zum Hauptinhalt
Ein Wolf streift durch ein Gehege im Wolfcenter Dörverden.

© dpa/Ingo Wagner

Rückkehr der Raubtiere: Die Jagd auf den „Problemwolf“ ist teuer und erfolglos

Seit acht Monaten jagt Niedersachsens Landesregierung einen Wolf. 150.000 Euro hat sie dafür schon ausgegeben. Im Internet hat der Rüde schon Fans.

Die Jagd auf GW717m dauert schon acht Monate. Und sie ist teuer. 150.000 Euro hat Niedersachsens Landesregierung bislang dafür ausgegeben, dass der Leitrüde des im Kreis Nienburg ansässigen sogenannten Rodewalder Wolfsrudels „entnommen“, also getötet wird. Das Tier wird für Risse von bis zu eingezäunten Rindern, Ponys sowie auch eines Alpakas im Landkreis Nienburg und zwei Nachbarkreisen verantwortlich gemacht.

Es sei davon auszugehen, beantwortete das niedersächsische Umweltministerium dieser Tage eine Anfrage der Grünen, „dass der Wolfsrüde seine Fähigkeit, zum Selbstschutz befähigte Rinder anzugreifen und zu reißen, beibehalten hat“. Mehr noch: „Dass er diese Fähigkeit weiter verfeinert und an andere Tiere des Rudels weitergibt.“

Mit der – von Gerichten in mehreren Instanzen gebilligten - „Entnahme“ von GW717m - das Kürzel GW steht für Greywolf, m für männlich, 717 ist eine fortlaufend vergeben Nummer - hatte das Umweltministerium schon im Januar einen nicht näher genannten „Dienstleister“ beauftragt, dieser hat dem Land Niedersachsen auch den Betrag von 150.000 Euro in Rechnung gestellt.

Auf welche Weise der „Dienstleister“ dem Wolf nachspürt, lässt das Ministerium sowohl in der Antwort auf die Anfrage als auch gegenüber Journalisten im Dunkeln. Nur so viel wird verraten: „Es erfolgt ein intensives Monitoring des Geländes; außerdem werden Wildkameras eingesetzt.“ Es wurden auch Kastenfallen aufgestellt, in die der Wolf aber nicht tappte. Lediglich durch Fotofallen soll er schon getrabt sein. Berufsjäger sind bislang nicht in die Verfolgung des Rüden eingebunden, heißt es.

GW717m wäre nach MT6, dem Tierfreunde den Kosenamen Kurti verpassten, der zweite Wolf, der in Niedersachsen von Amts wegen getötet wird. Kurti hatte sich vor drei Jahren Menschen genähert, wohl weil er als Welpe auf einem Truppenübungsplatz angefüttert worden war und so seine angeborene Scheu verloren hatte. Da Kurti einen GPS-Sender trug, konnte er aufgespürt, gefangen und schließlich erschossen werden. Nach Angaben des Dokumentations- und Beratungszentrums des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) wurden seit Rückkehr der Raubtiere nach Deutschland vor 20 Jahren insgesamt drei Wölfe mit Erlaubnis oder auf Anweisung der Behörden erschossen.

Angriffe auf die an der Jagd Beteiligten befürchtet

Der „Rodewalder Rüde“, einige Fans im Internet nennen ihn „Roddy“, hingegen ist nicht besendert, wie übrigens derzeit keiner der Wölfe aus den gut 20 in freier Wildbahn lebenden Rudeln in Niedersachsen, und insofern gibt es auch keine Blaupause, um ihn zu fangen und zur Strecke zu bringen. Die Frage, wie der Gesuchte denn ohne Sender überhaupt von anderen Wölfen des Rudels oder durchziehenden Tieren zu unterscheiden ist, beantwortet das Ministerium auf seiner Internetseite so: Der Rüde habe „geschlechts- und altersentsprechend Merkmale, die ihn von den anderen Rudelmitgliedern unterscheiden“.

Gleichwohl, räumt das Umweltministerium ein, sei die Maßnahme, die „unter höchstmöglicher Schonung des Individuums sowie der übrigen Rudelmitglieder erfolgt, von großen Schwierigkeiten geprägt“. Diese würden durch die Aktivitäten von Störern noch verschärft. Gemeint sind damit Geländespiele und Waldpatrouillen, die Naturschützer in dem an die 600 Quadratkilometer Gebiet öfters veranstalten, in dem GW717m und sein Rudel umher streifen – sie wollen erklärterweise die Jagd auf diese Weise behindern. Eine in den sozialen Medien geschürte „Missachtung der rechtsstaatlichen Entnahmeentscheidung“, so das Ministerium, lasse überdies Angriffe auf die an der Jagd Beteiligten befürchten.

Der Umweltminister habe sich „verrant“

Siebenmal hat das Ministerium seit Januar deshalb schon die Genehmigung zum Abschuss verlängert. Umweltminister Olaf Lies (SPD) habe sich da „verrannt“, sagt der Grünen-Abgeordnete und frühere Landesagrarminister Christian Meyer. Der gesuchte Wolf habe „kaum weitere Schäden verursacht“. Meyer verlangt, das Geld lieber in Präventionsmaßnahmen gegen Wolfrisse zu stecken. Die Kosten der Jagd auf GW717m überstiegen Ausgaben für den Schadenersatz an betroffene Tierhalter um fast das Doppelte. 1.280 Tierhalter hätten bislang Geld für Zäune und anderen Herdenschutzmaßnahmen beantragt, davon allein 508 im laufenden Jahr. Ein Großteil der Anträge sei immer noch nicht bearbeitet geschweige denn bewilligt worden.

Ähnlich schwer wie Lies tut sich dessen grüner Kollege Kan Philipp Albrecht im Nachbarbundesland Schleswig-Holstein. Dort ist „Problemwolf“ GW924m seit dem Februar zum Abschuss freigegeben. Weil der Wolf die von der Landesregierung beauftragten Häscher immer wieder narrte und auf seiner Flucht munter weiter Weidetiere riss, hat Albrecht jetzt die Abschussgenehmigung auf alle Jäger mit Revieren in Pinneburg und Steinburg ausgeweitet: Dort haben jetzt rund 500 Jagdleute die Lizenz zum Töten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false