zum Hauptinhalt
Alles so schön alt hier. Nach der diplomatischen Annäherung zwischen Washington und Havanna trauen sich die ersten US-Amerikaner nach Kuba.

© dpa

Reiseboom nach Kuba: Jetzt geht's los: Amerikaner in Havanna

Nach den Reiseerleichterungen kommen die ersten US-Touristen nach Kuba. 2014 spülten drei Millionen Besucher zwei Milliarden Dollar in die Kassen – und das ist erst der Anfang.

Interessiert spazieren die „Gringos“ von Ausstellungsraum zu Ausstellungsraum. Hier im „Museum der Revolution“ im Herzen der historischen Altstadt Havannas, gibt es Geschichtsunterricht zum Anfassen. Und der ist keineswegs schmeichelhaft für die Gäste aus dem Norden. Die USA kommen hier besonders schlecht weg. Viele der ersten US-amerikanischen Touristen, die sich dieser Tage nach Beginn der Reiseerleichterungen in das Land fast ohne Internet und W-Lan aufgemacht haben, finden sich in der Rolle des Bösewichts wieder.

Hier, wo die Überbleibsel eines US-amerikanischen Angriffs ausgestellt sind, den es nach amerikanischer Lesart eigentlich gar nicht gegeben hat, bleiben auch Bob und Ann aus Oklahoma stehen. „Es ist interessant, die kubanische Sichtweise zu hören und kennenzulernen, denn die unterscheidet sich ja ganz erheblich von unserer Geschichtsschreibung“, sagt der 39 Jahre alte Mann aus dem Mittleren Westen. Wie fast alle fotografiert er die ausgestellten Trümmerteile, nimmt sich Zeit für die Heldentaten der kubanischen Rebellen. Es sind keine Pauschaltouristen, die als „Pioniere“ nach Kuba kommen, sondern in der Regel gut gebildete, an der Geschichte und der Kultur Kubas interessierte Amerikaner.

Die Amerikaner sind begeistertvom einstigen Klassenfeind

Kuba ist für sie vor allem ein riesiges Freilichtmuseum. Sie saugen die Eindrücke in sich auf. Die Parolen in vergilbter Farbe von den Häuserwänden erinnern daran, wer hier das Sagen hat. Sie schwärmen von der Revolution und dem Ein-Parteien-Staat, und doch wirken sie schon aus der Zeit gefallen.

Kuba öffnet sich, zumindest nach außen. Innenpolitisch bleibt bislang alles beim Alten. Politisch Andersdenkende werden ausgegrenzt, öffentlich gedemütigt und verhaftet. Kubas Kommunisten dulden keinen anderen Gott neben Fidel Castro, wer anderer Meinung ist, für den wird es ungemütlich.

Von all dieser Ungemütlichkeit bekommen die US-Amerikaner allerdings kaum etwas mit. Nur als sich ein paar Bettler unter die Touristen mischen, um einen der begehrten „Auslands-Pesos“ zu ergattern, die die devisenstarken Gäste zwangsumtauschen müssen, wird es einmal kurz hässlich: Die Bettler werden als Vaterlandsverräter beschimpft. Armut gibt es in dieser Form in Kuba offiziell nicht, dass sie es trotzdem bis in die touristische Parallelgesellschaft schafft, ärgert kubanische Kommunisten.

Die Reiseerleichterungen im Zuge des Annäherungsprozesses zwischen Washington und Havanna machen neue Begegnungen möglich. „Ich wollte schon immer mal nach Kuba, jetzt hat sich die Gelegenheit ergeben und ich habe sofort zugegriffen“, sagt Brad Smith aus New Orleans. Verheiratet ist er mit einer Exilkubanerin, die ihm nun Land und Leute zeigt.
„Mich erinnert das an Glasnost und Perestroika aus der Zeit von Gorbatschow“, sagt Adam Winter aus New York, der sich mit Freunden im Restaurant „La Moneda“ in einer der schmucken Gassen Havannas zum Rotwein trifft. Diejenigen Kubaner, die englisch verstehen, hören aufmerksam zu. Die Amerikaner sind hier willkommen. Viele Kubaner haben kleine US-Flaggen ins Auto gesteckt, soviel Ungehorsam muss sein.

