zum Hauptinhalt
Die wegen Mordes angeklagte Gabriele P. berät sich am Montag vor Prozessbeginn im Landgericht in München mit ihrer Rechtsanwältin Birgit Schwerdt.

© dpa

Prozess in München: Frau tötet Freund nach Fesselsex mit Kreissäge

In München steht eine Frau vor Gericht, die ihren Freund beim Fesselsex getötet hat. Mit einer Handkreissäge. Er ahnte nichts, weil er nichts sehen konnte.

Es ist der Moment, auf den alle warten. Der Augenblick, in dem die Angeklagte den Saal B175 des Münchner Landgerichts I betritt. Alle schauen gebannt, die Journalisten, die Zuschauer, auch die notorische Clique älterer Herren ist da, für die Mordprozesse eine willkommene Abwechslung im Alltag sind. Die Fernsehkameras bilden eine Wand vor der Anklagebank. Wie also sieht sie aus, die Frau, die eine so unvorstellbare Tat begangen hat? Die ihren Freund nach dem Sex im gefesselten Zustand mit einer Handkreissäge getötet und ihm anschließend den Kopf abgetrennt hat?

Auch die Mutter des Opfers, eine Frau mit lila Strähnen im Haar, sitzt im Gerichtssaal. Sie hatte zuvor angekündigt, der Angeklagten während der Verhandlung ins Gesicht schauen zu wollen. Doch daraus wird nichts. Gabriele P., 31 Jahre alt und Studentin der Pädagogik, ist eine kleine Frau, sie trägt Jeans und ein Jackett, und vor ihr Gesicht hält sie ein weißes Blatt Papier. So sitzt sie da, wie versteinert. Die Fernsehleute filmen sie trotzdem ab, minutenlang hält die ARD-Kamera drauf. Als die Bildberichterstatter den Raum verlassen haben, dreht Gabriele P. ihr Gesicht der Gerichtsbank zu, ihre langen gewellten Haare bilden einen seitlichen Vorhang. Die Frau, die viele Medien wohl gerne als Personifizierung des Bösen vorgeführt hätten – sie bleibt für die Öffentlichkeit fast unsichtbar.

Es ist ein Fall, der alle Zutaten zu einer schauerlichen Story enthält; entsprechend groß ist der Andrang vor dem Landgericht. Er handelt von einem Mord in einer Studenten-WG, in einem kleinen Einfamilienhaus im Münchner Vorort Haar, in dessen Garten das Opfer jahrelang vergraben lag, während die Bewohner draußen fröhlich feierten. Erst Jahre später berichtete jemand aus dem Umfeld der WG den Fall der Polizei, erst 2016 wurde Gabriele P. als mutmaßliche Täterin festgenommen. Sie hat die Tat gestanden, es geht nun um die Frage, ob der Mord „heimtückisch“ begangen wurde oder eine Verzweiflungstat war, wie die Verteidigung sagt.

Nachbarn sprachen vom "Hippiehaus"

Der Tatort ist eine kleine Anwohnerstraße in einem ordentlichen Wohngebiet: Reihenhäuser, Einfamilienhäuschen, Thujenhecken, gepflegte Gärten. In dem kleinen weißen Haus in der Zunftstraße wohnt seit einem Jahr, seit der Festnahme von Gabriele P., niemand mehr, der Garten ist verwildert. Die Studentin hatte das Haus geerbt. Seit 2003 lebte sie dort mit ihrem Freund Alex H. und zwei Mitbewohnerinnen; die Nachbarn bezeichneten die Wohngemeinschaft als „Hippiehaus“. Alex H. und Gabriele P. hatten sich kennengelernt, da war sie gerade einmal 16. Offenbar war es eine große Liebe, damals. Das Paar, so schildert es Gabriele P. vor Gericht mit leiser Stimme, trank wohl viel Alkohol, die junge Frau alleine jeden Tag ein bis zwei Flaschen Wein, man rauchte Marihuana, Alex H. nahm auch Speed und andere Drogen. Und die beiden pflegten ein Sexleben, in dem Sexspielzeug und vor allem Fesselspiele eine große Bedeutung hatten.

Dieses Detail ist deshalb wichtig, weil das Opfer während der Tat offenbar völlig arg- und wehrlos war. Über das genaue Motiv möchte Gabriele P. vor Gericht ausführlich sprechen. Allerdings wird die Öffentlichkeit während aller ihrer Aussagen ausgeschlossen, die sich mit den Details der Tat und den Hintergründen der Beziehung befassen. Als sicher gilt, dass die beiden oft gestritten haben, anscheinend hat er sie oft gedemütigt. Den Tathergang schildert die Staatsanwältin mit kühler Stimme. Auch am Tag zuvor soll es zu einem heftigen Streit gekommen sein. Nur zum Schein habe sich Gabriele P. mit ihrem Freund versöhnt und auch mit ihm geschlafen. Er habe sie – wie schon öfter – aufgefordert, ihn ans Bett im Dachgeschoss zu fesseln, er selbst habe sich eine abgeklebte Taucherbrille über den Kopf gezogen, sodass er nichts sehen konnte. So bekam er zunächst wohl nichts davon mit, dass Gabriele P., wie die Anklageschrift vermerkt, „eine Handkreissäge der Marke Bosch“ nahm und zur Tat schritt.

Bei der Vernehmung wirkt Gabriele P. fast unbeteiligt, ein wenig wie betäubt. Auf die vielen präzisen Fragen des Vorsitzenden Richters Michael Höhne antwortet sie oft: „Das war unterschiedlich“, oder: „Das ist so lange her.“ Wann ihre Mutter gestorben ist, weiß sie nicht mehr, „sie war ungefähr 65“. Drei Abtreibungen hat sie hinter sich, hat sie darunter gelitten? „Kann ich nicht sagen.“

Es sind die Antworten eines Menschen, der über sein Leben reflektiert, als sei es weit weg, als seien alle Beteiligten Fremde. Nur über ihren derzeitigen Lebensgefährten Christian K. spricht sie mit etwas Wärme in der Stimme. Ein halbes Jahr nach der Tat hatte er die Leiche von Alex H. auf dem Dachboden entdeckt, zusammen mit einem Bekannten trug er sie in den Garten und vergrub sie dort. Wenig später feierten Gabriele P. und ihr neuer Freund dort eine freie Hochzeit nach buddhistischem Ritual – nicht weit von der Stelle, wo der alte Freund unter der Erde lag. Dass ihn niemand vermisste, lag offenbar an dem Gerücht, er sei mit einer Freundin ins Ausland durchgebrannt und wolle mit seiner Heimat nichts mehr zu tun haben. Der Prozess ist auf sieben Tage angelegt, das Urteil wird für Mitte März erwartet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false