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QAnon-Verschwörungstheorien in den USA: Wie ein Naturschutzgebiet für Schmetterlinge ins Visier rechtsextremer Lügen geriet

Ein Schmetterlingsrefugium an der US-mexikanischen Grenze gerät ins Visier von Verschwörungstheoretikern – und muss schließen. Die Gefahr wurde zu groß.

Von Thomas Sabin

Sie flattern in allen erdenklichen Farben umher. Die Schmetterlinge des National Butterfly Centers, einem Naturschutzgebiet an der US-mexikanischen Grenze in Texas, ziehen Neugierige und Naturliebhaber aus dem ganzen Land an – eigentlich.

Die mehr als 200 Arten, die das Refugium beherbergt, können ganzjährig bestaunt und bewundert werden – eigentlich.

Seit einer Weile ist aber alles anders. Das Areal am Rio Grande ist zur Zielscheibe von Trump-Fanatikern und QAnon-Verschwörungstheoretikern geworden. Das Center hat seine Tore aus Angst vor Angriffen geschlossen.

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Das National Butterfly Center in der Nähe der US-Stadt McAllen ist ein Projekt der North American Butterfly Association (NABA), einer gemeinnützigen Organisation. Sie widmet sich der Erhaltung und Erforschung wild lebender Schmetterlinge.

Trump-Anhänger, QAnon-Verschwörungstheorethiker und erzkonservativen Politiker gegen den National Butterfly Center in Texas. (Symbolbild)
Trump-Anhänger, QAnon-Verschwörungstheorethiker und erzkonservativen Politiker gegen den National Butterfly Center in Texas. (Symbolbild)

© dpa/Jens Büttner

Auf dem insgesamt 100 Hektar großen Gelände sind Erkundungspfade, Beobachtungsbereiche, Bildungsausstellungen und eine Gärtnerei zu finden. „Das National Butterfly Center ist das Aushängeschild der NABA und ein Hauptschwerpunkt ihrer Bemühungen, die Öffentlichkeit über den Wert der biologischen Vielfalt, die Schönheit der natürlichen Welt, die Wunder der Schmetterlinge und die wichtige Rolle, die sie bei der Erhaltung gesunder Ökosysteme und nachhaltiger Nahrungsquellen spielen, aufzuklären“, heißt es auf der Website des Centers.

Ultrarechte Verschwörungsszene nimmt Touristenattraktion ins Visier

Doch das sehen nicht alle so. Ganz im Gegenteilt. Die ultrarechte Verschwörungsszene in den USA hat die Touristenattraktion ins Visier genommen und verbreitet die Verschwörungstheorie, das Schmetterlingszentrum sei ein Ort für Menschenschmuggel, Sexhandel und Ausbeutung von Kindern.

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Die absurden Gerüchte über das Center werden unter anderem von Trump- und QAnon-Anhängern sowie erzkonservativen Politikern verbreitet. Die Mitarbeiter des Centers sehen sich seither Drohungen und unerfreulichen Besuchen ausgesetzt.

Wie die „New York Times“ berichtet, suchte im letzten Monat Kimberly Lowe, Kandidatin für den Kongress in Virginia, das Zentrum auf. Sie war im Center auf der Suche nach Beweisen für Menschenschmuggel, heißt es. Dabei sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit Marianna Trevino Wright, seit 2012 Geschäftsführerin des Zentrums, gekommen.

Wright verbannte Lowe wegen ihrer einwanderungsfeindlichen Parolen auf Facebook vom Grundstück. Dabei sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Wright schlug Lowe laut „New York Times“-Bericht das Telefon aus der Hand, als Lowe zu filmen begann.

Wright erzählt, sie sei daraufhin zu Boden geworfen worden und ihr eigenes Telefon sei von einer anderen Frau gestohlen worden. Lowe soll schließlich beinahe Wrights Sohn mit dem Auto überfahren haben. Lowe bestritt jegliches Fehlverhalten und beschuldigte Wright, die Angreiferin zu sein.

Es sei genau andersrum gewesen, schrieb Lowe in den sozialen Medien: „Die verrückte Schmetterlingslady“ habe sie verbal und physisch angegriffen und ihr das Handy gestohlen. Wright habe versucht, sie, eine Freundin und drei Kinder zu entführen, so Lowe.

Nicht nur in Amerika verbreitet: Eine Frau trägt bei einer Demonstration in München ein QAnon-Shirt. (Archivbild)
Nicht nur in Amerika verbreitet: Eine Frau trägt bei einer Demonstration in München ein QAnon-Shirt. (Archivbild)

© imago images/ZUMA Wire/Sachelle Babbar

Mit Langwaffen entlang des National Butterfly Centers

Wenige Tage später gab es eine Versammlung in der nahegelegenen Stadt McAllen. Die Redner: Michael T. Flynn, der ehemalige General und nationale Sicherheitsberater von Donald Trump. Tom Homan, der frühere Direktor der US-Einwanderungspolizei ICE und der Musiker und Pandemieleugner Ted Nugent.

