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Hass im Kopf. Viele Rechtsextremisten sind militant. Die Zahl der rechten Gewalttaten im ersten Quartal 2022 stieg deutlich.

© Norbert Millauer/DDP

Exklusiv

169 Taten von Januar bis März: Rechtsextreme Militanz nimmt drastisch zu

Mit Sorge registrieren die Sicherheitsbehörden eine Zunahme der Aggressivität. Selbst Jugendliche radikalisieren sich in Richtung Terror.

Von Frank Jansen

Die Gefahr durch rechte Militanz scheint zu wachsen. Die Polizei registrierte nach Informationen des Tagesspiegels von Januar bis März nach vorläufigen Erkenntnissen 169 rechte Gewalttaten. Das sind fast 40 Prozent mehr als im ersten Quartal 2021 gemeldet worden war. Damals hatte die Polizei von 123 Delikten berichtet. Mindestens 73 Menschen wurden bei rechten Attacken verletzt. Auch die Zahl der rechten Straftaten insgesamt ist gestiegen. Von Januar bis März verübten Neonazis und andere Rechte 3605 Straftaten, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 3467.

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Die Angaben finden sich in den Antworten des Bundesinnenministeriums auf regelmäßige Anfragen von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und ihrer Fraktion. Die Bilanz zu März und damit zum gesamten Quartal liegt jetzt vor. Demnach begingen Rechte von Januar bis März fast zwei Gewalttaten pro Tag.

Zahlen werden noch steigen

Die Zahlen werden wahrscheinlich auch noch steigen. Die Polizei meldet erfahrungsgemäß über einen langen Zeitraum Straftaten nach. Viele Delikte werden der Polizei erst später bekannt, manche Straftaten ordnen die Beamten auch nicht sofort der politischen motivierten Kriminalität zu. Im ersten Quartal zeichnet sich allerdings eine erhöhte Bedrohung durch gewaltorientierte Rechtsextremisten ab - bis hin zum Terror. Und die Täter werden immer jünger.

Täter in Essen ist erst 16, der Angreifer in Buffalo gerade mal 18

Der vergangene Woche vereitelte Anschlag eines 16-jährigen Rechtsextremisten auf eine Schule in Essen hat die Sicherheitsbehörden erschreckt. Der Jugendliche war dabei, in der elterlichen Wohnung Nagelbomben zu basteln. Die Polizei fand zudem handschriftliche Aufzeichnungen mit SS-Runen und rassistischen Parolen.

Die Generalbundesanwalt hat nun die Ermittlungen gegen den verdächtigen Schüler übernommen. Der Grund dafür liege in der besonderen Bedeutung der Tat, sagte eine Sprecherin der Behörde am Montag. Die Ermittler werfen dem 16-Jährigen die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens sowie Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz vor. Jeremy R. soll einen rechtsextremistisch motivierten Anschlag auf Schüler und Lehrer in dem von ihm besuchten Gymnasium vorbereitet haben. Dazu soll er sich Gegenstände zum Bau von Sprengvorrichtungen und Waffen verschafft haben. Laut den Ermittlern gehörten dazu ein Schlagring, ein Schlagringmesser, Armbrüste, eine Machete sowie Luftdruck- und Schreckschusswaffen.

„Das ist nicht mehr beherrschbar“

Auch der rechtsextreme Angreifer, der am Samstag in der US-amerikanischen Stadt Buffalo zehn Menschen erschoss, war erst 18 Jahre alt. „Das ist nicht mehr beherrschbar“, sagte ein Sicherheitsexperte jetzt dem Tagesspiegel, „wo ist beim Terror die Altersgrenze nach unten? Schon kleine Kinder bewegen sich ja im Netz.“ Befürchtet wird, dass ähnlich radikalisierte Minderjährige die Fälle Essen und Buffalo nachahmen.

Fanatiker wollten Gesundheitsminister Lauterbach entführen

Hinzu kommt der Fanatismus in der Mischszene aus Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Coronaleugnern. Im April nahm das Bundeskriminalamt vier Mitglieder der Gruppierung „Vereinte Patrioten“ fest, die Anschläge auf die Stromversorgung und die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben sollen. Die Männer hatten bereits Schusswaffen beschafft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die Tatverdächtigen wollten mit den geplanten Angriffen einen Bürgerkrieg entfachen. Die Anschläge auf die Stromversorgung hätten einen bundesweiten Black-out auslösen sollen. Für diesen „Tag X“ erwarteten die Fanatiker offenbar den Ausbruch massiver Unruhen im Land, die zum Sturz von Regierung und demokratischem System führen sollten.

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