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Kardinal Angelo Becciu spricht mit Journalisten während einer Pressekonferenz in Rom.

© dpa/Gregorio Borgia

Prozessauftakt in historischem Verfahren: Veruntreuung und Machtmissbrauch in höchsten Kreisen des Vatikans

Veruntreuung, Amtsmissbrauch und weitere Delikte: In einem historischen Verfahren im Vatikan stehen ein einst mächtiger Kardinal und weitere Männer vor Gericht.

Kardinal Angelo Becciu, der bis zu seiner Entlassung vergangenes Jahr als Äquivalent eines Stabschefs für Papst Franziskus diente, werden Veruntreuung, Amtsmissbrauch und weitere Delikte vorgeworfen. Es ist das erste Mal, dass ein Kardinal von der vatikanischen Strafverfolgung angeklagt wird.

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Im Zentrum des Verfahrens steht ein ruinöses Immobiliengeschäft in London: der Kauf eines 17.000 Quadratmeter großen ehemaligen Lagerhauses im Stadtteil Chelsea, das in Luxuswohnungen umgewandelt werden sollte. Der völlig überhöhte Preis von 350 Millionen Euro bedeutete laut Vatikan „erhebliche Verluste“ für die Staatskasse und wurde teilweise mit Mitteln bezahlt, „die für die persönliche karitative Arbeit des Heiligen Vaters bestimmt waren“.

Der Vatikan hatte sich für den Immobilienkauf zwischen 2013 und 2014 über 200 Millionen Dollar hauptsächlich bei der Credit Suisse geliehen und diese in einen Luxemburger Fonds des italienischen Finanziers Raffaele Mincione investiert. Die Hälfte des Geldes floss in den Kauf eines Teils besagter Londoner Immobilie.

Der Vatikan hatte keine Kontrolle über die Verwendung des Restbetrags und Mincione nutzte die Mittel für Hochrisikogeschäfte. 2018 engagierte der Kirchenstaat deshalb Gianluigi Torzi, um die Verbindungen mit Mincione zu kappen und den Kauf der Londoner Immobilie zu finalisieren. Angeblich machte Torzi jedoch mit Mincione gemeinsame Sache.

Becciu weist alle Vorwürfe zurück

Außerdem fügte er eine Klausel in die Verträge ein, die ihm die Kontrolle über die Immobilie übertrug. Anschließend soll Torzi 15 Millionen Euro verlangt haben, um dies rückgängig zu machen.

Zum Zeitpunkt der Geschäfte war Kardinal Becciu stellvertretender Leiter des vatikanischen Staatssekretariats und somit maßgeblich verantwortlich für die Verwaltung des riesigen Vermögens des Kirchenstaats. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft unterstützten die obersten Ränge des Vatikans das Londoner Immobiliengeschäft, ohne zu ahnen, was vor sich ging.

Becciu muss sich nun wegen Veruntreuung und Amtsmissbrauch verantworten. Ranghohe Finanzbeamte und Angestellte des Heiligen Stuhls, darunter der ehemalige Leiter der Finanzaufsichtsbehörde, der Schweizer Anwalt René Brülhart, sollen direkt mit Torzi und Mincione zusammengearbeitet haben und sind deshalb mitangeklagt. Es drohen Gefängnis- und hohe Geldstrafen.

Gegen Becciu gibt es zudem weitere Vorwürfe. Etwa soll der 73-Jährige rechtswidrig 800.000 Euro an eine von seinem Bruder geführte Wohltätigkeitsorganisation gespendet haben. Außerdem steht er in Verbindung mit Cecilia Marogna, die beschuldigt wird, Geld für die Befreiung gefangener Priester und Nonnen im Ausland in die eigene Tasche gesteckt zu haben.

Becciu weist alle Vorwürfe zurück und sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Für Papst Fanziskus ist das Verfahren höchst peinlich. Nach zahlreichen Finanzskandalen in den vergangenen Jahrzehnten hatte das Kirchenoberhaupt angekündigt, konsequent gegen Fehlverhalten in den eigenen Reihen vorzugehen.

Inhaltlich wird von der Anhörung am Dienstag nicht viel erwartet. Ob Becciu persönlich anwesend sein wird, blieb bis zuletzt unsicher. Der Prozess, der in einem behelfsmäßigen Gerichtssaal in den Vatikanischen Museen abgehalten wird, könnte bis nach der Sommerpause verschoben werden. (AFP)

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