Anschließend marschierten etwa hundert Teilnehmer zu einem Abschnitt der Grenzmauer zu Mexiko in der Nähe des National Butterfly Centers. Laut „New York Times“ sollen dabei einige mit Langwaffen bewaffnet gewesen sein, andere sollen „Amazing Grace“ gesungen haben.

„Glaubwürdige Gefahr, dass Kartelle Kinder durch das Schmetterlingszentrum schmuggeln“

Nur wenige Tage später schaute der rechte Aktivist Ben Bergquam vorbei. Er filmte sich vor dem Center. Im Hintergrund ist das Eingangsschild des Refugiums zu sehen. Drei große Schmetterlinge zieren die Willkommenstafel.

[Lesen Sie hier bei T+: Die Psychologie des Verschwörungskultes - Warum glauben Menschen an Abstrusitäten wie QAnon?]

Der Mann behauptet, dass es eine „glaubwürdige Gefahr, dass Kartelle Kinder durch das Schmetterlingszentrum schmuggeln“ gebe. Dann hält er einen Kinderschuh in die Kamera und fordert, dass Joe Biden die illegale Invasion stoppe. „Beschütze die Schmetterlinge, Joe, schließe die Grenze, denn wir wissen, dass du dich nicht um die Kinder scherst!“

Bergquam selbst sieht sich als Anhänger von Trumps „Make America Great Again“-Bewegung. Ausgestrahlt werden seine Videos auch auf dem Sender Real America´s Voice News (RAV). Hier auch zu sehen: „The War Room“, die Talk Show des ehemaligen Wahlkampfchefs von Donald Trump, Steve Bannon.

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Seit einiger Zeit stehen also ganz andere Besucher vor den Toren der Schmetterlings-Idylle, getrieben von Verschwörungstheorien. Seit wenigen Tagen hängt auch ein Schild am Tor des Centers: „Bis auf Weiteres geschlossen.“

Problemen sieht sich der National Butterfly Center nicht zum ersten Mal ausgesetzt. Bereits 2017, als Donald Trump, damaliger US-Präsident, eine Mauer an der US-mexikanischen Grenze bauen wollte, gab es Ärger. Der Bau sollte durch das 100 Hektar große Naturschutzgebiet gehen. Das National Butterfly Center war dagegen und unterstützte das Vorhaben nicht.

[Exklusiv für Abonnenten: Angehörige von Verschwörungsgläubigen - Wie es ist, seine Familie an den QAnon-Kult zu verlieren]

Die Folge waren auch damals Angriffe von Konservativen. So attackierte beispielsweise Brian Kolfage, ein Irakkriegsveteran, der gemeinsam mit Steve Bannon an der Leitung der „We Build the Wall“ Crowdfunding-Kampagne beteiligt war, die Millionen für den Bau einer Grenzbarriere auf privatem Land in der Nähe des Schmetterlingszentrums sammelte, das Center wiederholt in den sozialen Medien an. „Anstatt zuzulassen, dass Frauen und Kinder wie bei @NatButterflies Opfer von Sexhandel werden, werden wir aktiv! Dies ist ein Krieg um die Kontrolle über das mächtigste Land“, zitiert die „New York Times“ einen Kolfage-Tweet von 2019.

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„Wir wissen, dass es eine gefährliche Lüge ist“

Für Dr. Jeffrey Glassberg, Präsident der gemeinnützigen North American Butterfly Association, führen Kampagnen und Lügen wie sie das National Butterfly Center seit längerem erlebt zu nichts Gutem. „Die Art der Aktivitäten, die Art des Geplauders – das sind die Dinge, die vor anderen schrecklichen Ereignissen, bei denen Menschen starben, passiert sind“, sagte Glassberg der „New York Times“. Er befürchtet, jemand könne dadurch zu Gewalt greifen.

„Wir wissen, dass es eine gefährliche Lüge ist“, so der 74-Jährige weiter. „Die Leute sagen, dass man Babys vergewaltigt, und dann kommen die Unruhestifter aus dem Wald heraus.“ Die Tore des Refugiums bleiben laut Glassberg vorerst so lange geschlossen, bis man einen Plan habe, die Sicherheit der Mitarbeiter und Besucher zu gewährleisten.

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Bei Glassberg weckt all das Erinnerungen. Etwa an den Massenmörder, der 2019 in einem Walmart in El Paso auf hispanische Käufer zielte, sagt er. Auch damals gab es eine ähnliche Debatte um die Grenzsicherheit.

Bei anderen dürften aber auch Erinnerungen an die „Pizzagate-Verschwörungstheorie“ wach werden. Die Behauptung damals: Demokraten würden in dem Restaurant einen Kindersexhandelsring betreiben. In der folge stürmte ein Mann mit einem Sturmgewehr vom Typ AR-15 in die Pizzeria und schoss. Getötet wurde niemand. Gefunden hatte der Angreifer: nichts. Der Kindersexhandelsring der Demokraten: ein Verschwörungstheorie.

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