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Rick’s Café: Casablanca: Orientalische Illusion

Ein Besuch in Rick’s Café in Casablanca – eine US-Diplomatin ließ hier die Bar aus dem Film mit Humphrey Bogart neu entstehen.

Casablanca, Marokkos Metropole am Atlantik, gilt als wahrlich westlichste Stadt des Orients. Junge Frauen in hautengen Jeans treffen sich mit ihren Freundinnen, die nach altem Vorbild ein Kopftuch tragen. Hamburger und Honiggebäck lassen sich hier genauso gut miteinander vereinbaren wie Minz-Tee und Coca-Cola. Die Stadt erfindet sich täglich neu. Gegenüber von Hafenkränen am Rande des Zentrums lässt sich eine dieser Neuerungen bestaunen. Die Herzen der Filmfreunde schlagen höher, seit Ricks legendäres Filmcafé aus dem Klassiker „Casablanca“ genau hier Wirklichkeit geworden ist. Aus Illusion wurde Realität. Die Kulissen aus dem Politthriller erwachten zum Leben.

Der Gast betritt eine weiße Villa und findet sich im nostalgisch-warmen Ambiente der vierziger Jahre wieder. Unter dem sechseckigen Kuppelgewölbe betört das Spiel mit Licht und Dunkelheit wie auf einer Theaterbühne die Sinne des Besuchers. Säulen und Mosaike zieren den Raum. Zwischen Palmen und Leuchtern huschen Schatten über die weißen Wände. Der Pianist spielt Lieder aus den Vierzigern und Fünfzigern.

Die Architektur orientiert sich an kolonialem Art-Deco. Weiße Arkaden und dunkles Mobiliar im maurischen Stil. Schwarz-weißer Fußboden, perfekt kopierte Lampen aus buntem Glas. Kellner in originalgetreuer Bekleidung servieren erlesene Köstlichkeiten.

„Ich habe mir den Film 200 Mal angesehen, damit auch jedes Detail stimmt“, übertreibt die Barbesitzerin. Die Frau im grünen Seidenkaftan wendet sich wie ihr Vorbild im Film jeden Abend den Gästen persönlich zu. Gelegentlich kommt sie in weißer Smokingjacke mit schwarzer Fliege die Treppe herunter. Dann nennen die Besucher sie liebevoll „Madam Rick“. Kathy Kriger sieht sich in der Tradition des zynisch-draufgängerischen Barbesitzers Rick Blaine, gespielt von Humphrey Bogart. Etwas von dessen unbeugsamem Charakter lebt in ihr fort.

Mit einem ungewöhnlichen Schritt sorgte die amerikanische Diplomatin für Aufsehen. Aus Protest gegen die US-Interventionen in Afghanistan und Irak quittierte sie ihren Dienst in der US-Botschaft. Als liberale Intellektuelle verurteilt sie das Vorgehen der Bush-Administration. Kathy Kriger setzt auf die „anderen amerikanischen Werte“ wie Geschick und Geduld. Neue Ideen im Umgang mit der arabischen Welt seien gefragt. Nur im Dialog könne ihre Heimat Frieden mit dem Islam schließen. Sie propagiert das offene, fröhliche, positive Amerika. Rick’s Café soll diesen Appell in beide Teile der Welt senden.

Rückschlägen trotzte sie beharrlich. Als im Jahr vor der Eröffnung des Lokals über 40 Menschen bei Selbstmordanschlägen in Casablanca ums Leben kamen, drohte das touristenfreundliche Image Marokkos zu kippen. Doch die mutige Unternehmerin behielt die Nerven. Sie glaubte an Marokkos friedliche Zukunft und wollte den Bau ihrer schicken Bar vollenden. Ein einheimischer Architekt und ein amerikanischer Designer halfen ihr bei der Umsetzung des Projekts, für das Geldgeber etwa eine Million Dollar bereitgestellt hatten.

Der Amtsantritt von Barack Obama wurde im Lokal groß gefeiert. „Es war wie der Aufbruch in eine neue Zeit“, schwärmt sie. „Zum ersten Mal fühlte ich mich richtig gut dabei, unser Restaurant ,Rick’s Café Americain’ zu nennen.“

Ein amerikanisches Lokal – so wie in der Filmvorlage. Das Lokal entstand am Set in Hollywood mit einfachen Mitteln. Für die orientalische Kulisse der Film-Bar lieferte das Nobelhotel El Minzah aus Tanger die Vorlage. In Marokko wurde nicht eine Szene gedreht.

Bernd Musa[ Casablanca]

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