt. Auch in Spanien, Marokko und der Türkei gibt es größere Anbaugebiete. Die Pflanze in den Norden der Bretagne zu bringen, war „ein Abenteuer“, wie Mehdi Benomar sagt. Zwar habe Frankreich bis Anfang des 19. Jahrhunderts ebenfalls zu den großen Safranproduzenten gehört, allerdings hätten kalte Winter und Kriege das Handwerk hier zum Erliegen gebracht. Heute gibt es in der Bretagne rund ein Dutzend Bauern, die wieder mit der Pflanze experimentieren.

Mehdi Benomar ist einer von ihnen. In La-Ville-Durand, einem kleinen Dorf an der Atlantikküste, hat er sich mit seinen Nachbarn und Freunden zusammengetan, um das rote Gold anzupflanzen: Eine Schnapsidee, entstanden an einem Weinabend, die einem Pharmaberater, einer Journalistin, einem Krankenpfleger, einem Angestellten der Stadt und einer Rentnerin einen Zweitjob als Safranbauern verschaffte. Fünf Jahre ist das jetzt her.

1 Gramm Bio-Safran höchster Qualität kostet 34 Euro

Mittlerweile bewirtschaften die Freunde ein Feld von rund 2000 Quadratmetern, begegnen den wetterbedingten Begebenheiten der Bretagne mit selbsterdachten und gegoogelten Anbaustrategien. In der Klassifizierung der Internationalen Organisation für Normung, die das Gewürz in vier Klassen kategorisiert, erreicht ihr Bio-Safran die höchste Qualitätsstufe. Sie verkaufen ihn an Hobby- und Sterneköche, viele von ihnen aus der Region.

34 Euro kostet das Gramm. 150 bis 200 Blüten braucht es dafür. An guten Tagen sammeln die Hobbybauern rund 5000. Die Krokusse blühen nur einmal im Jahr für wenige Wochen im Herbst. Die Ernte findet vor Tagesanbruch statt, um die Blüte vor Sonneneinstrahlungen und vor Tau zu schützen. Im Laufe des Tages, erklärt Benomar, verlassen den Krokus seine Kräfte. Er verwelkt – um am nächsten Morgen wieder aufzuerstehen.

Die roten Griffel der blühenden Krokusse werden einzeln abgelöst und zu Safran getrocknet.
Die roten Griffel der blühenden Krokusse werden einzeln abgelöst und zu Safran getrocknet.

© Daniel Karmann/dpa

Gewürz und Duftstoff, Färbe- und Heilmittel

Die Pflanze hat etwas Magisches, dient seit Jahrtausenden als Duftstoff, Färbe- und Heilmittel. In der Antike galt sie als Gabe der Götter und Luxus für die Superreichen. Zeus, so erzählen die Sagen, soll sich jeden Abend auf einem Bett aus Safran niedergelegt haben. Araber brachten das rote Gold in die europäischen Küchen. Da ist er bis heute Bestandteil traditioneller Gerichte wie der spanischen Paella, dem italienischen Risotto oder der französischen Bouillabaisse.

Allein der Griffel der Blüte, der aus drei roten Fäden besteht, die winzigen Trompeten ähneln, liefert das begehrte Gewürzaroma und wird in Handarbeit vom Rest der Pflanze getrennt. Um die Qualität hoch zu halten, wird die Ernte noch am selben Tag verarbeitet; Minitrompete für Minitrompete – Sisyphusarbeit, die Geduld verlangt und die sich die Freunde mit Kaffee, Croissants und dem neuesten Klatsch aus dem Dorf versüßen.

Sind sie fertig, wandern die roten Fäden in den vorgeheizten Ofen, wo sie bei 50 bis 75 Grad eine Viertelstunde ihrem idealen Konservierungszustand entgegen dörren, schrumpfen und dabei 80 Prozent ihrer Masse verlieren. Lagern sie jetzt noch einige Wochen luftdicht in der Dunkelheit, haben sie ihr volles Aroma entfaltet und der Safran kann pünktlich zur Weihnachtszeit hübsch verpackt verkauft werden. „Wenn man die Handarbeit sieht, die hier drin steckt, dann versteht man, warum Safran das teuerste Gewürz der Welt ist“, sagt Benomar.

Als Produktionsstätte dient das Haus von Mitproduzentin Annie Noël, nur weniger Meter entfernt vom Acker. Der Arbeitsplatz ist ein Esstisch, die Trockenstation ein handelsüblicher Mini-Elektroofen, der Lagerraum die Küchenschränke. „Wir sind keine geschulten Experten, aber im Internet findet man heutzutage alle Informationen, die man braucht“, sagt die Rentnerin und wirkt ein bisschen stolz auf das, was sie da aus dem Nichts geschaffen haben. Rund 2000 kleine Trompeten sind es heute, die sie, ausgestattet mit einer Eieruhr und einem Thermometer, trocknen und abfüllen wird. Das ist ihr Job, während sich die anderen mit dem Morgengrauen langsam verabschieden – für sie beginnt jetzt der normale Arbeitsalltag.

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