Wer westlichen Standard will,muss westliche Preise bezahlen

US-amerikanischer Dialekt ist inzwischen überall zu hören: Ob im Hotel Parque Central, einem der populärsten Hotels der Stadt, oder in den deutlich preiswerteren Hostals Havannas, die sich auf Rucksacktouristen spezialisiert haben. Der Wandel ist greif- und spürbar in der Drei-Millionen-Metropole, zumindest dort wo Touristen willkommen sind. Es gibt viele Baustellen, die historische Altstadt verpasst sich ein Facelifting, Gasse für Gasse, Fassade für Fassade wird aufbereitet. Es entsteht im Badeort Varadero eine Parallelgesellschaft, die mit dem alltäglichen Leben der Kubaner kaum etwas gemein hat. Diese Parallelgesellschaft hat ihren Preis: Wer westlichen Standard will, muss auch westliche Preise bezahlen. Weiter draußen, dorthin wo sich kein Tourist verirrt, wo der tägliche Überlebenskampf tobt, bekommen die Kubaner von diesen Veränderungen nichts mit.

Zum ersten mal legten jüngst Sportsegler aus den USA im Rahmen der „Havanna Challenge“ in der kubanischen Hauptstadt an.
Zum ersten mal legten jüngst Sportsegler aus den USA im Rahmen der „Havanna Challenge“ in der kubanischen Hauptstadt an.

© dpa

Havanna rüstet sich derweil für einen noch größeren Ansturm. Wenn die US-Fluglinien erst einmal ihren Flugplan auf Havanna abgestimmt und auch die Fähren ihren Dienst aufgenommen haben, wird die Zahl der Touristen aus den Vereinigten Staaten noch weiter steigen. Eines der größten Prestigevorhaben ist das Hotel „Manzana“ im Herzen der Altstadt, welches dank seiner historischen Fassade schon bald zum neuen Hotspot der Stadt werden könnte.

Der Umtausch in den CUC, dessen Wert sich vom „Inlands-Peso“ deutlich unterscheidet, spült dank der Besucherströme Millionen an wertvollen Devisen ins Land. Das und die Öffnung des Tourismussektors für private Anbieter sorgen für eine beeindruckende Entwicklung Havannas, die allerdings auch dazu führen kann, dass die alteingesessenen Kubaner bald dieses Stückchen Altstadt verlassen müssten, wenn es ihnen nicht gelingt, selbst Teil des Wandels zu werden. Luxusapartments und Hotels entstehen nun mal an den schönsten Fleckchen der Erde, wer die Preise nicht zahlen kann, wird verschwinden.

Der kubanische Tourismusminister Manuel Marreno reibt sich unterdessen die Hände. Anfang Mai zählte er über 120 Reiseveranstalter und Tour-Organisatoren aus den USA, die erstmals bei der Internationalen Tourismusmesse in Cayo Coco mit von der Partie waren. „Das Embargo bleibt allerdings ein Hemmnis, dass die US-Bürger nicht frei reisen lässt“, sagt Marreno.

Wie wichtig der Tourismus für die kubanische Wirtschaft ist, zeigen die jüngsten Zahlen. Erstmals übersprang die Zahl der Touristen, die auf die kommunistische Insel kamen, im Jahr 2014 die magische Grenze von drei Millionen Besuchern. Sie spülten rund zwei Milliarden US-Dollar in die Kassen. Und da war von der diplomatischen Annäherung zwischen den USA und Kuba noch gar nicht die Rede. In diesem Jahr werden die Zahlen geradezu explodieren. Doch erst wenn alle Reisebeschränkungen aufgehoben sind, wird die ganze gesellschaftliche und wirtschaftliche Wucht der „amerikanischen Invasion“ zu spüren sein.

Kaum eine Woche in der nicht neue Nachrichten von atemberaubenden Veränderungen berichten: Erstmals legten jüngst mehrere Dutzend Sportsegler aus den USA im Rahmen der „Havanna Challenge“ in der kubanischen Hauptstadt an. Sie waren mit der notwendigen Erlaubnis von Key West in Florida in See gestochen. Eine Route, die umgekehrt in den vergangenen Jahrzehnten vor allem verzweifelte kubanische Bootsflüchtlinge nahmen. In Kürze werden auch die Fährverbindungen wieder aufgenommen, die Anzahl der Direktflüge erhöht und Kreuzfahrtrouten ausgebaut.

Zur Startseite